Grüne sehen Flüchtlingshilfe in Bosnien "nicht angekommen"
Die Lage in der Region an der Grenze zu Kroatien sei "sehr explosiv", berichtete die Nationalratsabgeordnete nach einem Lokalaugenschein in den wilden Camps rund um den Ort Velika Kladusa. Die Migranten suchten in leer stehenden Fabriken, Häusern und "Ruinen" Unterschlupf, doch würden diese Unterkünfte immer wieder von Einheimischen angezündet. "Das schaukelt sich enorm hoch", äußerte Ernst-Dziedzic Verständnis für den Unmut der Bevölkerung, die seit Jahren mit dem Problem allein gelassen werde.
Ernst-Dziedzic beklagte, dass nach dem Feuer im Flüchtlingslager Lipa im vergangenen Dezember "genau gar nichts passiert" sei. Während einander bosnische Behörden, EU und internationale Organisationen gegenseitig die Verantwortung zuschöben, müssen die Migranten "ohne Schuhe im Schnee stehen" und würden nur von NGOs wie "SOS Balkanroute" mit Essen versorgt.
Die zog einen Vergleich mit der Lage auf der griechischen Flüchtlingsinsel Lesbos, wobei Bosnien viel näher an Österreich liege. "Es ist Moria vor der Haustür. Hier bahnt sich die nächste humanitäre Katastrophe an. Es gibt sie schon, aber sie ist noch nicht so sichtbar wie in den griechischen Elendslagern."
Die Abgeordnete will bis Dienstag neben Flüchtlingshelfern auch Vertretern der lokalen und regionalen Behörden treffen. Außerdem möchte sie Nachforschungen zum Thema der umstrittenen "Push-Backs" von Migranten anstellen. Gegen die kroatische Polizei gebe es solche Vorwürfe schon sehr lange. Sie wolle aber auch schauen, ob "da auch österreichische Beamte involviert" seien, sagte sie mit Blick auf die EU-Grenzschutztruppe Frontex. "Ich hoffe es nicht", verwies sie auf entsprechende Dementis des ÖVP-geführten Innenministeriums.
Befragt zum Koalitionszwist um Abschiebungen pochte Ernst-Dziedzic auf eine "grüne Handschrift" auch in der Migrationspolitik. Die Grünen seien "eine Vollsortimentspartei" und die ÖVP "hat keine Absolute", betonte sie. Das in den Regierungsverhandlungen vereinbarte "Beste aus beiden Welten" bedeute, dass in puncto Migration nicht nur auf Ordnung, sondern auch auf Humanität gesetzt werde. So seien die Grünen etwa für Außengrenzschutz, aber unter der Bedingung einer menschenwürdigen Behandlung sowie von Zuflucht für minderjährige Flüchtlinge. Daher werden die Koalitionspartner jetzt "dringend klären müssen, was unsere Einigung bedeutet".
Die Abgeordnete sprach sich auch für eine Neuregelung des humanitären Bleiberechts aus, weil dieses "faktisch totes Recht" sei. "Härtefallkommissionen sind für mich eine Selbstverständlichkeit", ergänzte sie. Weiters sollte es Schülervisa geben, die mit einer Niederlassungsbewilligung verbunden seien. Sie würde sich "sehr wünschen, dass die Jugendlichen zurückkommen können", fügte sie mit Blick auf die am Freitag nach Georgien und Armenien abgeschobenen Familien hinzu.
Befragt nach einem möglichen Koalitionsende sagte Ernst-Dziedzic, sie wolle "nicht den Teufel an die Wand malen". "Schwierig" werde es, wenn sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) "jetzt einbetoniert und nur das Image als Law-and-Order-Minister pflegt", kommentierte sie dessen Auftritt in der "ZiB2" am Freitagabend. "Wenn die ÖVP der Meinung ist, dass es nicht mehr wert ist, mit uns über Kompromisse zu diskutieren, dann verweigern sie das Gespräch. Dann hat sich das erübrigt."
Zusammenfassung
- Die Grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic hat sich unzufrieden mit der Flüchtlingshilfe in Nordbosnien gezeigt, wo tausende Migranten im tiefsten Winter ohne feste Unterkünfte und Nahrung ausharren müssen.
- "Das Problem wird wie eine heiße Kartoffel hin- und hergeworfen", sagte Ernst-Dziedzic der APA während eines Besuchs in der Region.
- Die Grünen seien "eine Vollsortimentspartei" und die ÖVP "hat keine Absolute", betonte sie.