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Pager-Explosionen: Hisbollah schwört Vergeltung

Die mutmaßlich koordinierten Explosionen tragbarer Funkempfänger im Libanon mit Tausenden Verletzten und neun Toten schüren die Sorgen vor einem größeren Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz. Israels Armee und Geheimdienste bekannten sich zwar nicht zu den Explosionen, wurden von der Hisbollah und ihrem wichtigsten Unterstützer Iran aber umgehend als Drahtzieher beschuldigt.

Israels Armee deutete an, sich auf eine Vergeltung vorzubereiten. Generalstabschef Herzi Halevi habe am Abend eine Lagebesprechung abgehalten, die sich auf die "Bereitschaft in allen Bereichen, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive" konzentriert habe, hieß es.

Durch die zeitgleiche Explosion Hunderter Pager waren am Dienstag rund 2.750 Menschen im Libanon verletzt worden, neun Menschen starben. Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer sein, darunter Mitglieder der Elitetruppe Radwan.

Die proiranische Schiitenmiliz machte Israel verantwortlich und kündigte Vergeltung an. Der mit der Hisbollah verbündete libanesische Parlamentsvorsitzende Nabih Berri sprach von einem "Massaker und Kriegsverbrechen Israels".

In Gedenken an die Opfer der Vorfälle und aus Protest sollen Schulen und Universitäten im Libanon am Mittwoch geschlossen bleiben.

Pager mit Sprengstoff

Die explodierten Funkempfänger waren Medienberichten zufolge vermutlich von israelischen Agenten mit Sprengstoff präpariert worden. Viele hätten aus einer Lieferung gestammt, die die Hisbollah in den vergangenen Tagen erhalten habe, meldete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf informierte Kreise.

Israelische Agenten hätten die in Taiwan hergestellten Geräte vor der Ankunft im Libanon abgefangen und mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm Sprengstoff bestückt, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf amerikanische und andere Behördenvertreter, die über die Operation informiert worden seien.

Nach Informationen des US-Nachrichtenportals "Axios" legten die Explosionen auch einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando-und Kontrollsystems der Hisbollah lahm. Der von Israel ausgeführte Angriff habe darauf abgezielt, die mächtige Miliz zu verunsichern und in ihren Reihen das Gefühl zu erwecken, sie sei vollständig von israelischen Geheimdiensten durchdrungen, zitierte "Axios" eine nicht näher beschriebene Quelle.

Taiwan bestreitet Verbindung

Die in Taiwan ansässige Marke jener Pager bestritt unterdessen eine Verbindung zu dem Vorfall. Wie der Vorstand von Gold Apollo, Hsu Ching-Kuang, in Neu-Taipeh sagte, trugen die Geräte lediglich das Logo der Firma und wurden nicht seinem Unternehmen in Taiwan gefertigt.

Auf telefonische Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur erklärte Gold Apollo, dass eine in Ungarn ansässige Firma die Funkgeräte entworfen und gefertigt habe.

"Terrorakt"

Der iranische Außenminister Abbas Araghchi bezeichnete die Explosionen als "Terrorakt" und machte Israel als Schuldigen aus.

Die Vereinten Nationen warnen angesichts der jüngsten Geschehnisse mit Nachdruck vor einer Eskalation in Nahost. "Diese Entwicklungen sind äußerst besorgniserregend, insbesondere angesichts der Tatsache, dass dies in einem äußerst instabilen Kontext geschieht", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric.

Die Funkempfänger im Libanon waren nur Stunden nach einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts detoniert. Das Kabinett hatte dabei die Rückkehr der vor Gefechten der Armee mit der Hisbollah geflüchteten israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes zu einem der Kriegsziele erklärt - neben der Befreiung der Geiseln aus dem umkämpften Gazastreifen und der Zerstörung der mit der Hisbollah verbündeten islamistischen Hamas.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Explosionen tragbarer Funkempfänger im Libanon führten zu 2.750 Verletzten und neun Toten.
  • Hisbollah und Iran beschuldigen Israel als Drahtzieher der Explosionen, während Israels Armee sich auf Vergeltung vorbereitet.
  • Die Explosionen legten einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando-und Kontrollsystems der Hisbollah lahm.
  • Seit Beginn des Gazakriegs kommt es fast täglich zu Konfrontationen zwischen Hisbollah und israelischem Militär, mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten.
  • Die Vereinten Nationen warnen vor einer Eskalation in Nahost und betonen die Instabilität der aktuellen Lage.