APA/HERBERT PFARRHOFER

Heimische Politspitze sieht steigende Kooperation in der EU

Die Spitzen des Staates und auch der Oppositionsparteien sehen in der Coronakrise verstärkte Kooperation innerhalb der EU - insbesondere im Bereich Impfstoff. Die Krise könne nur gemeinsam bewältigt werden, antworteten der Bundespräsident, Bundeskanzler sowie auch Minister und Parteichefs auf einen APA-Fragebogen. "Die EU hat nach anfänglichen Problemen richtig auf die Pandemie reagiert", so Bundeskanzler Sebastian Kurz, der zu Beginn der Krise die EU scharf kritisiert hatte.

Besonders den Beschaffungsprozess von Covid-Impfstoffen bezeichnete Kurz als "sehr erfolgreich". "Die EU wird am Ende mehr Impfstoff haben als sie selbst benötigt und damit auch anderen Staaten, vor allem am Westbalkan, helfen können", so der ÖVP-Chef. Das gemeinsame Europa sei zudem erfolgreich in der Forschung und Produktion, ergänzte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Dabei ist Gesundheit eigentlich in der Kompetenz der Nationalstaaten. Hier zeigt sich, dass der europäische Gedanke lebt und eine starke Solidarität existiert."

Van der Bellen, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger gaben sich zuversichtlich, dass die EU gestärkt aus der Krise hervorgeht. Kogler: "Sowohl bei der Beschaffung und Verteilung des Impfstoffes als auch bei Errichtung des Wiederaufbaufonds hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit die Union stärkt."

So eindeutig wollte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) das nicht sehen. "Gesundheitspolitik ist vornehmlich nationalstaatliche Aufgabe. Aber es ist stärker ins Bewusstsein gerückt, dass wir besser fahren, wenn wir zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen." Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) betonte, es werde sich erst zeigen, ob Europa gestärkt oder geschwächt sei. "Diese Krise hat die Stärken, aber auch die Schwächen der Union schonungslos aufgezeigt." Zu Beginn der Krise habe es ein "Zurückfallen in nationalistische Denkmuster" gegeben.

Auch FPÖ-Chef Norbert Hofer erinnerte an das Zurückhalten von wichtiger, bereits bezahlter Schutzausrüstung an den Grenzen innerhalb der EU. "Nicht zu vergessen ist, dass im Nachfeld der Coronakrise China in der Welt nicht an Gewicht verloren, sondern gewonnen hat." Sowohl Hofer als auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner betonten, dass neben der Coronavirus-Pandemie auch die Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise dringend notwendig sei.

Dass sie persönlich bisher noch von der Krankheit verschont blieben, führten die Politiker auf Vorsichtsmaßnahmen zurück. "Treffen finden fast nur noch virtuell statt", berichtete Kogler. Schallenberg fügte jedoch hinzu, dass manchmal "persönliche Treffen und Gespräche gerade auf internationaler Ebene einfach notwendig" seien. Dass er sich bei einem solchen Treffen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Hygieneregeln mit Covid-19 infiziert habe, zeige, "wie heimtückisch dieses Virus ist. Ich hatte aber Glück im Unglück und bin glimpflich davongekommen." Auch Hofer erklärte, dass er es "mit einer SARS-Cov-2-Infektion gut durch das ablaufende Jahr geschafft" habe.

Als außenpolitische Themen, denen heuer wegen der Coronakrise zu wenig Beachtung geschenkt worden ist, nannten die meisten befragten Politiker den Klimawandel. Nun sei wichtig, "dass wir nicht weiterhin kostbare Zeit in der Bekämpfung der Klimakrise verlieren", forderte Van der Bellen. Genannt wurden aber auch die Konflikte in Afrika, Berg-Karabach oder im Jemen. "Vielerorts wirkt Covid-19 wie ein Brandbeschleuniger humanitärer Krisen. Europa ist zur Zeit von einem regelrechten Feuerring an Krisenherden umgeben", sagte Schallenberg. Kurz sagte: "Aktuell sind zudem über 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, denen wir vor Ort helfen müssen."

Hofer meinte, dem Kampf gegen den radikalen Islamismus sei zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, ebenso wie der Frage der Russland-Sanktionen und auch der weiteren Vorgangsweise in dieser Frage sowie den zu erwartenden Entwicklungen nach der Präsidentenwahl in den USA. Meinl-Reisinger hob besonders die Positionierung Europas gegenüber der neuen Herausforderung China sowie gegenüber den USA hervor. "Wir müssen eine gemeinsame Außenpolitik auf die Reihe bekommen, sonst wird Europa zunehmend geschwächt zwischen den USA und China", so die NEOS-Chefin.

Van der Bellen und Rendi-Wagner verwiesen darauf, dass der künftige US-Präsident Joe Biden dem Klimaabkommen wieder beitreten will. Auch wurde von mehreren Gesprächspartnern die Hoffnung angesprochen, dass Biden die Spaltung der USA überwinde. Als positive Punkte in der außenpolitischen Bilanz des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump wurden dessen Initiative zur Normalisierung der Beziehungen Israels mit einigen arabischen Ländern genannt.

Die Antworten der österreichischen Politspitze auf die Frage nach den Lehren aus dem Corona-Jahr 2020 für die internationale Politik fielen dafür relativ einmütig aus. "All die großen Herausforderungen vor denen wir stehen, die Bekämpfung der Corona-Pandemie oder die Bewältigung der Klimakrise, können nur mit internationaler Zusammenarbeit gelöst werden", formulierte es der Bundespräsident. Und Bundeskanzler Kurz betonte: "Unsere Lehre aus diesem Jahr muss sein, dass es Herausforderungen gibt, wie Pandemien oder Terrorismus, die uns unvorhergesehen treffen und die wir als Nationalstaaten alleine nicht bewältigen können."

Edtstadler sagte: "Egal, wie unterschiedlich unsere Länder, Kulturen, Bräuche oder Religionen auch sein mögen - sitzen wir alle im selben Boot." Das habe die Pandemie ganz deutlich vor Augen geführt. "Eine weitere wichtige Lehre ist, dass wir mehr auf 'Made in Austria' und 'Made in Europe' setzen müssen, um uns vor allem bei medizinischen Produkten unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen", ergänzte Rendi-Wagner.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Spitzen des Staates und auch der Oppositionsparteien sehen in der Coronakrise verstärkte Kooperation innerhalb der EU - insbesondere im Bereich Impfstoff.
  • "Die EU hat nach anfänglichen Problemen richtig auf die Pandemie reagiert", so Bundeskanzler Sebastian Kurz, der zu Beginn der Krise die EU scharf kritisiert hatte.
  • Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) betonte, es werde sich erst zeigen, ob Europa gestärkt oder geschwächt sei.