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Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe

12. Apr. 2025 · Lesedauer 5 min

Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird in vielen Kriegen und bewaffneten Konflikten gezielt als Waffe eingesetzt. Zusätzlich zu den Schrecken des Krieges müssen sich Frauen unter anderem vor Vergewaltigungen, Entführungen und Zwangsprostitution fürchten. Während Genoziden kommt es auch zu Zwangsabtreibungen, Zwangssterilisierungen oder erzwungenen Schwangerschaften. Die Verbrechen, die der sudanesischen Rebellenmiliz RSF vorgeworfen werden, sind kein Einzelfall.

Erst seit 2008 werden Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen anerkannt. Täter werden dafür jedoch selten zur Rechenschaft gezogen, da in vielen Fällen die Beweislage nicht ausreicht. Auch mangelnder Zeuginnenschutz und die Angst vor Stigmatisierung führen dazu, dass viele Verbrechen erst gar nicht angezeigt werden. Selbst zuhause sind Frauen nicht sicher: In Kriegs- und Nachkriegsregionen steigen die Vorfälle häuslicher Gewalt, berichtet die Frauenrechtsorganisation AMICA, die sich für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten engagiert. Sowohl gegenwärtig als auch historisch ist sexuelle Gewalt als Kriegswaffe etabliert, wie die Beispiele aus dem Sudan, Gaza, Bosnien-Herzegowina und Ruanda zeigen.

Seit zwei Jahren tobt im Sudan ein Bürgerkrieg zwischen der RSF und den sudanesischen Streitkräften (SAF), während dem die RSF systematisch sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen verübte. Aktuell werden der RSF Gruppenvergewaltigungen und sexualisierte Versklavung vorgeworfen. Amnesty International nannte in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht 36 dokumentierte Fälle von Vergewaltigung, Gruppenvergewaltigung und sexualisierter Versklavung im Zeitraum zwischen April 2023 und Oktober 2024. Amnesty International betonte, dass es sich bei den dokumentierten Fällen nur um einen kleinen Bruchteil der Übergriffe handle, welche die RSF tatsächlich begangen habe.

Zu den dokumentierten Fällen zählt die Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens, einer Mutter wurde beim Stillen ihr Baby entrissen, bevor sie vergewaltigt wurde und eine weitere Frau wurde 30 Tage lang festgehalten und sexuell versklavt. Widersetzte man sich der Vergewaltigung, riskierte man damit Schläge, Folter, Misshandlungen oder sein Leben. Ein elfjähriger Bub, der versuchte, seiner Mutter zu helfen, wurde von einem RSF-Soldaten zu Tode geprügelt.

Exekutionen nach Vergewaltigungen in Gaza

Am 7. Oktober 2023 griff die Hamas Israel an und tötete etwa 1.200 Menschen, rund 250 wurden in den Gaza-Streifen verschleppt. Allein auf dem Gelände des Nova Musikfestivals gab es etwa 300 Tote. Für die israelische Polizei-Oberkommissarin Mirit Ben Mayor war es jedoch nicht die Zahl der Opfer, die sie erschütterte, sondern die dabei von den Angreifern begangenen Grausamkeiten. Die Ermittlerin schilderte, dass viele Frauenleichen nackt gewesen seien, andere nur noch in Unterwäsche, zahlreiche wiesen Spuren brutaler Vergewaltigungen und anderer massiver Misshandlungen auf, vielfach auch im Genitalbereich. Augenzeugen berichteten von einer jungen Frau, der ein Hamas-Kämpfer in den Kopf schoss, noch während er sie vergewaltigte.

Sowohl bei dem Angriff selbst als auch in Gefangenschaft kam es zu zahlreichen Vergewaltigungen. Konkrete Zahlen gibt es keine, da viele Frauen während oder nach der Vergewaltigung getötet wurden, indem die Männer sie entweder erschossen oder anzündeten. Rettungs- und Notfallteams, welche die Leichen abtransportierten, berichteten davon, dass viele starke Blutungen im Unterleib aufwiesen oder verstümmelte Genitalien und/oder Brüste hatten. In einem Bericht der israelischen Vereinigung von Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer (ARCCI) beschrieb einer der Rettungsmitarbeiter die Gräueltaten: "Es gab praktisch keinen Körper, wo sie (nur) mit dem Erschießen zufrieden waren."

Vergewaltigungslager in Bosnien-Herzegowina

An das Massaker von Srebrenica, das zwischen 11. und 22. Juli 1995 stattfand, wird jährlich medial erinnert. Dieses Kriegsverbrechen ist jedoch nicht das einzige, welches im Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 begangen wurde. Die Armee der Republika Srpska (VRS), die von serbischen Separatisten angeführt wurde, beging einen Genozid an Bosniakinnen und Bosniaken, einer bosnisch-muslimischen Bevölkerungsgruppe. Laut der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker wurden mehr als 100 Konzentrations-, Internierungs- und Vergewaltigungslager errichtet, in denen über 200.000 zivile Häftlinge gefangen gehalten wurden.

Eine Frau, die im neunten Monat schwanger war, und ihr ungeborenes Baby wurden mit einem Schuss in den Bauch getötet, wie der Spiegel 2017 berichtete. Anschließend warf man sie zusammen mit 37 weiteren Müttern und Kindern in ein Massengrab. In- und außerhalb der Vergewaltigungslager wurden zwischen 20.000 und 50.000 Bosniakinnen vergewaltigt. Frauen wurden gezwungen, die aus den Vergewaltigungen entstandenen Schwangerschaften auszutragen. Die Frauen wurden in den Lagern festgehalten, um Abtreibungen oder Selbstmorde zu verhindern.

Gezielte HIV-Ansteckungen in Ruanda

Zwischen April und Juli 1994 fand ein Genozid an den Tutsis stand, einer Minderheit im hauptsächlich von Hutus bewohnten Ruanda. In ungefähr 100 Tagen wurden 800.000 bis zu einer Million Menschen getötet, etwa 75 Prozent der Tutsi-Bevölkerung sowie Hutu, die sich weigerten, am Völkermord teilzunehmen. Schätzungsweise wurden 250.000 bis 500.000 Frauen vergewaltigt, berichtete die Frauenrechtsorganisation medica mondiale.

Frauen und Mädchen wurden teilweise gezielt von HIV-infizierten Männern vergewaltigt, um die Betroffenen mit AIDS anzustecken. Zwei von drei Frauen, die während dem Genozid vergewaltigt wurden, wurden mit HIV infiziert. Die Gründerin von SEVOTA, Godelieve Mukasarasi, beschrieb das Leid der Frauen folgendermaßen: "Die Herzen der Frauen wurden drei Mal gebrochen. Durch den Genozid, durch Vergewaltigung und durch AIDS."

Zusammenfassung
  • Seit 2008 gelten Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen, doch die Ahndung scheitert oft an der Beweislage.
  • Amnesty International dokumentierte 36 Vergewaltigungsfälle durch die RSF im Sudan zwischen April 2023 und Oktober 2024.
  • Im Bosnienkrieg hielten serbische Separatisten über 200.000 Zivilisten in mehr als 100 Vergewaltigungslagern gefangen.
  • Im Ruanda-Genozid wurden 250.000 bis 500.000 Frauen vergewaltigt, oft von HIV-infizierten Männern.
  • Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe ist in Konflikten wie im Sudan, Gaza, Bosnien und Ruanda weit verbreitet.