APA/APA/AFP/FRANCOIS WALSCHAERTS

Puigdemont bei "Kompromiss" zu Rückkehr bereit

Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont, der vor vier Jahren ins Exil nach Belgien floh, wäre bereit, nach Katalonien zurückzukehren - vorausgesetzt, die Zentralregierung erkläre sich zu einem "Kompromiss" bezüglich einer politischen Lösung im Verhältnis zwischen Katalonien und dem spanischen Zentralstaat bereit. Dieser müsse jedenfalls die Amnestie derzeit strafrechtlich verfolgter Separatisten und Gespräche umfassen, forderte Puigdemont.

Komme es zu einem Kompromiss, dann sei eine solche Amnestie gezwungenermaßen ein "Element" davon, war Puigdemont, der seit 2019 im Europäischen Parlament sitzt, der Meinung. Es gehe dabei nicht um ihn, sondern um die "tausenden" Menschen, die aufgrund ihrer Teilnahme am Unabhängigkeitsreferendum 2017 noch immer gerichtlich verfolgt würden, betonte der Separatistenführer, der sich am vergangenen Freitag in Innsbruck für einen Vortrag zu Freiheit und Demokratie in Europa befand. Dies sei lediglich eine Frage politischen Willens. Zudem müssten "ernsthafte und faire" Gespräche über die Zukunft Kataloniens geführt werden. Er selbst müsse nicht zwingend Teil dieser Gespräche sein. Falls gewünscht, sei er aber bereit an solchen teilzunehmen, versicherte er.

Aktuell keine Rückkehr geplant

Aktuell könne er sich nicht vorstellen, in seine Heimat zurückzukehren, unterstrich er gegenüber der APA. Er habe kein Vertrauen in die Justiz, glaube nicht, dass ein Verfahren gegen ihn fair ablaufen würde. "Wer die Unabhängigkeit Kataloniens fordert, ist automatisch schuldig", führte Puigdemont aus. Der Umstand, dass er sich nun als Europaabgeordneter relativ frei bewegen und äußern und politisch aktiv sein könne, während einige prominente Unabhängigkeitsvertreter hinter Gittern säßen, sei der "Beweis", dass er aktuell mehr bewegen könne als wenn er sich dem Gericht stellen würde, so der katalanische Politiker. Prominente Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung waren im Jahr 2019 wegen des Versuchs der Abspaltung Kataloniens von Spanien zu Haftstrafen zwischen neun und 13 Jahren verurteilt worden.

Die spanische Justiz wirft Puigdemont Aufruhr sowie Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Nach dem von der Justiz für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017 beschloss Katalonien, sich von Spanien abzuspalten. Die damalige konservative Zentralregierung Spaniens setzte daraufhin die Regionalregierung ab und stellte die Region unter Zwangsverwaltung. Der damalige katalanische Regionalpräsident Puigdemont floh in einem Geländewagen versteckt nach Frankreich und von dort aus nach Belgien.

Die Anerkennung eines unabhängigen Kataloniens durch die internationale Gemeinschaft hielt Puigdemont noch immer für realistisch, wobei er aber einräumte, dass die Erfolgschancen heute geringer seien als noch 2017. Auch die Pandemie habe ihre Spuren hinterlassen. Sehe man sich jedoch das Ergebnis der letzten Wahlen in Katalonien an, so zeige sich, dass die Unterstützung pro-separatistischer Parteien ungebrochen - ja sogar "so hoch wie noch nie zuvor" - sei, strich Puigdemont heraus. Die drei Unabhängigkeitsparteien hatten in der Wahl am 14. Februar 2021 zusammen die Mehrheit der Sitze erreicht.

Spionagevorwurf gegen Regierung

Derzeit stehen die Zeichen in Spanien allerdings nicht auf Dialogbereitschaft - auch wegen der als "Catalangate" betitelten angebliche Bespitzelung katalanischer Separatisten. Laut einem Report der in Kanada ansässigen Forschungsgruppe "Citizen Lab" sollen zwischen 2017 und 2020 die Mobiltelefone von mindestens 63 katalanischen Separatistenführern mit der israelischen Pegasus-Spionagesoftware gehackt und abgehört worden sein. Das Abhörsystem des israelischen Softwarehersteller "NSO", mit dem sämtliche Daten von Mobiltelefonen ausspioniert werden können, wird ausschließlich an Regierungen und staatliche Behörden verkauft.

Kataloniens Regionalregierungschef Pere Aragonès von der linksgerichteten Partei ERC hatte Mitte April bereits damit gedroht, die institutionellen Beziehungen mit Spanien größtenteils auf Eis zu legen, bis die Zentralregierung die Spionagevorwürfe gegen separatistische Politiker aufklärt. Auch Rücktritte wurden gefordert. Spaniens Ministerrpräsident Pedro Sánchez ist mit seiner Minderheitsregierung auf die Stimmen separatistischer Abgeordneter angewiesen. Puigdemont begrüßte die Forderung Aragonès. Alles deute im Moment darauf hin, dass die Regierung hinter dieser Attacke steckt, befand er. Dass er als Politiker und Regimekritiker abgehört worden sein soll, fand er "inakzeptabel" und ein "ernsthaftes Verbrechen". Dazu seien auch Geheimdienste nicht da. "Sie behandeln uns als wären wir Kriminelle - Geldwäscher, Drogendealer oder Terroristen", echauffierte sich Puigdemont. Nicht nur er selbst, sondern auch sein Anwalt und seine Frau seien bespitzelt worden.

Keine Bereitschaft zur Aufklärung sichtbar

Die Affäre habe zu einer Vertrauenskrise geführt. "Einerseits sprechen sie von Dialog, andererseits spionieren sie uns aus", sagte Puigdemont im Hinblick auf die spanische Zentralregierung. Aktuell sehe er keine Bereitschaft zur Aufklärung. Die auch von Aragonès geforderte Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission unterstützte Puigdemont als eine Möglichkeit, Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Ferner sei die Frage zu klären, wo die vermeintlich gestohlenen Daten nun gespeichert seien und wer darauf zugreifen könne, betonte Puigdemont. Über seinen Anwalt werde er Anfang Mai Klage gegen die drei israelischen NSO-Gründer einbringen, kündigte der katalanische Politiker an. Darüber hatten englischsprachige Medien vor kurzem berichtet. Er sah auch die Europäische Kommission in der Pflicht, sich mit der Thematik eingehend zu beschäftigen und in puncto Datenschutz und Cyberwarfare eine Führungsrolle einzunehmen. Das Europäische Parlament hatte im Februar einen seltenen Untersuchungsausschuss zum Pegasus-Skandal eingerichtet, auch Puigdemont ist Teil davon. Der Europäische Datenschutzbeauftragte hatte ein Verbot von Pegasus in der EU gefordert.

ribbon Zusammenfassung
  • Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont, der vor vier Jahren ins Exil nach Belgien floh, wäre bereit, nach Katalonien zurückzukehren.
  • Voraussetzung sei allerdings, dass die Zentralregierung sich zu einem "Kompromiss" bezüglich einer politischen Lösung im Verhältnis zwischen Katalonien und dem spanischen Zentralstaat bereit erklärt.
  • Dieser müsse jedenfalls die Amnestie derzeit strafrechtlich verfolgter Separatisten und Gespräche umfassen, forderte Puigdemont.