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Manipulierte Briefwahl? Was hinter den Vorwürfen steckt

International wird die Briefwahl vor allem von rechten Politikern angegriffen. Ob Ex-US-Präsident Donald Trump oder AfD-Chef Tino Chrupalla: Sie wittern bei der Briefwahl massive Manipulationen. Ähnliche Vorwürfe kommen von der FPÖ. Sind das Verschwörungsmythen oder steckt doch etwas dahinter?

Die Briefwahl ist eigentlich ganz praktisch. Wer im Urlaub ist, arbeiten muss oder es aus gesundheitlichen Gründen nicht ins Wahllokal schafft, kann seine Stimme schon in den Wochen vor der Wahl per Post abgeben.

Doch immer wieder gibt es Manipulationsvorwürfe. Ex-US-Präsident Donald Trump wettert seit Jahren dagegen, auch der Chef der sehr rechten AfD, Tino Chrupalla, hegte nach der Landtagswahl in Brandenburg am vergangenen Wochenende Zweifel an der Briefwahl.

Auch die FPÖ hat in ihr Wahlprogramm geschrieben, die Briefwahl abschaffen zu wollen. "Im Zuge der Briefwahl kommt es immer wieder zu Ungereimtheiten und Vorwürfen, dass etwa in 'Migranten-Communities' oder in Pensionistenheimen Stimmen zentral gesammelt und abgegeben werden. Damit sind dem Wahlbetrug Tür und Tor geöffnet", heißt es.

Doch was steckt dahinter? PULS 24 hat mit Robert Stein gesprochen. Er ist international als Wahlrechtsexperte anerkannt, arbeitete 32 Jahre lang in der Wahlabteilung des Innenministeriums und leitete diese auch. Er begleitete auch die Einführung der Briefwahl im Jahr 2007. Davor war diese verfassungswidrig, für Auslandsösterreicher:innen gab es schon seit 1990 eine recht umständliche Möglichkeit zu wählen. 

Briefwahl mit "Geschmäckle" - deshalb Verschärfung

Die Briefwahl hat in der Vergangenheit wirklich Ergebnisse verändert. Tendenziell profitieren linke Parteien eher davon. Wohl auch daher kommen Manipulations-Vorwürfe von Rechts. "Fest steht, dass nach 2007 mehrmals Vorwürfe im Raum gestanden sind, insbesondere bezüglich Pflegeheimen, dass es dort Unregelmäßigkeiten gegeben hat", so Stein. 

Bewiesen wurden sie nie, laut dem Wahlrechtsexperten hätten sie aber durchaus ein "Geschmäckle" gehabt. Deshalb wurden 2011 weitere Sicherheitsmerkmale zur Briefwahl hinzugefügt. In Pflegeheimen müssen Wahlkarten seitdem direkt an die Wahlberechtigten zugestellt werden und dürfen nicht zentral angenommen werden, etwa von einem Portier.

Video: ÖVP vs. FPÖ - Wer schafft es auf Platz 1?

Die aufgehobene Bundespräsidentschaftswahl 2016

Das Drama um die denkbar knappe Bundespräsidentschaftswahl 2016 wird auch immer wieder herangezogen. Dabei seien das "zwei Paar Schuhe", stellt Stein richtig. Die Stichwahl wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, nicht aber wegen Manipulationsverdacht bei der Briefwahl, sondern weil formelle Vorschriften in 14 von 113 Bezirkswahlbehörden nicht eingehalten wurden. 

"Nie ist eine Manipulation behauptet oder bewiesen worden", so Stein. Bei der Wiederholung kam es dann zu dem "Kleber-Gate", als die Wahlkuverts nicht gehalten haben. Deshalb wurde diese Wiederholung verschoben und seither werden andere Kuverts verwendet.

Warum sind die Ergebnisse unterschiedlich?

Am Wahlsonntag wird um 22.00 Uhr ein offizielles Wahlergebnis ohne Wahlkarten feststehen. Die werden bis dahin noch nicht fertig ausgezählt sein. Inklusive der Wahlkarten-Stimmen könnte sich bei einem knappen Rennen das Wahlergebnis noch verschieben. Für die FPÖ ist das laut ihrem Wahlprogramm "statistisch nicht erklärbar". 

Also erneut Grund zum Manipulationsverdacht? Nein, meint Eva Zeglovits, Politikwissenschafterin, Meinungsforscherin und Geschäftsführerin des Instituts für empirische Sozialforschung. "Es ist überhaupt nicht komisch, dass die Ergebnisse von Briefwahl und Urnenwahl voneinander abweichen. Seltsam wäre, wenn sie das nicht täten", sagte sie zum, "Standard".

Als Beispiel nennt sie, dass es auch nicht verwundern würde, wenn zuerst nur die Stimmen aus Vorarlberg veröffentlicht würden und das Ergebnis sich durch die Stimmen aus Wien verändern würde. 

Kann Manipulation wirklich ausgeschlossen werden? 

Immer wieder ist zu hören, dass ja zu Hause das Wahlgeheimnis nicht so garantiert werden könne, wie in einem Wahllokal. Mit einer Unterschrift muss man das als Wähler:in zwar eidesstattlich erklären; kontrollieren kann das der Staat natürlich nicht. Es sei "auch gut so", dass man keine Person zum Kontrollieren zu jemandem nach Hause schicke, so Stein. 

Auch könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die ein oder andere Wahlkarte am Postweg verloren geht - insgesamt sei die österreichische Post aber sehr zuverlässig. Vor den Postboten müsse man sich auch nicht fürchten, meinte der Wahlrechtsexperte. Denn "bei der Post AG sind ausschließlich Personen tätig, die einem Bediensteten oder einem Beamten gleichgestellt sind und die unterliegen strengen Verschwiegenheitspflichten". 

Wer dennoch misstrauisch ist, dann die Wahlkarte noch in ein zusätzliches Überkuvert geben, damit keine persönlichen Daten mehr erkennbar sind. 

Könnte die FPÖ die Briefwahl abschaffen? 

Nein. "Eine Abschaffung bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Parlament", so Stein. Diese ist mit den aktuellen Mehrheitsverhältnissen aller Voraussicht nach auch nach der anstehenden Wahl in weiter Ferne. 

ribbon Zusammenfassung
  • International wird die Briefwahl vor allem von rechten Politikern angegriffen.
  • Ob Ex-US-Präsident Donald Trump oder AfD-Chef Tino Chrupalla: Sie wittern bei der Briefwahl massive Manipulationen.
  • Ähnliche Vorwürfe kommen von der FPÖ. Sie will die Briefwahl abschaffen.
  • Sind das Verschwörungsmythen oder steckt doch etwas dahinter?