Rumänien droht mit Klage gegen Österreich wegen Schengen
Falls Österreich erneut sein Veto gegen die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum einlegt, sobald das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt, will Bukarest Klage einbringen. "Kategorisch, ja", sagte Ciolacu auf eine entsprechende Rückfrage der Zeitung. Der Regierungschef schätzt den Schaden, der Rumänien durch den Nicht-Beitritt zum grenzkontrollfreien Raum entstanden ist, auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ciolacu forderte weiters ein komplettes Verbot des Imports von russischem Gas innerhalb der EU: "Denn es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen dem, was wir verlieren, nämlich ein bisschen Komfort, und dem, was in der Ukraine vor sich geht." Der jüngsten umstrittenen Aussage des EU-Kommissionsvertreters Martin Selmayr, wonach Österreich mit dem Gasimport "Blutgeld" an Moskau zahle, stimmte der Premier zu: "Das stimmt, was Herr Selmayr sagt."
Die rumänischen EU-Parlamentarier Eugen Tomac und Vlad Botoș hatten zuvor die Europäische Kommission in einem Brief an den für die EU-Sanktionen gegen Russland zuständigen Beauftragten David O'Sullivan aufgefordert, eine Untersuchung zur Einhaltung der Sanktionen durch Österreich einzuleiten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien "ohne weiteren Verzug" gefordert. Beide Länder hätten bewiesen, dass sie die nötigen Bedingungen erfüllen, sagte sie bei ihrer Rede zur Lage der Union in Straßburg. Ihre Aufforderung dürfte sich vorrangig an Österreich richten, das den Beitritt der beiden Länder weiterhin blockiert. Namentlich nannte von der Leyen Österreich aber nicht.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) reagierte zurückhaltend auf von der Leyen: Der Kampf gegen irreguläre Migration und Schlepper müsse eine Priorität der Kommission sein. Ihm zufolge steigen aktuell die Migrationszahlen in Europa: "Zu so einem Zeitpunkt macht es für mich daher keinen Sinn, über eine Erweiterung des Schengenraums zu sprechen. Wir brauchen mehr und nicht weniger Kontrollen."
"Bloße Kritik an Österreich reicht nicht mehr aus. Die Politik Wiens wirft einen Schatten auf die Fähigkeit der EU, mit Konflikten und Krisen koordiniert umzugehen. Die mangelnde Solidarität Österreichs mit der europäischen Sache zeugt von der Loyalität seiner politischen Entscheidungsträger und Unternehmen", heißt es in dem Brief der beiden rumänischen Abgeordneten mit deutlichen Worten. Sie hegten den Verdacht einer möglichen Verletzung der Russland-Sanktionen durch Wien, schrieb Eugen Tomac am Donnerstag auf Facebook.
Kritik an den Aussagen der beiden rumänischen Abgeordneten bezüglich der Verletzung der Russland Sanktionen kam von der ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament, Angelika Winzig: "Die Aussagen sind weit weg von objektiver Kritik und aufs Schärfste zurückzuweisen", hieß es in einer Aussendung. "Allen voran müssen wir einen starken Außengrenzschutz forcieren und einen effektiven europäischen Asyl- und Migrationspakt im Sinne aller Mitgliedstaaten umsetzen. Dann können wir auch über eine Erweiterung des Schengenraums nachdenken." Gleichzeitig versicherte sie: "Das Veto richtet sich nicht gegen die rumänische Bevölkerung."
Ein weiterer rumänischer Europaabgeordneter, Ex-Premier und Ex-EU-Agrarkommissar Dacian Cioloș, rief Staatspräsident Klaus Johannis, Regierungschef Ciolacu sowie Senatspräsident Nicolae Ciuca hinsichtlich des Schengen-Vetos in einem anderen Schreiben zum umgehenden Haltungswechsel Bukarests auf EU-Ratsebene auf: Rumänien habe sich ab sofort "ebenso unnachgiebig wie Österreich" zu verhalten und mit Ausnahme weiterer Unterstützung für die Ukraine alle EU-Beschlüsse, die Einstimmigkeit verlange, so lange zu blockieren, bis der Rat für Justiz und Inneres endlich Grünes Licht für den Schengen-Beitritt des Landes gebe.
Während Rumänien die technischen Bedingungen für den Schengen-Beitritt längst erfüllt habe, sei Österreichs Schengen-Blockade "ebenso ungerechtfertigt wie unrechtmäßig". Seit Dezember hätten die rumänischen Behörden alles getan, um die unbegründeten Bedenken der österreichischen Bundesregierung zu zerstreuen - jedoch vergeblich, was einmal mehr unter Beweis stelle, dass das Veto Wiens "ausschließlich politisch motiviert" sei und Österreich "das gute Funktionieren der Europäischen Union insgesamt" beeinträchtige, schrieb Cioloș.
Seinerseits warf der rumänische Europaabgeordnete Rares Bogdan den EU-Behörden Unfähigkeit vor: Weder Kommission noch Rat seien offenbar fähig, "Kanzler (Karl) Nehammer davon abzuhalten, einen EU-Staat und dessen 25 Millionen Bürgerinnen und Bürger zu erniedrigen", sagte Bogdan am gestrigen Mittwoch im Straßburger Parlament nach der Rede zur Lage der Union von EU-Kommissionschefin von der Leyen. Jedoch erniedrige der österreichische Bundeskanzler "nicht bloß Rumänien und die Rumänen, sondern das europäische System insgesamt" - beginnend mit dem Rat "bis hin zu dir, liebe Ursula", so der Europaabgeordnete.
Zusammenfassung
- Rumänien hat mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht, sollte Österreich sein Veto gegen den Schengen-Beitritt des Landes aufrechterhalten. Das sagte der rumänische Regierungschef Marcel Ciolacu im Gespräch mit dem "Standard" (Freitag).