Sozialhilfe-Gesetz für Amnesty "menschenrechtswidrig"
Insbesondere kritisierte Teresa Hatzl, Expertin für soziale Rechte bei Amnesty International, dass der Kreis jener, die Sozialhilfe beziehen können, durch das Gesetz verkleinert wurde. "Es ist offensichtlich, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz keinen diskriminierungsfreien Zugang sicherstellt und gerade jene Menschen, die besonders Unterstützung bräuchten, von der Sozialhilfe ausschließt", kritisierte sie.
Auch die festgeschriebenen Höchst- statt der davor geltenden Mindestsätze, seien ein großes Problem. "Das ist besonders perfide: Obwohl die Sozialhilfe eigentlich das letzte Auffangnetz für Menschen in Krisen sein sollte, ist es den Ländern durch das Grundsatzgesetz des Bundes ausdrücklich untersagt, günstigere Regelungen über die Höhe der Sozialleistungen zu erlassen", sagte Hatzl. Ganz grundsätzlich fehle es aber an der politischen Bereitschaft. So sei der bis dahin geltende Ansatz, Sozialhilfe als Mittel zur Bekämpfung von Armut zu sehen, 2019 weggefallen, kritisierte Amnesty-Geschäftsführerin Shoura Zehetner-Hashemi. "Explizit ist es nicht mehr die Intention des Gesetzgebers, Armut in Österreich zu bekämpfen." Die Bundesregierung habe zuletzt zwar Maßnahmen gesetzt, strukturell verändert habe sich aber nichts.
Besonders betroffen seien Menschen mit Behinderungen und Kinder, ergänzte Armutskonferenz-Sprecher Martin Schenk. Weiters gleiche es einem Glücksspiel, "wo ich wohne und wie hoch die mir zustehenden Leistungen sind", kritisierte Hatzl. Einige Bundesländer hätten das Gesetz noch nicht umgesetzt, einige Leistungshöhen, etwa Alleinerziehenden-Zuschläge, seien abhängig vom Wohnort.
Hashemi betonte, nicht über "zynische Kanzlervideos" sprechen zu wollen, und forderte stattdessen einen Neugestaltung des Gesetzes. Die neue Regelung müsse unter anderem wieder zum Ziel haben, Armut in Österreich zu bekämpfen und für alle Menschen in Österreich - unter anderem subsidiär Schutzberechtigte, die derzeit davon ausgenommen seien - gelten.
Sie fordert aber auch das Bekenntnis der Bundesregierung im Kampf gegen Armut. Denn diese sei in den allermeisten Fällen keine individuelle Schuld, sondern die Folge struktureller Versäumnisse des Staates. Das werde aber von vielen nicht so gesehen. Betroffenen selbst werde durch das Narrativ "Leistung zählt" das Gefühl gegeben, zu wenig geleistet zu haben, sagte die Geschäftsführerin. Durch das Abwälzen der Verantwortung auf den einzelnen, würden sich Politiker und Politikerinnen der Verantwortung entziehen. Außerdem brauche es die Verankerung von sozialen Rechten in der Verfassung, damit Höchstgerichte diese bei der Prüfung von Gesetzen berücksichtigen können.
Die Sozialhilfe mache in Österreich mit rund einer Milliarde Euro im Jahr 2022 weniger als ein Prozent des Gesamtbudgets für Sozialausgaben aus. "Ich verstehe wirklich nicht, warum darüber im öffentlichen und politischen Diskurs immer wieder heftig diskutiert wird und Österreich hier bewusst und willentlich Menschenrechtsverletzungen begeht", so Zehetner-Hashemi. In den nächsten Monaten will Amnesty Armutsbetroffene vor den Vorhang holen. Im Rahmen der Kampagne "Armut hat viele Gesichter" werden sie ihre Geschichten in Videos erzählen, parallel startet eine "Email- und Appellaktion."
Zusammenfassung
- Amnesty International und die Armutskonferenz, ein Netzwerk sozialer Organisationen, haben am Dienstag scharfe Kritik am Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geübt.
- Insbesondere kritisierte Teresa Hatzl, Expertin für soziale Rechte bei Amnesty International, dass der Kreis jener, die Sozialhilfe beziehen können, durch das Gesetz verkleinert wurde.
- "Explizit ist es nicht mehr die Intention des Gesetzgebers, Armut in Österreich zu bekämpfen."