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Katholikenschwund für Schönborn nicht aufhaltbar

Kardinal Christoph Schönborn setzt große Hoffnung in den von Papst Franziskus eingeleiteten weltweiten synodalen Prozess, glaubt aber nicht, dass sich damit Reformerwartungen zur Umkehr des Katholikenschwunds erfüllen lassen können. Weniger Gewicht legt er auf die Frage der Ämter etwa für Laien und Frauen. Als "schwere Enttäuschung" bezeichnete Schönborn vor Journalisten in Rom, dass Europas Bischöfe bisher keine gemeinsame Position in Migrationsfragen gefunden haben.

Schönborn (78) - in der Österreichischen Bischofskonferenz für Medienthemen zuständig - besuchte am Montag und Dienstag mit einer Journalistengruppen die Römische Kurie. Der Wiener Erzbischof ist weiterhin Mitglied im synodalen Rat und ist damit in jenen nun breiter aufgestellten Prozess eingebunden, der im Oktober in einem Treffen des bischöflichen Beratungsgremiums im Vatikan gipfeln soll. Erstmals dürfen dabei auch 70 Frauen und Männer, die keine Kleriker oder Ordensleute sind, gleichberechtigt (und an runden Tischen sitzend) mitberaten und abstimmen.

Allzu einseitige Erwartungen an diesen Prozess zur Synodalität - dem gegenseitigen Aufeinanderhören - versuchte Schönborn zu dämpfen. "Wenn Sie nur ein Resultat erwarten, dann kann es Enttäuschungen geben", meinte er: "Wenn wir uns von vornherein mit der Gewissheit auf diesen Weg begeben, dass das am Ende herauskommen muss, was ich mir vorstelle, dann kann es eine Enttäuschung werden, ja." Nicht alles stehe zur Disposition, aber abgeschlossen seien die Debatten ohnehin nicht, verwies er etwa auf das Dokument "Amoris Laetitia" nach der Familiensynode 2014/15: "Das ist sicher nicht das letzte Wort in der Geschichte des Nachdenkens über Ehe, Familie, Gesellschaft."

Vor allem die "Fokussierung auf die Ämterfrage" in Deutschland etwa für Frauen und nicht geweihte Männer werde jedoch "in der Weltkirche in dieser Weise bisher nicht rezipiert", sagte der Erzbischof. Die Stimme der Frauen sei essenziell, wenn es um sozial Gerechtigkeit, Familienfragen oder um das Machtgefälle gehe: "Aber blockieren wir uns nicht von vornherein - die Ämterfrage ist auf dem Tisch, aber sie ist bei weitem nicht die einzige Frage." Zudem seinen Leitungsfunktionen für Frauen auch jetzt schon erlaubt: "Man muss es nur zulassen und wollen."

Eine weitere Sorge: "Wir hier sind schon sehr in Gefahr, uns zu sehr mit uns selber zu beschäftigen." So habe sich die Europäische Bischofskonferenz in den 22 Jahren, in denen er Mitglied gewesen sei, mit vielen Themen beschäftigt. "Aber sie hat es nie geschafft, eine gemeinsame Position der europäischen Bischöfe in der Migrationsfrage zustande zu bringen. Das ist für mich eine schwere Enttäuschung." Und weiter: "Wenn die Synodalität, die Franziskus jetzt verstärkt praktizieren will, nicht zu klaren Worten zu den großen gesellschaftlichen Problemen führt, dann ist sie gescheitert."

Ob angesichts von Kirchenaustritten und dem Exodus der Jugend für all das noch Zeit bleibt, beantwortete Schönborn differenziert. "Ja und nein. Es ist immer zu spät", meinte er einerseits, andererseits seien die Kirchenaustritte Teil eines großen gesellschaftlichen Vorgangs und der Demografie: "Die Zahl der Katholiken wird vermutlich in Wien auf 20 Prozent sinken. Vielleicht wird das durch die Immigration teilweise ausgeglichen. Österreichweit werden wir sicher auf 40 Prozent oder weniger herunter sinken. Das ist so. Das hat nicht primär damit zu tun, dass die Kirche viele Fehler gemacht hat, sondern das ist die gesellschaftliche Entwicklung."

Zudem hätten Institutionen nicht mehr dieselbe Bedeutung wie früher. "Wir werden durch keine Maßnahmen den Katholikenschwund aufhalten können - auch nicht durch irgendwelche angeblichen, unbedingt notwendigen Reformen. Das wird's nicht spielen." Aber, so der Kardinal und Wiener Erzbischof: "Unser Land ist weniger konfessionell geworden - aber deswegen nicht weniger spirituell."

ribbon Zusammenfassung
  • Kardinal Christoph Schönborn setzt große Hoffnung in den von Papst Franziskus eingeleiteten weltweiten synodalen Prozess, glaubt aber nicht, dass sich damit Reformerwartungen zur Umkehr des Katholikenschwunds erfüllen lassen können.
  • Weniger Gewicht legt er auf die Frage der Ämter etwa für Laien und Frauen.
  • Allzu einseitige Erwartungen an diesen Prozess zur Synodalität - dem gegenseitigen Aufeinanderhören - versuchte Schönborn zu dämpfen.