Neun EU-Staaten wollen Ende von Vetorecht in Außenpolitik
"Vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und den wachsenden internationalen Herausforderungen für die EU sind die Mitglieder der Freundesgruppe davon überzeugt, dass die Verfahren zur Entscheidungsfindung in der EU-Außenpolitik angepasst werden müssen, um die EU als globalen Akteur zu stärken", hieß es in der Erklärung. Das gilt auch mit Blick auf die Aufnahme neuer Mitglieder. Die Staaten des westlichen Balkans streben schon seit Jahren in die Europäische Union. Die Verzögerung eines Beitritts wird auch darauf zurückgeführt, dass die EU fürchtet, handlungsunfähig zu werden.
Das Problem ist seit Jahren bekannt, bisher fehlt es aber an konkreten Schritten, dies zu ändern. Eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen könnte nur mit einstimmigen Beschlüssen realisiert werden. Die "Freundesgruppe" wolle nun "pragmatisch konkrete Fortschritte bei den Entscheidungsprozessen" erzielen. Dazu sei eine regelmäßige Bestandsaufnahme in Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen geplant. Allen EU-Staaten stehe die Mitgliedschaft in der Gruppe offen.
Das österreichische Außenministerium äußerte sich diesbezüglich skeptisch. "Die qualifizierte Mehrheit ist kein Allheilmittel", hieß es am Donnerstag auf APA-Anfrage. "Einzig politischer Wille ist der Schlüssel zum Erfolg, das Ringen um Kompromisse ist das Wesen der EU. Und einmal erzielte Einigungen werden von allen mitgetragen. Das ist besonders in volatilen Zeiten wie jetzt ein besonderer Wert."
Konkret argumentiert Österreich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser habe nämlich "eindrücklich vor Augen geführt, dass das größte Asset der Europäischen Union der Zusammenhalt ist", betonte das Außenministerium mit Blick auf die zehn von allen EU-Staaten mitbeschlossenen Sanktionspakete. Zudem gebe es auch andere Möglichkeiten die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken, etwa "durch ein koordiniertes Auftreten und mehr Outreach der EU-Außenministerinnen in Drittstaaten".
In der Vergangenheit haben sich österreichische Spitzenpolitikerinnen mehrmals für die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in außenpolitischen Fragen ausgesprochen und dabei das Argument der größeren Handlungsfähigkeit der Europäischen Union bemüht. In diese Richtung äußerte sich etwa Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz vor zwei Jahren. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) forderte die Zurückdrängung des nationalen Vetorechts bei Themen wie Außen- und Sicherheitspolitik, um Europa "handlungsfähig" zu machen. Hingegen sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erst am Donnerstag bei einem Festakt zum Europatag im Parlament, er sei dagegen, das Streben um Konsens durch mehr Mehrheitsentscheidungen zu ersetzen.
NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon begrüßte den Vorstoß der Freundesgruppe und kritisiert die ÖVP scharf: "Es gab Zeiten, da schimpfte sich die ÖVP Europapartei. Damals war sie auch für Mehrheitsentscheidungen, jetzt ist sie auch hier umgefallen. Dabei ist völlig klar, dass wir davon wegkommen müssen, dass ein, zwei Mitgliedstaaten aus purem Eigennutz alles blockieren. Gerade in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sollten Entscheidungen daher nicht mehr einstimmig fallen müssen, eine qualifizierte Mehrheit sollte reichen", teilte Gamon mit.
Zusammenfassung
- Deutschland und acht weitere EU-Staaten setzen sich dafür ein, Mehrheitsentscheidungen zur Außen- und Sicherheitspolitik auszubauen.
- "Ziel dieser Freundesgruppe ist es, die Effektivität und Geschwindigkeit von Entscheidungen der EU-Außenpolitik zu erhöhen", erklärte das Auswärtige Amt in Berlin gemeinsam mit den anderen Ministerien am Donnerstag.
- Die Staaten des westlichen Balkans streben schon seit Jahren in die Europäische Union.