Nationalrat will "kalte Progression" ab 2023 kappen
Die FPÖ ortete Probleme in Details, ebenso die NEOS, und Fundamentalkritik kam von der SPÖ. Der Beschluss wurde aus abstimmungstechnischen Gründen auf den Nachmittag verschoben.
Erste Tarifstufe startet bei 11.700 Euro
Künftig werden die Einkommenstarife automatisch zu zwei Drittel an die Teuerung angepasst. Wie das verbleibende Drittel verwendet wird, soll jedes Jahr bis 15. September entschieden werden. Im ersten Jahr werden die niedrigsten beiden Steuerstufen zusätzlich entlastet.
Das Volumen wird jeweils mittels eines von WIFO und IHS errechneten Progressionsberichts festgelegt. Mit der Reform startet die erste Tarifstufe erst bei knapp 11.700 Euro. Bisher musste man schon ab 11.000 Euro Einkommenssteuern entrichten.
Automatische Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen
Auf Koalitionsseite zeigte man sich über die Reform hoch erfreut. ÖVP-Klubobmann August Wöginger unterstrich, dass die Steuerzahler dadurch bis 2026 in Summe 18,7 Mrd Euro automatisch zurückbekämen. Auch weitere historische Beschlüsse stünden an, etwa die automatische Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen. "Das kommt bei den Menschen an, das hilft den Österreicherinnen und Österreichern." Auch Jakob Schwarz (Grüne) sah das so. Es handle sich um eine "laufende Steuerreform für die Ewigkeit", und sie sei treffsicher, denn sie bringe Geringverdienern mehr, als die letzte Steuerreform unter der SPÖ.
Kritik von Opposition
Bei der Opposition überwog in unterschiedlich starker Ausprägung die Kritik. Fundamental kam sie von Kai Jan Krainer, der aber gar nicht auf die "kalte Progression" zu sprechen kam, sondern lieber über den Teuerungsausgleich sprach. "Sie haben die Welt schlimmer gemacht, indem Sie unnötig Geld ausgegeben haben", so sein Vorwurf an die Regierung. Und an die ÖVP: "Sie fahren Österreich budgetpolitisch an die Wand." Eva Maria Holzleitner ging dann doch auf das Debattenthema ein und ortete eine Benachteiligung von Frauen.
Für die FPÖ signalisierte Hubert Fuchs zwar Zustimmung, er sah aber auch gravierende Mängel. Der zeitversetzte Anpassungsmechanismus funktioniere etwa nur in Zeiten normaler Inflation. Problematisch sei auch der Ausgleich für das verbleibende Drittel, der das Vorgehen kompliziere und die Gefahr der Zweckentfremdung in sich trage. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wertete die Abschaffung als positiv, kritisierte aber einmal mehr, dass die Reform nicht rückwirkend und nur zu zwei Dritteln komme.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ließ das nicht gelten. "Auch das eine Drittel bekommen die Steuerzahler zurück", betonte er. Durch den Progressionsbericht und den von WIFO und IHS festgelegten Wert sorge man zudem dafür, dass "keine politischen Ideen hier einfließen", sagte er in Richtung FPÖ.
Verlängert der Fristen für Anträge auf den Energiekostenausgleich
Weiters im "Teuerungs-Entlastungspaket Teil II" enthalten ist eine Senkung der Lohnnebenkosten beim Familienlastenausgleichsfonds. So sinken die Dienstgeberbeiträge von 3,9 auf 3,7 Prozent. Für Land- und Forstwirte wird die Umsatzgrenze für die steuerliche Pauschalierung von 400.000 auf 600.000 Euro erhöht. Ab dieser Summe wird die Steuer pauschaliert und damit unabhängig vom realen Umsatz berechnet.
Verlängert werden zudem die Fristen für Anträge auf den Energiekostenausgleich bis Ende Oktober. Eigentlich wären entsprechende Ansuchen für den 150-Euro-Gutschein bloß bis zum 31. August möglich gewesen.
Zusammenfassung
- Der Nationalrat hat am Mittwoch die weitgehende Abschaffung der "kalten Progression" im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer ab 2023 debattiert.
- Bei der ÖVP sah man dies als einen von mehreren historischen Beschlüssen auf der Tagesordnung, auch bei den Grünen war die Freude groß.
- Im ersten Jahr werden die niedrigsten beiden Steuerstufen zusätzlich entlastet.
- "Auch das eine Drittel bekommen die Steuerzahler zurück", betonte er.