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Letzter Flüchtlingsbus aus Berg-Karabach

Nach der Rückeroberung der Südkaukasusregion Berg-Karabach durch Aserbaidschan hat nach armenischen Angaben der vorerst letzte Flüchtlingsbus das Gebiet verlassen. Damit seien nun 100.514 zwangsweise umgesiedelte Bewohnerinnen und Bewohner in Armenien angekommen, sagte Regierungssprecherin Naseli Bagdassarjan am Montag. Menschen verließen Berg-Karabach auch mit Privatfahrzeugen. Viele Vertriebene hätten gesundheitliche Probleme oder seien bettlägerig.

Wer noch in Berg-Karabach sei, solle sich an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz wenden, hieß es. Die aserbaidschanische Führung hingegen betonte wie schon seit Tagen, dass es keinen Grund für eine Flucht gebe und die Menschen in das Leben gemäß den Gesetzen des Landes integriert würden. Die Südkaukasusrepublik Aserbaidschan ist anders als Armenien ein autoritär geführtes Land ohne Medienfreiheit oder demokratisch gewählter Führung. Das Land steht wegen Menschenrechtsverstößen international in der Kritik.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev betonte bei einer Veranstaltung am Montag, dass sich das Land seit langem durch eine Gesellschaft mit vielen Ethnien und Konfessionen auszeichne. "Wir leben wie eine Familie", sagte er aserbaidschanischen Medien zufolge. "Jetzt ist die Zeit gekommen, um Frieden zu schaffen im Kaukasus. Unsere Agenda ist Frieden in der Region, eine Zusammenarbeit und gegenseitiger Nutzen", sagte er in der Hauptstadt Baku. Aliyev hatte zuvor die Ansiedlung von Zehntausenden Aserbaidschanern in Berg-Karabach angekündigt.

Dagegen wirft die armenische Regierung den aserbaidschanischen Behörden eine ethnische Säuberung in Berg-Karabach vor. Die Karabach-Armenier befürchteten Verfolgung und Gewalt. Aserbaidschan hatte in einer Militäroffensive in der vorvergangenen Woche die seit Jahrzehnten umkämpfte Region zurückerobert. Die Führung der international nicht anerkannten Republik Arzach (Berg-Karabach) hatte danach kapituliert und die Selbstauflösung zum 1. Jänner 2024 besiegelt.

"Nach dem Beschuss durch die aserbaidschanischen Streitkräfte" gebe es "Opfer auf armenischer Seite", teilte das Verteidigungsministerium in Jerewan am Montag im Onlinedienst Telegram mit. Nähere Angaben zur Anzahl der Opfer machte das Ministerium zunächst nicht. Baku bestreitet die Vorwürfe. Dem Ministerium zufolge ereignete sich der Vorfall nahe des Dorfes Kut im Osten des Landes. Demnach transportierte das Fahrzeug Lebensmittel für armenische Grenzsoldaten.

Die Vereinten Nationen teilten mit, dass sich eine UNO-Expedition am Sonntag selbst ein Bild von der Lage in der Region gemacht habe. Das Team habe keine Schäden an der zivilen öffentlichen Infrastruktur festgestellt, das gelte einschließlich Krankenhäusern, Schulen und Wohnungen sowie kulturellen und religiösen Gebäuden. Geschäfte seien aber offenbar ausnahmslos geschlossen gewesen.

Vertreter der früheren selbst ernannten Republik Berg-Karabach kündigten an, nach der aserbaidschanischen Militäroffensive in der Region zu bleiben, um die Rettungsmaßnahmen für die Opfer des Konflikts zu überwachen. Ihr Anführer, Samwel Schahramanjan, teilte am Montag mit, "mit einer Gruppe von offiziellen Vertretern" in Stepanakert zu bleiben, "bis die Such- und Rettungsmaßnahmen für die restlichen Gefallenen und Vermissten abgeschlossen sind".

Aserbaidschan hatte am 19. September eine großangelegte Militäroffensive in der Region gestartet. Bereits einen Tag später erklärten die dortigen pro-armenischen Kämpfer ihre Kapitulation. Es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier. Inzwischen sind fast alle der vormals rund 120.000 armenischen Bewohner der Region aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Aserbaidschans nach Armenien geflüchtet.

Der Iran warnte indes vor einer "geopolitischen" Neuausrichtung im Kaukasus - und erkannte zugleich Aserbaidschans Souveränität über die Region an. "Wir sind gegen eine Verschiebung der internationalen Grenzen und gegen geopolitische Veränderungen in der Kaukasusregion", sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, am Montag mit Blick auf das von Baku verfolgte Projekt des "Sangesur-Korridors" an der Grenze zum Iran.

Aserbaidschan strebt seit langem danach, sein Territorium über einen Korridor mit der an Armenien, die Türkei und den Iran grenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan zu verbinden. Die Verbindung würde den Zugang des Iran zu Armenien abschneiden. Kananis Äußerungen erfolgten während des Besuchs des Chefs des armenischen Nationalen Sicherheitsrates, Armen Grigorjan, der sich seit Sonntag in Teheran aufhält. Armenien und der Iran unterhalten traditionell insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene enge Beziehungen. Das Verhältnis zwischen Baku und Teheran gilt dagegen als heikel, da das turksprachige Aserbaidschan ein enger Verbündeter der Türkei ist, einem Rivalen des Iran. Aserbaidschan kauft zudem Waffen von Irans Erzfeind Israel.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach der Rückeroberung der Südkaukasusregion Berg-Karabach durch Aserbaidschan hat nach armenischen Angaben der vorerst letzte Flüchtlingsbus das Gebiet verlassen.
  • Damit seien nun 100.514 zwangsweise umgesiedelte Bewohnerinnen und Bewohner in Armenien angekommen, sagte Regierungssprecherin Naseli Bagdassarjan am Montag.
  • Baku bestreitet die Vorwürfe.
  • Aserbaidschan hatte am 19. September eine großangelegte Militäroffensive in der Region gestartet.