Kohlenberger zu Flüchtlingsdrama: Höchste Zeit für legale Fluchtwege
Bei einem Bootsunglück vor der Küste der süditalienischen Region Kalabrien sind mindestens 59 Flüchtlinge ertrunken. Unter den bisher geborgenen Leichen befinden sich auch 14 Minderjährige. Wie solche Katastrophen in Zukunft vermieden werden können, erklärt die Migrationsexpertin Judith Kohlenberger.
Eine einfache Lösung dafür gebe es nicht, sagt sie. Bisher setze man stark auf den Außengrenzschutz und die Bekämpfung von illegaler Migration. "Ich glaube, es wäre aber höchst an der Zeit, neben dieser Säule auch gleichzeitig auf legale Fluchtwege zu setzen", sagt sie im PULS 24 Interview.
"Wir wissen, dass man irreguläre Ankünfte senken kann, indem man die Möglichkeit zur regulären Ankunft fördert", so Kohlenberger. Würde es legale Wege geben, dann müssten Menschen nicht mehr den Weg über das Mittelmeer wählen.
Abschreckung funktioniere nicht als Maßnahme, das sehe man schon seit 2015. Die Fluchtursachen in den Herkunftsländern würden sich dadurch nicht ändern. "Im Gegenteil, in den letzten Jahren haben sich die Flucht- und Migrationsursachen verstärkt," erklärt die Expertin. Dazu zählen Kriege, Verfolgung sowie wirtschaftliche und Klima-Gründe. "Solange diese Ursachen bestehen, wird es Menschen geben, die den Weg in die Sicherheit, in die Freiheit suchen", so Kohlenberger.
Migration als Thema bei Besuch von Kanzler in Marokko
Migration ist auch zentrales Thema beim aktuellen Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) in Marokko. Laut dem Innenministerium lagen Marokkaner im Jänner an erster Stelle der Asylstatistik. Knapp 30 Prozent aller Asylanträge (mehr als 1.300 von 4.288) wurden im ersten Monat des Jahres von Staatsbürgern des nordafrikanischen Landes gestellt.
"Marokko bietet die einzige Landgrenze zwischen Europa und Afrika aufgrund der spanischen Exklaven Ceuta und Mellila", analysiert Judith Kohlenberger. Dort ist ein unmittelbarer Übertritt vom afrikanischen Kontinent auf EU-Territorium möglich. Deshalb stehe Marokko stark im Fokus. Marokko zählt außerdem zu jenen Staaten, mit denen die Europäische Union seit Jahren erfolglos über ein Rückübernahmeabkommen für abgelehnte Asylbewerber verhandelt. Kohlenberger zeigt sich skeptisch, dass bilaterale Verhandlungen mit Österreich daran etwas ändern werden.
Anreize statt Sanktionen
Als wichtige Lösung sieht sie hier Anreize statt Sanktionen. Es brauche mehr finanzielle Unterstützung, um es Menschen zu ermöglichen im Land zu bleiben. Außerdem gelte es die Verwaltung und Infrastruktur aufzubauen und Reintegrationsmaßnahmen zu fördern. Man müsse außerdem Visamöglichkeiten erhöhen, um illegale Übertritte zu reduzieren.
Zusammenfassung
- Nach dem Flüchtlingsdrama vor der süditalienischen Küste mit 59 Toten spricht die Migrationsexpertin Judith Kohlenberger im PULS 24 Interview über legale Fluchtmöglichkeiten.
- Bisher setze man stark auf den Außengrenzschutz und die Bekämpfung von illegaler Migration.
- "Ich glaube, es wäre aber höchst an der Zeit, neben dieser Säule auch gleichzeitig auf legale Fluchtwege zu setzen", sagt sie im PULS 24 Interview.