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Justizreform in Israel - Die wichtigsten Fragen und Antworten

Die aktuelle israelische Regierung von Benjamin Netanjahu hat den ersten Teil der umstrittenen Justizreform beschlossen. Seit Wochen gibt es Massenproteste im ganzen Land. Warum die Reform so umstritten ist und was sie für das politische Machtgefüge in Israel bedeuten würde.

Am Montag haben die israelischen Regierungsparteien im Parlament die umstrittene Justizreform verabschieden. Seit Wochen gehen Hunderttausende von Israelis gegen das Vorhaben auf die Straße. Allein vor dem Parlamentsgebäude demonstrieren Zehntausende. Am Montag verweigerten Tausende Reservisten von Armee und Luftwaffe aus Protest das Einrücken.

Worum geht es bei der Justizreform?

Grundsätzlich geht es bei der geplanten Justizreform um eine Machtverschiebung zwischen der Justiz - besonders dem Obersten Gerichtshof - und dem Parlament, der Knesset. Der Oberste Gerichtshof würde durch die Reform deutlich in seinen Möglichkeiten eingeschränkt und gleichzeitig in seiner Zusammensetzung stärker von der Regierung beeinflusst.

Am Montag wurde jener Teil unter Protesten beschlossen, der vorsieht, dass ...

  • ... der Oberste Gerichtshof nicht mehr die Macht hat, Entscheidungen der Regierung oder von Ministerien aufzuheben, wenn diese als "unangemessen", d.h. nicht gesetzeskonform angesehen werden.

Weiters sieht der Entwurf unter anderem vor, dass ...

  • ... die Möglichkeit des Obersten Gerichtshofes, Gesetze zu prüfen und abzulehnen, mit einer einfachen Mehrheit in der Knesset (61 von insgesamt 120 Stimmen) überstimmt werden könnte.
  • ... die Regierung im Gremium, das über die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes entscheidet, stärker vertreten wäre und damit mehr Einfluss auf dessen Zusammensetzung hätte.
  • ... Minister:innen nicht mehr an die Ratschläge ihrer Rechtsberater, die dem Generalstaatsanwalt unterstehen, gebunden wären.

Warum ist der Oberste Gerichtshof so wichtig?

Da das israelische Parlament nur eine Kammer und die Regierungskoalition dort in der Regel die Mehrheit hat, übt der Oberste Gerichtshof eine wichtige Kontrollfunktion aus.

Israel hat keine endgültig niedergeschriebene Verfassung, sondern bisher insgesamt 12 Grundgesetze, die im Zeitraum von 1958 bis zuletzt 2018 verabschiedet wurden und seit 1995 Verfassungsrang haben. Diese Grundgesetze können jedoch teilweise mit einfacher Mehrheit geändert werden. In Österreich benötigt eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat.

Der Oberste Gerichtshof ist das Gremium, das neue Gesetze dahingehend prüft, ob sie den Grundgesetzen entsprechen und diese gegebenenfalls aufheben.

Was wird daran kritisiert?

Sehr viele Israelis sehen in der sogenannten Reform einen Umbau und eine Entmachtung der Justiz, ähnlich dem, was die Rechtsaußen-Regierungen in Ungarn und Polen in den vergangenen Jahren gemacht haben.

Dadurch würde die Gewaltenteilung stark geschwächt und sogar aufgehoben. Durch den bereits beschlossenen ersten Teil des Pakets ist die Regierung der Kontrolle durch die Justiz großteils entzogen. Nicht wenige Israelis - darunter auch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Chajut - sehen ihre Demokratie in Gefahr.

Wer steckt hinter der geplanten Reform und warum?

Die fragile Rechtsaußen-Regierung aus der Likud-Partei von Premier Benjamin Netanjahu und mehrere teils nationalistischen und fundamentalistischen Kleinparteien will durch die Reform die Macht des Obersten Gerichtshofs brechen. Die Opposition unterstellt Regierungschef Netanjahu, dass er die Justiz kaltstellen will, um die seit Jahren laufenden Korruptionsermittlungen gegen ihn verhindern zu können.

Die religiös-nationalistischen Parteien in der Regierungskoalition wollen durch den Justizumbau unter anderem rechtliche Bevorzugung ihrer streng religiösen Anhängerschaft erreichen. Ein solches Anliegen ist etwa die Befreiung der Ultra-Orthodoxen vom Militärdienst.

Die rechten Regierungsparteien begründen die Justizreform damit, dass die angeblich überschießende Macht des Obersten Gerichtshofes beschränkt werden müssen.

Wie gespalten ist Israel jetzt?

Israel ist politisch seit Jahren politisch gespalten. Indiz dafür ist nicht zuletzt, dass in den vergangenen vier Jahren bereits fünfmal neu gewählt werden musste.

Die aktuelle Justizreform polarisiert die Gesellschaft noch einmal stark. Seit Monaten gehen Hunderttausende Israels auf die Straße. Am Montag kündigten Tausende Reservierten der Armee an, aus Protest nicht um Dienst zu erscheinen, sollte die Reform umgesetzt werden.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Montag haben die israelischen Regierungsparteien im Parlament die umstrittene Justizreform verabschieden.
  • Seit Wochen gehen Hunderttausende von Israelis gegen das Vorhaben auf die Straße.
  • Warum die Reform so umstritten ist und was sie für das politische Machtgefüge in Israel bedeuten würde.