Grußformeln: "'Grüß Gott' kommt bei Jüngeren aus der Mode"
Am vergangenen Mittwoch war der Geschäftsführer der VP Niederösterreich, Bernhard Ebner, im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss geladen. Nicht nur die Ladung selbst missfiel Ebner, sondern auch eine Replik des SPÖ-Mandatars Kai Jan Krainer schon vor der Befragung.
Ebner hatte Anwesende im U-Ausschuss mit "Grüß Gott" begrüßt. Krainer entgegnete, in Wien sage man "Guten Tag". Es folgte eine empörte Presseaussendung von Ebners Parteikollegin Corinna Scharzenberger, man werde sich in der ÖVP das "Grüß Gott" nicht verbieten lassen.
PULS 24 hat den Sprachkenner Robert Sedlaczek um eine historische und politische Einordnung gebeten.
PULS 24: Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer und der niederösterreichische ÖVP-Politiker Bernhard Ebner lieferten sich im U-Ausschuss im Parlament ein Scharmützel über die Grußformeln "Guten Tag" und "Grüß Gott". Warum gehen bei dem Thema die Wogen hoch?
Ob man "Grüß Gott" oder "Guten Tag" sagt, bedeutete früher ein gesellschaftspolitisches Bekenntnis. In den 1920er Jahren gab es einen großen Gegensatz zwischen Sozialdemokraten und Christlich-Sozialen. Die Christlich-Sozialen sagten "Grüß Gott", die Sozialdemokraten wollten sich abgrenzen und sagten "Guten Tag". Grundsätzlich meine ich: Jeder soll heute selber entscheiden, wie er grüßt. Manche grüßen mit "Grüß Gott" und denken gar nicht daran, dass das eine religiöse Formel ist. Es bedeutet ja, "Gott möge dich segnen". Der alte Kalauer "Grüß nicht Gott, grüß mich" ist ein Unsinn.
Gibt es noch andere Beispiele für ideologisch aufgeladene Grußformeln?
In den 1920er Jahren ist das in Österreich so weit gegangen, dass man das Wort "Mahlzeit" unter Sozialdemokraten vermieden hat. "Mahlzeit" hat auch einen religiösen Hintergrund, der Gruß ist die Kurzform von "Gesegnete Mahlzeit". Damals hat es unter Sozialdemokraten die Grußformel gegeben "Gspeist z'ham". Das hat eigentlich bedeutet "Wünsche, gut gespeist zu haben" und ist zusammengezogen worden. In dem berühmten jüdischen Jargonstück "Die Klabriaspartie" wird zum Beispiel eine Figur im Kaffeehaus am Gruß "Gspeist z'ham" als Sozialdemokrat identifiziert.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) grüßte am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" wohl demonstrativ mit "Grüß Gott". Hat sich die ideologische Bedeutung von Grußformeln nicht ohnehin aufgeweicht?
Es hat sich total aufgeweicht. Es gibt natürlich auch Sozialdemokraten, die religiös sind und die "Grüß Gott" sagen. Und vor allem ist "Grüß Gott" ja eine Floskel. Die Floskeln bergen in sich, dass der eigentliche Inhalt verloren geht. Wenn man in den Vereinigten Staaten "How do you do" sagt, will man damit auch nicht erfragen: "Wie geht es dir?"
Heißt das, ob man "Grüß Gott" oder "Guten Tag" sagt, lässt keine Schlüsse mehr auf die Weltanschauung zu?
Ich will nicht ausschließen, dass es auf dem Land noch Gegenden gibt, wo man schief angeschaut wird, wenn man nicht "Grüß Gott" sagt. Ich bin aber Städter und auf dem Land nicht gut genug integriert, um das beurteilen zu können. Es kommt auch auf die Situation an. Wenn sich jemand in einem Call-Center mit "Grüß Gott" meldet, ist das ein gesellschaftspolitisches Statement. Darum kommt man nicht herum.
Kommt "Grüß Gott" bei den Jüngeren als Grußformel aus der Mode?
Ja, sicherlich. Weil es heute ganz andere Grußformeln gibt. Das "Hallo" setzt sich bei den jungen Leuten durch. Dann gibt es auch keine Diskussion mehr, ob ich "Grüß Gott" oder "Guten Tag" sage.
Zur Person:
Robert Sedlaczek ist Journalist, Buchautor und langjähriger Kolumnist der "Wiener Zeitung" ("Sedlaczek am Mittwoch"). In seiner Kolumne befasst er sich mit spannenden und skurrilen Aspekten der deutschen Sprache. Als Buch erschien zuletzt von ihm "Sprachwitze" im Innsbrucker Haymon Verlag.
Zusammenfassung
- Der U-Ausschuss brachte eine Diskussion über die Grußformeln "Guten Tag" und "Grüß Gott" mit sich.
- Der Autor und Sprachforscher Robert Sedlaczek erklärt, warum das so ist und auch manche Ungläubige "Grüß Gott" sagen.