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Nach Wagner-Meuterei: Serviert Putin den obersten Armeechef ab?

Die Meuterei der Wagner-Söldner richtete sich explizit gegen die oberste russische Armeeführung, vor allem Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Der ist in der Truppe unbeliebt, gilt als inkompetent. Seine Zukunft ist trotz des abgeblasenen Putsches ungewiss.

Seit Monaten tobte in den russischen Streitkräften eine offene Rivalität. Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, übte wiederholt offen Kritik an der russischen Armeeführung und der Art, wie sie den Ukraine-Krieg führte. In einer ersten Meldung nach seinem abgebrochenen Marsch gen Moskau erneuerte er seine Kritik am Montag sogar. Besonders Verteidigungsminister Sergei Schoigu und den Generalstabschef Waleri Gerassimow nahm Prigoschin stets heftig ins Visier. Sie wären direkt verantwortlich dafür, dass russische Soldaten verheizt werden würden.

Damit sprach Prigoschin vielen russischen Armeeangehörigen in den mittleren und unteren Ebenen aus dem Herzen und genoss auch sehr viel Zuspruch in der Bevölkerung. Besonders Schoigu gilt als unfähig und eitel. Er habe die russische Armee durch Korruption und Inkompetenz heruntergewirtschaftet, so die Kritik vieler Nationalisten und Militärs. Er sei zu sehr damit beschäftigt, sich neue Orden für seine Brust auszudenken, ätzt man in russischen Militärkreisen.

Den aufständischen Wagner-Kämpfern war es am Wochenede gelungen, das Hauptquartier der Armee in Rostow am Don einzunehmen, die Schaltstelle für den Krieg gegen die Ukraine. Schoigu sei "wie ein Feigling" geflohen, beschimpfte der Wagner-Chef den Minister.

"Der große Verlierer ist Schoigu"

Prigoschin hat seinen Marsch auf Moskau zwar abgebrochen und soll ins Exil nach Belarus gehen, aber Schoigu ist deshalb nicht fest im Sattel - im Gegenteil. Viele Experten sind sich einig: "Der große Verlierer ist Schoigu", beurteilte Arnaud Dubien, Leiter der französisch-russischen Denkfabrik L'Observatoire, die Ereignisse vom Wochenende. Schon vor der Revolte der Söldner stand Schoigu aufgrund der Misserfolge im Krieg gegen die Ukraine unter Druck.

Auch nach Ende der Wagner-Meuterei halten sich Gerüchte um eine Ablöse Schoigus hartnäckig. Das Verteidigungsministerium bemühte sich, die Gerüchte mit einem Video von einem angeblichen Frontbesuch Schoigus zu entkräften. Aus dem Video ist allerdings nicht ersichtlich, wann und wo es aufgenommen wurde.

Ein Bauernopfer für Putin?

Möglicherweise könnte Schoigu, dessen einzige Qualifikation als Verteidigungsminister in seiner Loyalität zu Machthaber Wladimir Putin besteht, ein Bauernopfer für Putin werden. Der russische Präsident könnte so den offensichtlichen Unmut in den Reihen des Militärs zu besänftigen versuchen.

Am 12. Juni wurde ein Video verbreitet, das Putin und Schoigu bei der Verleihung von Medaillen in einem Militärkrankenhaus zeigt: Der Präsident wendet seinem Minister dabei in offensichtlicher Verachtung den Rücken zu.

Auch von Generalstabschef Gerassimow, den Prigoschin ebenfalls wiederholt attackierte, fehlte am Wochenende in der Öffentlichkeit jede Spur.

Schwelende Rivalität öffentlich explodiert

Putin hatte den internen Machtkampf lange schwelen lassen, weil diese für Dynamik in der Kriegsführung seiner Invasion der Ukraine gesorgt hat, analysierte vor kurzem Russland-Experte Gerhard Mangott auf PULS 24. Mit dem offenen Aufstand der Wagner-Söldner und dem Marsch auf Moskau ist klar, dass Putin schon länger die Kontrolle über die Auseinandersetzung verloren hat.

Ob Putin wirklich seine Armeeführung austauscht, ist allerdings schwer zu sagen. Das Image des russischen Machthabers, der sich gern als starker Mann inszeniert, der alles kontrolliert, ist durch den Wagner-Aufstand stark angeschlagen.

Eine Ablöse Schoigus oder Gerassimows würde wohl als Zugeständnis an Prigoschin gesehen werden, der jedoch auch Putin direkt und die Rechtfertigung für den Ukraine-Krieg kritisierte. Würde Putin Prigoschins Forderungen nachträglich erfüllen, würde dies das Prestige des Kremlchefs wohl noch weiter beschädigen.

ribbon Zusammenfassung
  • Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin kritisierte die russische Armeeführung. Damit sprach er vielen russischen Militärangehörigen aus der Seele und genoss auch sehr viel Zuspruch in der Bevölkerung.
  • Besonders Verteidigungsminister Sergei Schoigu gilt als unfähig und eitel.
  • Prigoschin hat seinen Marsch auf Moskau zwar abgebrochen und geht nun ins Exil nach Belarus, aber Schoigu ist deshalb nicht fest im Sattel - im Gegenteil.
  • Möglicherweise könnte er, dessen einzige Qualifikation als Verteidigungsminister in seiner Loyalität zu Putin besteht, für diesen ein Bauernopfer werden.
  • Gerüchte über eine Ablöse Schoigus halten sind hartnäckig und verstummten auch mti Ende der Wagner-Meuterei nicht.