Die Lust der NEOS auf den Dreier
Die Politik steckt voller Premieren. 1970 hat mit Bruno Kreisky erstmals ein Sozialdemokrat im Bundeskanzleramt Platz genommen. 2019 wird Sebastian Kurz als erster Bundeskanzler der zweiten Republik vom Parlament abgewählt, bevor die Grünen 2020 ihre Premiere als Regierungspartner im Bund feiern.
Der anstehende Wahltag am 29. September könnte weitere Premieren bringen. Erstmals könnte die FPÖ als Wahlsieger über die Zielgerade gehen und zum ersten Mal könnte eine Koalition aus drei Parteien die Freiheitlichen vom Bundeskanzleramt fernhalten.
Schwarz-Rot-Pink
Eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS scheint derzeit die einzige realistische Alternative zu einer Neuauflage von Schwarz-Blau (oder umgekehrt) zu sein. Eine österreichische Ampel quasi - mit zwei Farben, die wohl nicht der Straßenverkehrsordnung entsprechen.
Allen voran der Kleinste dieser Dreiervariante hat spürbar Lust auf diese Regierungsvariante - die NEOS. 2013 ins Parlament gezogen und 2024 schon in die Regierung?
Pinkes Zahlenspiel
Aus ihrem Wunsch einer Regierungsbeteiligung machen die Liberalen keinen Hehl. Während ÖVP, FPÖ und SPÖ mit möglichen Koalitionsansagen in die ein oder andere Richtung zögern, sprechen es NEOS aus: In eine sogenannte "Reformkoalition" möchte man.
Realistisch geht sich hier nur eine Zusammenarbeit aus Schwarz, Rot und Pink aus. Dass die Volkspartei hier mitspielt und sich nicht die womöglich bequemere FPÖ ins Boot holt, argumentiert man bei den Pinken mit einer aktuellen Umfrage.
So würden 67 Prozent der ÖVP-Wähler Sorgen vor einer FPÖ-Regierungsbeteiligung haben, selbst wenn 28 Prozent davon an solch eine Variante gar nicht glauben. Wenig überraschend liegt der Anteil bei den NEOS-Wählern deutlich höher bei 80 Prozent.
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Auch würden über 70 Prozent der Volksparteianhänger eine ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit eher oder sehr ablehnen. "Deswegen spricht Beate Meinl-Reisinger die Unterschiede zwischen einer Regierung mit NEOS als Reformkraft und einer ÖVP-FPÖ-Koalition in TV-Duellen so offensiv an", meint NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos.
Arena Ballhausplatz
Wie kann eine Zusammenarbeit von drei so unterschiedlichen Parteien also funktionieren, wenn die Gräben zwischen ÖVP und SPÖ schon so tief sind wie seit Jahren schon nicht mehr? Wollen NEOS in einer Art Schiedsrichterrolle künftig jene Fouls pfeifen, die sich Schwarz und Rot am Ballhausplatz gegenseitig zufügen?
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Politikberater Peter Plaikner hält das für etwas zu hoch gegriffen. NEOS könnten allerdings durchaus das Zünglein an der Waage sein und als Pufferzone mögliche Konflikte lösen. Ob das auch für das mächtige Finanzministerium gilt, das NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ja offensiv anstrebt, hält Plaikner für unwahrscheinlich: "So weit könnte es höchstens kommen, wenn sich SPÖ und ÖVP bei diesem Ministerium nicht einig werden. Da müssten die NEOS allerdings einen großen Preis bezahlen und am Ende mit noch weniger Ministerien aussteigen."
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Dreierkoalition - Streiterei ohen Ende oder "neue Untergrenze"?
Hinzu kommt die bereits angesprochene Premiere. Noch nie haben auf Bundesebene drei Parteien miteinander koaliert. Das Beispiel Deutschland, wo die Ampel derzeit hauptsächlich mit internen Streitereien beschäftigt ist und die AfD in den östlichen Bundesländern noch nie dagewesene Wahlerfolge feiert, stimmt nicht unbedingt optimistisch.
"Dass eine Dreierkoalition nicht klappen würde, ist ein Schmäh. In Deutschland vielleicht nicht, aber blicken wir nach Skandinavien. Da funktioniert das", so erneut NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos. "Auf kurz oder lang führt ohnehin kein Weg an Dreierkoalitionen vorbei, sollte es mit der Zersplitterung der politischen Landschaft so weitergehen. Möglicherweise ist das sogar bald die Untergrenze", meint der Politikberater Plaikner.
Entschieden wird am Wahltag
Ob sich eine NEOS-Regierungsbeteiligung überhaupt rechnerisch ausgeht, wird wohl erst das finale Endergebnis am 29. oder 30. September (inklusive Wahlkarten) zeigen.
Sollten die Kleinstparteien, allen voran die Bierpartei, schlussendlich doch am Einzug scheitern, könnten ÖVP und SPÖ auch ohne liberale Unterstützung genügend Mandate zusammenbekommen, um regieren zu können. Dann hieße es für die NEOS nach 11 Jahren im Parlament wohl: Bitte weiter warten.
Zusammenfassung
- Erstmals könnte die FPÖ als Wahlsieger über die Zielgerade gehen und zum ersten Mal könnte eine Koalition aus drei Parteien die Freiheitlichen vom Bundeskanzleramt fernhalten.
- Eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS scheint derzeit die einzige realistische Alternative zu einer Neuauflage von Schwarz-Blau zu sein.
- Aus ihrem Wunsch einer Regierungsbeteiligung machen die Liberalen keinen Hehl.
- Ob sich eine NEOS-Regierungsbeteiligung überhaupt rechnerisch ausgeht, wird wohl erst das finale Endergebnis am 29. oder 30. September zeigen.