"Grüß Gott" vs. "Guten Tag": Das sagen Krainer und Ebner
Die Chronik des jüngsten Scharmützels zwischen ÖVP und SPÖ fußt wohl auf einem simplen Umstand: Themen wie Wahlkampffinanzierung und Auftragsvergaben von Ministerien sind eher kompliziert, die Frage, wie man grüßt, ist hingegen eingängig und emotional. So kam es, dass einem alten ideologischen Streit zwischen Rot und Schwarz am Wochenende auf Twitter neues Leben eingehaucht wurde: Soll man "Grüß Gott" oder "Guten Tag" sagen, und wer hat dabei das letzte Wort?
Zur Erinnerung: Am vergangenen Mittwoch war neben Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) auch der niederösterreichische VP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner als Auskunftsperson im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss geladen. Gegen 16 Uhr betrat Ebner nach eigener Erinnerung das Ausschusslokal und begrüßte mehrere Anwesende mit der Grußformel "Grüß Gott".
Koordinierte Empörung
Am Samstag monierte die steirische Nationalratsabgeordnete Corinna Scharzenberger (ÖVP), der SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer habe auf Ebners "Grüß Gott" geantwortet: "In Wien heißt das nicht 'Grüß Gott', sondern 'Guten Tag'." Scharzenberger betonte per Aussendung, man lasse sich "von der SPÖ sicher nicht verbieten, 'Grüß Gott' zu sagen". Auch mehrere ÖVP-Pressesprecher bemühten sich, das Thema auf Twitter zu forcieren.
Krainer wundert sich auf Anfrage von PULS 24 sowohl über die zur Schau getragene Empörung in der Volkspartei als auch über deren Zeitpunkt. "Allein dass die ÖVP drei Tage braucht, um aus diesem Dialog einen Skandal zu konstruieren, zeigt, dass er nicht so arg gewesen kann", sagt Krainer. Er gebe zwar zu, das Grußformel-Gespräch mit Ebner sei "kein sehr intelligenter Dialog" gewesen. Doch er erkenne ein Muster: "Immer wenn es für die ÖVP unangenehm wird, versucht sie es mit absurden Ablenkungsmanövern." So habe der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger im Ibiza-U-Ausschuss schon thematisiert, Krainer esse im Ausschuss angeblich Wurstsemmeln (der SPÖ-Politiker betont, es war "ein Käseweckerl").
"Bezeichnend" für U-Ausschuss
PULS 24 erreichte am Montag auch Landesgeschäftsführer Ebner am Telefon. Dieser schildert den Vorfall so: Kurz vor 16 Uhr sei er ins Ausschusslokal des Parlaments gekommen und habe mehrere Mitarbeiter der Parlamentsdirektion und Abgeordnete mit "Grüß Gott" begrüßt, so auch Krainer. Dieser habe geantwortet: "Bei uns in Wien heißt das 'Guten Tag'." Ebner sagt, er sei stehengeblieben und habe repliziert: "Wir in Niederösterreich sagen 'Grüß Gott'." Worauf Krainer wiederum gesagt habe: "Wir sind hier nicht in Niederösterreich, wir sind in Wien."
Warum die ÖVP den Wortwechsel danach zum Thema machte, beantwortet Ebner auch: "Ich finde es wirklich bezeichnend, wenn man bei der einfachen Grußformel 'Grüß Gott' so angegangen wird. Das zeigt, wie aufgeladen die Stimmung in diesem U-Ausschuss schon ist."
Ebner: SPÖ macht Wahlkampf
Krainer und Ebner sind sich übrigens nicht nur beim Grüßen uneins, sondern auch in der Sache. Ebner sagt, er verstehe auch nach der Ladung in den U-Ausschuss nicht, warum er überhaupt Auskunftsperson geworden sei. "Ich war nie ein Organ des Bundes", seine Ladung folge nicht dem Untersuchungsgegenstand, sondern nur dem Wahltermin in Niederösterreich. Am 29. Jänner wählt Niederösterreich einen neuen Landtag.
Krainer: Ladungen berechtigt
Krainer sieht das ganz anders. Der SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss interessiert sich für die Agentur Media Contacta. Die Firma mit Sitz in St. Pölten erhielt immer wieder öffentliche Aufträge aus ÖVP-geführten Ministerien. Es gehe um Vorwürfe, "dass die ÖVP Niederösterreich Steuergelder für ihre Parteiarbeit und für ihre Wahlkämpfe missbraucht", sagt Krainer. Rücklagen, die die Agentur Media Contacta mit Steuergeld aus den Ministerien aufgebaut hat, könnten für Wahlkämpfe der VP Niederösterreich verwendet worden sein, so seine Vermutung. Auch gebe es mehrere Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter, die für die VP Niederösterreich und für die Media Contacta parallel tätig waren. Krainer: "Das bezweifelt niemand außer der ÖVP Niederösterreich, dass diese Ladungen in den U-Ausschuss gerechtfertigt sind."
Sprachexperte: Fronten "aufgeweicht"
Der SPÖ-Politiker will in der "Grüß-Gott"-Aufregung daher nichts als ein Ablenkungsmanöver erkennen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig begrüßte die Zuschauer am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" wohl nicht zufällig mit einem "Grüß Gott", um die Gemüter zu beruhigen. Der Sprachforscher Robert Sedlaczek sagt im Interview mit PULS 24, die ideologischen Grenzen zwischen "Grüß-Gott"-Fans und "Guten-Tag"- Anhängern seien ohnehin "total aufgeweicht. Es gibt natürlich auch Sozialdemokraten, die religiös sind und die 'Grüß Gott' sagen. Und vor allem ist 'Grüß Gott' ja eine Floskel. Die Floskeln bergen in sich, dass der eigentliche Inhalt verloren geht."
Zusammenfassung
- Der SPÖ-Abgeordnete Krainer sieht im Vorwurf, er habe einem ÖVP-Politiker die Grußformel untersagen wollen, ein Ablenkungsmanöver.