Silvio Berlusconi ist tot: Milliarden, Mädchen und die Mafia
"Berlusconi war ein Mann, dem die Welt zu Füßen lag, der sich auf Freundschaften wie jene mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einließ, der jetzt die Welt in die Knie zwingt", sagte die Staatsanwältin im Bunga-Bunga-Prozess über Silvio Berlusconi. Er hätte Sexsklavinnen beherbergt, war einer von vielen Vorwürfen gegen "Il Cavaliere" (ital. für "der Ritter"), wie der italienische Medienmogul genannt wurde. Berlusconi wurde Ende 2022 von diesen Vorwürfen freigesprochen, wie schon so oft zuvor in seinem Leben, perlten die gerichtlichen Probleme vom straff sitzenden Gesicht des damals bereits 86-Jährigen ab. Berlusconi liebäugelte da wieder einmal mit einem politischen Comeback.
Der verurteilte Ritter
Seinen Spitznamen "der Ritter" bekam er, weil ihm in den 1970ern der Arbeitsverdienstorden Cavaliere del Lavoro ("Ritter der Arbeit") verliehen wurde. Er musste ihn allerdings nach einer Verurteilung 2013 wieder zurückgeben. Der Name blieb allerdings.
Silvio Berlusconi wurde 1936 als erster Sohn eines Bankangestellten und einer Hausfrau ins Mailänder Kleinbürgertum geboren. Seine Karriere begann er als Staubsaugervertreter und Bespaßer auf Kreuzfahrtschiffen. 2023 ist er laut Forbes mit einem Vermögen von knapp 7 Milliarden US-Dollar einer der reichsten Italiener.
Medienmogul und Polit-Zampano
Bis zu seinem Tod war Berlusconi viermal Ministerpräsident Italiens, übergangsweise Außen-, Wirtschafts- und auch Gesundheitsminister. Zusätzlich hielt er mit Mediaset (inzwischen MediaForEurope - MFE) und mehreren Verlagen ein mächtiges Medienimperium. Sein Netz von privaten TV-Sendern, das er ab den 1970ern aufbaute, wurde zu dem mit Abstand größten seiner Art in Europa.
Millionen und die Mafia
Sein Vermögen begann Berlusconi in der Baubranche anzuhäufen. 1961 stieg er dort ein, erwarb mit teils undurchsichtigen Bankkrediten Grundstücke, auf denen er Wohnsiedlungen und in der Folgezeit ganze Stadtviertel errichtete. Bis heute ist nicht geklärt, woher der junge Berlusconi die Finanzmittel für seine Unternehmungen bekam. Einer seiner frühesten Geschäftspartner und ein Studienfreund, Marcello Dell'Utri, mit dem er in den 1970ern eine Immobilienfirma gründete, wurde etwa wegen Verbindungen zur Mafia zu jahrelanger Haft verurteilt. Das Gericht war sich sicher, dass Dell'Utri als Verbindungsmann zwischen der Mafia und Berlusconi vermittelte.
Auch die Banca Rasini, in der sein Vater zum Geschäftsführer aufstieg, soll Mafia-Geld gewaschen haben. Das konnte aber nie bewiesen werden - auch, weil der Kronzeuge in den 1980ern in einem Hochsicherheitsgefängnis mit Zyanid vergiftet wurde. Berlusconi soll außerdem die Cosa Nostra jahrzehntelang fürstlich bezahlt und dafür ihren Schutz genossen haben.
Mit "Hopp auf, Italien" zum Staats-Führer
Im Herbst 1993 reichte Berlusconi das Jonglieren in der Wirtschafts- und Medienwelt nicht mehr. Er wollte auch politische Macht und gründete seine konservative Partei Forza Italia. In den Raum gestellt wird auch, dass sein politisches Engagement zu einem Zeitpunkt kam, als im Parlament darüber diskutiert wurde, die Vorherrschaft von Berlusconis Mediaset zu beschneiden.
Berlusconi war immer großer Fußballfan – ihm gehörte auch jahrzehntelang bis 2017 der AC Mailand, dem er fast zwei Jahrzehnte als Präsident vorstand. Es ist also wenig verwunderlich, dass er seiner Partei einen Namen gab, der aus dem Fußballjargon stammt und mit "Hopp auf, Italien" übersetzt werden kann.
"Retter der Nation"
1994 erreichte Forza Italia aus dem Stand über 21 Prozent bei den Parlamentswahlen und er bildete mit den rechtspopulistischen Parteien Alleanza Nationale (die Vorgängerpartei der aktuell regierenden "Fratelli D’Italia") und Lega Nord eine Regierung. Berlusconi wurde zum "Retter der Nation" hochgejubelt. Nach Abstechern in die Opposition und ins Europaparlament war er 2001 bis 2002, 2005 bis 2006 und 2008-2011 erneut Ministerpräsident Italiens.
