Ludwig will bedrohte Afghanen aufnehmen
Während die Bundesregierung weiterhin an ihrem Standpunkt festhält, keinen Menschen aus Afghanistan humanitäre Hilfe zu gewähren und stattdessen auf "Hilfe vor Ort" setzen will, sieht der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in dieser Frage akuten Handlungsbedarf. Dabei spreche Bundeskanzler Sebastian Kurz "von etwas ganz anderem", wie Ludwig gegenüber PULS 24 sagt.
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"Es geht nicht darum, dass wir wahllos irgendwelche Menschen aufzunehmen wollen", so der SPÖ-Politiker. Ludwig will Afghanen, die nach der Machtübernahme der Taliban in Gefahr sind, in der Bundeshauptstadt aufnehmen: "Ich denke zum Beispiel an 300 Richterinnen, die in Afghanistan das erste Mal als Frauen in solche Positionen gekommen sind, die jetzt im Leben sehr oft bedroht sind, die auf Todeslisten sind. An Journalistinnen beispielsweise oder auch an Frauen, die sich dafür eingesetzt haben, dass Mädchen eine entsprechende Schul- und Bildungslaufbahn einschlagen können", sagt er im PULS 24 Interview mit Anchor Thomas Mohr. "Es geht gezielt darum, jenen Menschen eine Perspektive zu ermöglichen, die in Vertrauen auf die westlichen Länder ihr Leben riskiert haben, um diese demokratischen Werte zu verteidigen", erklärt er weiter.
Die Aufnahme der bedrohten Afghanen würde laut Ludwig durch Resettelment Programmen geschehen. Daher sei es "durchaus möglich, dass es in der Bundesregierung die Erkenntnis gibt, dass das ein wichtiger Schritte wäre - auch im Rahmen der Europäischen Union". Im Interview setzt der SPÖ-Politiker auch zum Seitenhieb an die Grünen an: "Vielleicht tut sich was auf Ebene der Bundesregierung, vielleicht schaffen es die Grünen hier auch ihrer Meinung zum Durchbruch zu bringen".
Schallenberg will Taliban an "ihren Taten messen"
Die Linie der ÖVP brachte der türkise Außenminister Alexander Schallenberg in der "ZiB2" auf den Punkt. Die radikal-islamistischen Taliban wolle man "an ihren Taten messen", sagte Schallenberg da und dass man erst abwarten müsse, wie sich die "wahnsinnig volatile Situation entwickelt“.
Auch den Konflikt mit dem grünen Koalitionspartner feuerte er weiter an. Den Grünen richtete der Außenminister aus, dass ihn die "abwertende Tonalität" störe. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass in "dieser Koalition sehr unterschiedliche Partner aufeinandertreffen, die unterschiedliche Ansätze haben", so Schallenberg. "Aber diesen abwertenden Zugang, dass man andere Meinungen gar nicht ernst nimmt oder runtermacht, glaube ich, ist nicht das Richtige", sagte der Außenminister, angesprochen auf die Kritik der Grünen, aber auch von der NGO Amnesty International und der Caritas. Die Haltung der ÖVP habe sich "überhaupt nicht" geändert.
Schallenberg bekräftigte den Zugang der ÖVP "Hilfe vor Ort" leisten zu wollen. Das internationale Ansehen Österreichs sei auch "völlig unbelastet und unbeschädigt", so der Außenminister weiter. Konkret stellte Schallenberg 18 Millionen Euro an Soforthilfe in Aussicht. "Wir werden Afghanistan nicht im Stich lassen", betonte Schallenberg auch.
Kogler fehlt die Menschlichkeit bei ÖVP
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) richtete dem Koalitionspartner am Mittwoch in einer Aussendung aus, dass ihm die Menschlichkeit fehlen würde. Österreich sei international immer ein verlässlicher Partner gewesen, wenn es um Menschenrechte und humanitäre Hilfe geht.
Jetzt "aus offenbar taktischen Gründen" einen anderen Weg einzuschlagen, "lässt angesichts der dramatischen Bedrohung gerade von Frauen und Kindern nicht nur die notwendige Menschlichkeit vermissen, sondern schadet auch massiv dem internationalen Ansehen Österreichs und unserer Rolle als verlässlicher Partner in Europa", sagte Kogler in Richtung ÖVP.
Zadić: Sicherungshaft "wird es mit Grünen nicht geben"
Justizministerin Alma Zadić (Grüne) äußerte sich gegenüber "oe24" ebenfalls: Sie betonte, dass Abschiebungen nach Afghanistan gegen die Verfassung verstoßen würden und reiterierte den Standpunkt der Grünen zur Sicherungshaft - diese werde es mit den Grünen "nicht geben".
Die Sicherungshaft wurde in der jüngsten Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan vom wahlkämpfenden oberösterreichischen ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer erneut ins Spiel gebracht.
Zusammenfassung
- Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sagt im PULS 24 Interview, dass er, entgegen der Linie der Bundesregierung bedrohten Afghanern in Wien Asyl anbieten will.
- "Ich denke zum Beispiel an 300 Richterinnen die in Afghanistan das erste Mal als Frauen in solche Positionen gekommen sind. Die jetzt im Leben sehr oft bedroht sind, die auf Todeslisten sind", sagt Ludwig.
- "An Journalistinnen beispielsweise oder auch an Frauen die sich dafür eingesetzt haben, dass Mädchen eine entsprechende Schul und Bildungslaufbahn einschlagen können", so Ludwig weiter.
- Das ganze Interview mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig um 18.30 Uhr auf PULS 24, im Livestream auf puls24.at und in der ZAPPN-App.