Marina Owsjannikowa, eine Angestellte des russischen Channel 1 Erster Kanal nutzt die Nachrichten, um ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen

Protest im russischen TV: Redakteurin seit 12 Stunden vermisst

Am Montagabend protestierte Marina Owsjannikowa gegen den Ukraine-Krieg in der Hauptnachrichtensendung des russischen Staatssenders Erster Kanal. Seitdem wird sie vermisst.

Die russische TV-Mitarbeiterin Marina Owsjannikowa hat vor ihrem aufsehenerregenden Protest gegen den Ukraine-Krieg in der Hauptnachrichtensendung des russischen Staatssenders Erster Kanal ein Video aufgenommen, in dem sie ihre politische Position erklärt.

Sie trägt darin eine Kette mit den Farben der Flaggen Russlands und der Ukraine und nimmt unter anderem Bezug auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 sowie die Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny.

Vermisst

Die russische Nachrichtenagentur TASS berichtet nun, dass Owsjannikowa seit 12 Stunden vermisst wird. Das Ermittlungskomitee Russlands soll Ermittungen wegen "öffentlicher Verbreitung von wissentlich falschen Informationen über den Einsatz der Streitkräfte" eingeleitet haben.

Laut dem Politikanalyst Alexander Dubowy wollen die Behörden auch einen Erschwerungsgrund der Strafbegehung "in Ausübung der beruflichen Tätigkeit" geltend machen. Laut ihm drohen ihr damit eine Geldstrafe in Höhe von 3 bis 5 Millionen Rubel (etwa 25.000 bis 41.000 Euro) sowie Pflichtarbeit und Berufsverbot bis zu 5 Jahren oder eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren.

Bereits Ende Februar hat Russland verbietet den heimischen Medien Begriffe wie "Invasion", "Angriff" oder "Kriegserklärung" im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg verboten. "Wir betonen, dass nur offizielle russische Quellen über aktuelle und zuverlässige Informationen verfügen", erklärte die russische Medienaufsicht.

15 Jahre Haft

Anfang März unterzeichnete Putin ein Gesetz, dem zufolge Menschen zur Verantwortung gezogen werden können, die öffentlich die russische Armee "verunglimpfen". Zudem drohen bis zu 15 Jahre Haft, wer in Medien "Falschinformation" über die aktuell im Krieg in der Ukraine kämpfenden russischen Streitkräfte verbreitet. Ob das auch für die Bestrafung von Owsjannikowa herangezogen wird, ist derzeit nicht klar.

Übersetzung

Bevor Owsjannikowa ihren Protest im TV startete, nahm sie ein Video auf. Das sagte sie:

"Das, was jetzt in der Ukraine geschieht, ist ein Verbrechen. Und Russland ist der Aggressor. Und die Verantwortung für diese Aggression liegt nur auf dem Gewissen eines Menschen - und dieser Mensch ist Wladimir Putin.

Mein Vater ist Ukrainer, meine Mutter ist Russin - und sie waren nie Feinde. Diese Kette an meinem Hals ist wie ein Symbol dafür, dass Russland den Bruderkrieg sofort stoppen muss und unsere Brudervölker sich noch versöhnen können.

In den vergangenen Jahren habe ich leider beim Ersten Kanal gearbeitet und mich mit Kreml-Propaganda beschäftigt. Ich schäme mich jetzt sehr dafür. Ich schäme mich dafür, dass ich zuließ, dass vom TV-Bildschirm gelogen wurde. Ich schäme mich dafür, dass ich zuließ, dass Russen in Zombies verwandelt wurden.

Wir haben 2014 geschwiegen, als das alles anfing. Wir sind nicht für Demonstrationen rausgekommen, als der Kreml Nawalny vergiftet hat. Wir haben dieses menschenfeindliche Regime einfach nur stillschweigend beobachtet. Jetzt hat sich die ganze Welt von uns abgewendet. Und noch zehn Generationen unserer Nachfahren werden sich von der Schande dieses Brudermord-Krieges nicht reinwaschen können.

Wir, die russischen Menschen, können denken und sind klug. Es liegt nur an uns, diesen ganzen Wahnsinn zu beenden. Geht demonstrieren. Fürchtet nichts. Sie können uns nicht alle einsperren."

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  • Am Montagabend protestierte Marina Owsjannikowa gegen den Ukraine-Krieg in der Hauptnachrichtensendung des russischen Staatssenders Erster Kanal. Seitdem wird sie vermisst.