Migrationsexperte Knaus: EU-Asylreform nicht zielführend
"Dieser Pakt wird nicht zu weniger irregulärer Migration führen." Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erwartet hingegen Asyl-Solidarität von Ungarn und Deutschland, wie er dem "Kurier" (Samstag) sagte.
"Alle Staaten, die das verhandelt haben, schauen sich das jetzt genau an und werden erkennen, dass es ihnen nichts nützt, und zwar weder Deutschland noch Italien, weder Griechenland noch Polen", erklärte Knaus im "heute journal" des ZDF.
Knaus kritisierte, wenn es verpflichtende Verfahren an der EU-Außengrenze gebe, dann wisse zum Beispiel Italien immer noch nicht, was mit den Menschen passieren solle nach Abschluss des Verfahrens. "Italien wird also diese Grenzverfahren mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht machen", sagte Knaus. Die Frage zügiger, qualitätsvoller Verfahren sei auch immer eine Frage der Ressourcen: "Wie viele Übersetzer gibt es und wie viele Menschen stellen einen Antrag?" Und diese Ressourcen fehlten wahrscheinlich auch in Zukunft.
Knaus plädierte dafür, Menschen, die Familienmitglieder etwa in Deutschland hätten, legale Wege der Einreise zu ermöglichen. Andererseits müsse man Menschen, die aus anderen Gründen einreisen wollten, aber nicht schutzbedürftig seien, entmutigen, sich auf den Weg zu machen. "Und da braucht man Maßnahmen mit Rückführungen in sichere Staaten durch Migrationsdiplomatie", sagte Knaus.
"Keine Lösung"
Knaus hatte zuvor auch im WDR erklärt, der EU-Asylpakt könne nichts verändern. "Dieser Pakt wird nicht zu weniger irregulärer Migration führen." Der Pakt werde auch nicht wieder das Recht an der EU-Außengrenze durchsetzen, und er habe auch keine Strategie durch Rückführungen und Aufbau sicherer Partnerländer. "Dieser Pakt ist keine Lösung, und das wissen auch mittlerweile die Mitgliedstaaten der EU", so Knaus.
Die EU-Innenminister hatten Pläne für eine weitreichende Asylreform beschlossen. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um Migration zu begrenzen. Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten, sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.
Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Die Pläne sind noch nicht final, sie werden mit dem EU-Parlament weiter verhandelt.
Am Mittwoch war ein völlig überfülltes Boot mit Migranten vor der griechischen Küste gesunken. Nach bisherigen Berichten lehnten die Leute an Bord ein Hilfsangebot durch die griechische Küstenwache ab, weil sie nach Italien wollten. Die UN-Organisationen schätzen nach Angaben von Überlebenden, dass zwischen 300 und 750 Menschen an Bord waren. Zunächst wurden nur 104 gerettet und 78 Leichen geborgen.
Karner will Solidarität mit Österreich
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erwartet hingegen, dass andere EU-Länder nach dem jüngsten EU-Asylkompromiss bei der Aufnahme von Asylbewerbern gegenüber Österreich solidarisch sind. Explizit nannte Karner im Interview mit dem "Kurier" (Samstag-Ausgabe) Ungarn und Deutschland. "Deutschland ist zehnmal so groß, hatte aber nur doppelt so viele Asylanträge" wie Österreich, das 112.000 Asylanträge im Vorjahr verzeichnete, sagte Karner.
Die umstrittene Freilassung von Schleppern in Ungarn, die in Österreich quer durch alle Parteien für Empörung gesorgt hatte, habe er "sehr deutlich und intensiv mit dem ungarischen Innenminister (Sandor Pinter, Anm.) besprochen", sagte Karner. Pinter habe ihm versichert, dass jene Schlepper, die in gemeinsamer Polizei-Aktion mit Österreich festgenommen wurden, weiter inhaftiert seien. Bei den Freigelassenen handle es sich demnach um Schlepper, die länger im Gefängnis waren und einen Großteil ihrer Strafe verbüßt hätten. "Die wurden in Richtung Serbien freigelassen", so Karner.
Karner hält weiter an den Grenzkontrollen zu Slowenien fest. Die österreichische Polizei werde jedoch für einen möglichst fließenden Urlauberverkehr sorgen, versicherte der Innenminister. Inhaltlich begründete Karner die Kontrollen mit Routenänderungen durch die Schlepper, die verstärkt über Kroatien und Slowenien, aber auch über Polen und Deutschland kommen würden. In Hinblick auf Österreichs Veto gegen die Schengen-Erweiterung um Rumänien und Bulgarien habe sich an der Situation "nichts entscheidend geändert", so Karner, "weshalb ich die Kontrollen weiterhin für absolut notwendig halte".
Angesprochen auf die Praxis von illegalen Pushbacks von Flüchtlingen, sagte Karner, ein gewaltsames Zurückstoßen sei illegal. Sein Vorschlag sei eine Zurückweisungsrichtlinie. "Die Möglichkeit der Zurückweisung gibt es bereits, wenn jemand nicht um Asyl ansuchen will und keinen legalen Aufenthaltstitel hat. Das kommt auch an den österreichischen Grenzen vor." Mit Schnellverfahren an der EU-Außengrenze gehe das in die richtige Richtung, so Karner. FPÖ-Chef Herbert Kickl habe in seiner Zeit als Innenminister keinen einzigen Pushback gemacht, so Karner, der den Freiheitlichen "groß reden" bescheinigte.
Zusammenfassung
- "Wir brauchen wirklich etwas Besseres, und das brauchen wir so schnell wie möglich, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden", sagte der Österreicher am Freitagabend im deutschen Fernsehen.
- "Und da braucht man Maßnahmen mit Rückführungen in sichere Staaten durch Migrationsdiplomatie", sagte Knaus.
- Knaus hatte zuvor auch im WDR erklärt, der EU-Asylpakt könne nichts verändern.
- Explizit nannte Karner im Interview mit dem "Kurier" Ungarn und Deutschland.