Israels Regierung streitet über Zukunft des Gazastreifens
Die Minister hätten den General scharf angegriffen, nachdem dieser die Einsetzung einer Kommission ankündigte, die untersuchen soll, welche Fehler der Armee den Überraschungsangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ermöglichten.
Bei der Sitzung in der Nacht zu Freitag sei es zu einem "lauten und wütenden Streit" gekommen, berichtete der staatliche Sender Kan und die Zeitungen "Times of Israel" und "Jerusalem Post". Kan zitierte einen Teilnehmer mit den Worten, es sei "totale Anarchie" ausgebrochen. Regierungschef Benjamin Netanyahu habe die Sitzung, bei der es eigentlich um die Zukunft des Gazastreifens nach dem Krieg gehen sollte, schließlich vertagt, nachdem schon mehrere Militärs erbost den Raum verlassen hätten, so die von der Regierung zunächst unbestätigten Medienberichte weiter.
Halevi sei verbal persönlich angegriffen worden. Die rechten Kabinettsmitglieder hätten vor allem den Zeitpunkt der angekündigten Untersuchung kritisiert, während die Kämpfe noch andauerten. Auch die Berufung des früheren Verteidigungsministers Shaul Mofaz, ein ehemaliger Zentrumspolitiker, an die Spitze der Untersuchungskommission sei auf scharfen Protest rechter Minister gestoßen. Mofaz hatte als Verteidigungsminister den Rückzug Israels aus dem Gazastreifen 2005 überwacht.
Die israelische Armee verteidigte die geplante Untersuchung. Das Militär müsse aus seinen Fehlern lernen, sagte Sprecher Daniel Hagari am Freitagabend. Die Untersuchung habe noch nicht begonnen, betonte er. Es handelt sich den Angaben nach um eine interne Untersuchung, zu der auch ehemalige Verteidigungsbeamte herangezogen werden sollen. Ergebnisse der Aufarbeitung sollen Hagari zufolge öffentlich bekannt gegeben werde
Rechte Minister wie Polizeiminister Itamar Ben-Gvir von der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit (Jüdische Stärke) und von Finanzminister Bezalel Smotrich fordern eine Wiederbesiedlung des Gazastreifen nach dem Krieg und eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Küstenstreifen. Das lehnt Verteidigungsminister Yoav Gallant ab, dessen Plan für den "Tag danach" vorsieht, die Palästinenser für den Gazastreifen in die Verantwortung zu nehmen. "Es wird keine Präsenz israelischer Zivilisten im Gazastreifen geben, nachdem die Kriegsziele erreicht wurden", betonte Gallant am Donnerstag.
Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Darstellung der dortigen Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn mindestens 22.6000 Palästinenser getötet worden. Zudem gebe es 57.910 Verletzte, teilte die der radikal-islamischen Hamas unterstellte Behörde am Freitag weiter mit.
Flugzeuge der französischen und jordanischen Luftwaffe warfen indes sieben Tonnen dringend benötigter humanitärer Hilfen und Medikamente für ein Feldlazarett in Khan Younis im südlichen Gazastreifen ab. Das teilte das französische Präsidialbüro mit. "Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist nach wie vor kritisch", schreibt Präsident Emmanuel Macron auf der Online-Plattform X.
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock will Israel auf ihrer Nahost-Reise zur Mäßigung im Kampf gegen die radikal-islamische Hamas auffordern. "Es darf keine Besetzung des Gazastreifens geben, keine Vertreibung und keine Verkleinerung des Territoriums", sagte Baerbock am Freitag in Berlin. "Zugleich darf für Israel keine Gefahr aus dem Gazastreifen mehr ausgehen." Deutschland halte am Ziel einer Zweistaatenlösung für Israelis und Palästinenser fest.
"Israelis und Palästinenser werden nur Seite an Seite in Frieden leben können, wenn die Sicherheit des einen die Sicherheit des anderen bedeutet", betonte sie. Das Selbstverteidigungsrecht Israels dürfe nicht infrage gestellt werden. Der luxemburgische Außenminister Xavier Bettel übte indirekt Kritik an dem Vorgehen der israelischen Armee: "Über 70 Prozent der Leute, die sterben, sind Kinder und Frauen. Und die haben mit dem Krieg nichts zu tun. Das sind keine Kämpfer."
Baerbock wird am Sonntag zunächst nach Israel reisen, wo sie ihren neuen Amtskollegen Israel Katz und den israelischen Präsidenten Yitzhak Herzog treffen will. In den palästinensischen Gebieten ist unter anderem ein Treffen mit Präsident Mahmoud Abbas geplant. Danach will sie nach Ägypten und Libanon weiterreisen.
Zusammenfassung
- Drei Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs ist es laut Medienberichten bei einer Sitzung des israelischen Kabinetts zu einem heftigen Streit zwischen rechtsgerichteten Ministern und Generalstabschef Herzi Halevi gekommen.
- Die Minister hätten den General scharf angegriffen, nachdem dieser die Einsetzung einer Kommission ankündigte, die untersuchen soll, welche Fehler der Armee den Überraschungsangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ermöglichten.