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Kurz sieht Lösung im EU-Impfstoffstreit nahe

Im europäischen Impfstoffstreit bahnt sich offenbar eine Einigung an. Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist die EU einer Lösung nahe, um bestehende Abweichungen vom Bevölkerungsschlüssel bei den Corona-Impfstofflieferungen zu korrigieren. Basis wäre die Verteilung der auf das 2. Quartal vorgezogenen zehn Millionen Dosen des Herstellers Biontech/Pfizer in der EU. Dem Vernehmen nach würde Österreich im Rahmen der Korrektur rund 400.000 Biontech-Dosen erhalten.

"Das würde bedeuten, dass kein Schaden für die Republik Österreich eintritt, trotz des Handelns (des zurückgezogenen Gesundheitsbeamten) Clemens Martin Auer im Steering Board", sagte Kurz nach einer Videokonferenz zwischen EU-Ratspräsident Charles Michel und mehreren Regierungschefs zum Korrekturmodus. "Ich bin froh, dass wir einer Lösung nahestehen." Besonders betroffene Länder wie Bulgarien und Lettland sollen zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten deutlich mehr als bisher erhalten. Kurz äußerte die Erwartung, "dass wir hunderttausende Dosen mehr bekommen".

Rudolf Anschober (Grüne) hatte Dienstagmittag bei einem Online-Pressegespräch zur Impfkampagne in Wien gesagt, 200.000 dieser Biontech-Dosen würden auf Österreich entfallen. Dies entspricht in etwa dem Bevölkerungsschlüssel. Über die Verteilung müssen die EU-Staaten im Konsens entscheiden.

"Es ist auf europäischer Ebene ein System gebaut worden, das nicht gut ist, weil es klar dem widerspricht, was die Staats- und Regierungschefs vereinbart haben", sagte Kurz. Diese hatten bei einem Gipfel im Jänner eine Verteilung der Impfstoffe anhand der Bevölkerungsgröße und Lieferungen zur gleichen Zeit für alle Mitgliedstaaten vereinbart. In der Praxis wurden die Impfstoffe aber ungleich unter den EU-Staaten verteilt, weil nicht alle EU-Staaten alle ihnen angebotenen Impfstoffe gekauft haben. Wer zum Beispiel vor allem auf AstraZeneca setzte, ist nun von Lieferproblemen des britisch-schwedischen Herstellers besonders betroffen. Österreich habe bisher keinen Schaden genommen, bekräftigte Kurz, "aber auch für uns wäre das System nachteilig".

Der Bundeskanzler besprach sich zu dem Korrekturmechanismus im Vorfeld des EU-Gipfels kommende Woche mit Michel und den Premierministern von Tschechien (Andrej Babis), Slowenien (Janez Jansa), Bulgarien (Bojko Borissow), Lettland (Krisjanis Karins) und Kroatien (Andrej Plenkovic). Diese hatten hochrangige Gespräche in der EU über eine gerechtere Verteilung der Corona-Impfdosen gefordert. Das derzeitige Bestellsystem würde sonst "bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen", schrieben sie in der Vorwoche an EU-Ratspräsident Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Kurz dankte am Mittwoch Michel und von der Leyen für ihre Bemühungen um eine Lösung, in die auch die Konzernspitze des Herstellers Biontech/Pfizer einbezogen sei.

"Ich bin froh, dass wir einer Lösung näher und näher kommen, und ich hoffe auch sehr, meinen Beitrag geleistet haben zu können", sagte Kurz. Beim Impffortschritt liege Österreich derzeit im EU-Vergleich an 12. Stelle, also im Mittelfeld.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfiehlt eine Korrektur von bestehenden Abweichungen vom Bevölkerungsschlüssel bei den Corona-Impfstofflieferungen. Die für das zweite Quartal vorgezogenen zehn Millionen Dosen des Herstellers Biontech/Pfizer könnten genau die Summe sein, die Ungleichgewichte in Quartal 1 und Quartal 2 auszugleichen, sagte von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Dies sei jedoch Entscheidung der Mitgliedstaaten, "aber das ist meine Empfehlung".

Die EU-Kommission habe "von Anfang an" die Verteilung der Impfdosen nach einem Bevölkerungsschlüssel empfohlen, betonte die EU-Kommissionspräsidentin. Allerdings hätten sich die EU-Staaten für einen anderen Weg entschieden. Zu Österreich erklärte von der Leyen: Die Zusammenarbeit "ist ausgezeichnet", sie sei eine "sehr enge, gute und vertrauensvolle". Ein EU-Diplomat sagte laut dpa am Mittwoch hingegen: "Der österreichische Vorschlag ist absolut chancenlos."

Aus dem Umfeld von Michel hieß es nach Angaben eines hochrangigen EU-Beamten, die Regierungschefs hätten ihre Besorgnis über mögliche Lücken bei der Impfstoffverteilung mit dem Ratspräsidenten geteilt, "infolge der Tatsache, dass ein Unternehmen seine Verpflichtungen nicht geachtet hat", eine Anspielung auf die Lieferprobleme mit AstraZeneca. Die EU-Botschafter berieten dazu ebenfalls am Mittwoch in Brüssel, für Freitag ist die nächste Sitzung des Lenkungsausschusses anberaumt.

Ganz entscheidend sei die für den morgigen Donnerstag erwartete Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zum Impfstoff AstraZeneca, der wegen Komplikationen mit Blutgerinnseln in mehreren EU-Staaten vorübergehend ausgesetzt wurde, sagte Kurz, der sich am Dienstag hinter die Entscheidung des österreichischen Impfgremiums gestellt hatte, weiterhin auf den Impfstoff zu setzen. Die EMA habe zuletzt ihr Vertrauen in AstraZeneca klargemacht, sagte der Kanzler am Mittwoch. Der Hersteller sei relevant, da er knapp die Hälfte des Impfstoffes ausmache, den die EU bis zum Sommer erhalten werde. Wenn die Entscheidung der EMA so wie erwartet ausfalle, bedeute dies, dass jedem Österreicher und jeder Österreicherin bis zum Sommer eine Impfung angeboten werden könne, so Kurz. Dann würde auch seine frühere Prognose einer Rückkehr zur Normalität im Sommer eintreten.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte nach dem Ministerrat am Mittwoch, Österreich sei bei den Impfungen "wirklich gut unterwegs". In der Vorwoche habe es mit rund 230.000 Impfungen eine "Rekordwoche" gehabt. Bei der 7-Tages-Rate der Impfungen liege Österreich mittlerweile innerhalb der EU auf Platz vier, betonte der Minister.

ribbon Zusammenfassung
  • Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist die EU einer Lösung nahe, um bestehende Abweichungen vom Bevölkerungsschlüssel bei den Corona-Impfstofflieferungen zu korrigieren.
  • Basis wäre die Verteilung der auf das 2. Quartal vorgezogenen zehn Millionen Dosen des Herstellers Biontech/Pfizer in der EU.
  • Über die Verteilung müssen die EU-Staaten im Konsens entscheiden.
  • Dies sei jedoch Entscheidung der Mitgliedstaaten, "aber das ist meine Empfehlung".