Geheimloge P2: Politischer Umsturz und Drogengelder in der Vatikanbank
Seinen Aufstieg in der Politik soll Berlusconi auch der politischen Geheimloge Propaganda Due (P2) mitzuverdanken haben. Er führte die Mitgliedernummer 1816, bestritt die Mitgliedschaft und wurde, als diese nachgewiesen wurde, wegen Falschaussage verurteilt. Die Loge plante in den 1979ern durch eine Verschwörung den politischen Umsturz, Mitglieder hatten Drogengelder der Mafia über die Vatikanbank gewaschen. 1981 fanden Ermittler eine Liste mit 962 Mitgliedern aus Finanz, Politik und Militär, darunter die Leiter der italienischen Geheimdienste, den amtierenden Premier, den Sohn des letzten italienischen Königs Viktor Emanuel von Savoyen und eben auch Silvio Berlusconi.
Aus vier Jahren Haft …
2013 wurde Berlusconi wegen Steuerbetrugs von 470 Millionen Euro zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Parlament schloss ihn aus, das Gericht verbot ihm fünf Jahre lang alle politischen Tätigkeiten.
… wurde Dienst im Altersheim
Von Urteil blieb wenig: Berlusconi bekam eine Amnestie, die Strafe wurde auf ein Jahr reduziert, wegen seines hohen Alters leistete er schlussendlich zehn Monate Sozialdienst in einem Altersheim.
Das Callgirl …
Der weitere – international noch aufsehenerregendere - Prozess gegen Berlusconi drehte sich um eine minderjährige Prostituierte und Amtsmissbrauch und ging unter dem Namen "Bunga-Bunga" in die Geschichte ein. 2015 wurde er auch da letztinstanzlich freigesprochen, allerdings erhärtete sich später der Verdacht, dass er dem marokkanischen Callgirl Ruby Rubacuori Schweigegeld in Millionenhöhe gezahlt haben soll.
Wegen Verjährung oder Mangel an Beweisen ging Berlusconi unter anderem trotz des Verdachts oder der Verurteilung wegen Schmiergeldzahlungen an die Finanzpolizei, einen ehemaligen Ministerpräsidenten, Bilanzfälschungen oder Richterbestechungen frei.
… und Millionen für die Ex-Frau
Apropos Zahlungen in Millionenhöhe: Berlusconi war mehrere Male verheiratet. 20 Jahre lang mit Carla Elvira Lucia Dall'Oglia, mit der er zwei Kinder, Maria Elvira (*1966) und Pier Silvio (*1969) hat. Von ihr ließ er sich 1985 scheiden, 1990 heiratete er die Schauspielerin Veronica Lario. Von ihr stammen die Kinder Barbara (1984), Eleonora (1986) und Luigi (1988). 2009 reichte sie die Scheidung ein. Sie erstritt sich eine Unterhaltszahlung von 3,6 Millionen Euro jährlich und das lebenslange Wohnrecht in Berlusconis Villa in Mailand. Der Betrag wurde erst auf 1,4 Millionen reduziert, 2020 verlor Lario den Anspruch auf Unterhalt ganz, gleichzeitig verzichtete ihr Ex-Mann aber auf die Rückerstattung von 45 Millionen Euro.
Berlusconis Verlobung 2012 mit dem damals 27-jährigen Showgirl Francesca Pascale endete 2020, er begann eine Beziehung mit der damals 30-jährigen Abgeordneten Marta Fascina. Berlusconis war zu dem Zeitpunkt 84 Jahre alt.
Best Buddy Putin
2022 wurde über Berlusconi wieder breit in den Medien berichtet. Zu seinem 86. Geburtstag hätte er einen "süßen Brief" und 20 Flaschen Wodka von Russlands Präsident Wladimir Putin bekommen, den einer als "einen seiner fünf besten Freunde" bezeichnete. Berlusconi revanchierte sich mit Lambrusco, zu Putins 65er bedachte Berlusconi den Russen mit Bettwäsche, auf denen beide beim freundschaftlichen Handshake zu sehen sind.
https://twitter.com/Corriere/status/916635659955326976?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E916635659955326976%7Ctwgr%5Ef82ce42b086d76c02ac519bb16e2865105508cf4%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.puls24.at%2Fnews%2Fpolitik%2Fberlusconi-bekam-suessen-brief-und-20-flaschen-wodka-von-putin%2F278719
Gesundheitliche Probleme
In seinen letzten Jahren verschlechterte sich Berlusconis Gesundheitszustand. 2016 war der Multimillionär am offenen Herzen operiert worden, 2019 wegen eines Darmverschlusses. Im April 2021 verbrachte er wegen der Folgen einer 2020 durchgemachten Covid-19-Infektion mehr als drei Wochen im Krankenhaus, 2023 wurde er wegen Leukämie behandelt.
Trotz allem schien Berlusconi bis zuletzt unverwüstlich. Nun ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.
Zusammenfassung
- Vier Mal Ministerpräsident, milliardenschwer und Medien-Mogul: Silvio Berlusconi prägte Italien jahrzehntelang.
- Gleichzeitig perlte an ihm ab, was einem Dutzend Politiker die Karriere kosten sollte: Prozesse, Verurteilungen, Affären, Mitgliedschaft in einer umstürzlerischen Geheim-Loge und Mafia-Machenschaften.