Großes Kriegsrisiko - kein Ende in Sicht?

Das Bundesheer geht von einem großen Risiko der militärischen Konfrontation zwischen der EU und Russland aus. Auch andere Krisenherde hätten Auswirkungen auf Österreich, das Bundesheer müsse wieder "kriegsfähig" gemacht werden. Militärexperte Gerald Karner gibt einen Ausblick auf die Entwicklungen in der Ukraine und im Gazastreifen.

Das Bundesheer sieht eine große Kriegsgefahr zwischen der EU und Russland. Das Risiko einer Konfrontation sei "sehr hoch", sagte Generalmajor Peter Vorhofer am Montag bei der Präsentation des "Risikobilds 2024" des Verteidigungsministeriums in Wien.

"Das bedeutet, dass wir 2024 mit einer hohen Wahrscheinlichkeit hybride Kriegsführung erleben." Die neue Zeit der militärischen "Unordnung" werde die Welt und Österreich noch "mindestens zwei Dekaden" begleiten, sagte Vorhofer. In seinem Vortrag zählte er insgesamt acht für Österreich besonders relevante Risiken auf, darunter etwa die Störung von Lieferketten durch Konflikte, die Auswirkungen von Migrationsströmen, Cyberangriffe sowie Desinformationskampagnen, deren Ausbleiben im aktuellen Superwahljahr "extrem ungewöhnlich" wären.

Schließlich nannte der Experte auch Versuche von externen Akteuren, die europäische Integration "durch gezielte Angriffe und Zwangsausübung" zu schwächen. Es solle nämlich verhindert werden, dass Europa zu einem wesentlichen sicherheits- und außenpolitischen Akteur werde. 

"Krieg als Dimension der Politik zurück"

Die Bundesheerexperten prognostizierten, dass die militärischen Konflikte eher zunehmen werden, "weil der Krieg als Dimension der Politik zurück ist", wie Vorhofer sagte.

"Eines ist klar: Es wird schneller und es wird mehr", sagte auch Militärstratege Günter Hofbauer, der diesbezüglich von einer "Grauzone" sprach. "Wir sind in einer Phase, wo es noch nicht Krieg, aber auch nicht mehr Frieden ist." Dies mache es nötig, auch das Bundesheer "wieder kriegsfähig zu machen". Schließlich brauche es ein Jahrzehnt zu einem Aufbau einer Luftverteidigung, und in 10 bis 15 Jahren werde der Ukraine-Krieg "nur einer der Konflikte sein".

Ukraine vom Westen abhängig

Aber wie steht es aktuell tatsächlich um die multiplen Krisenherde in der Welt? Militärexperte Gerald Karner analysierte im PULS 24 Interview die Situation in der Ukraine und im Nahen Osten

Die Situation in der Ukraine sei momentan weitgehend festgefahren - es tobt ein Stellungskrieg. Ob die Ukraine wieder in einen Bewegungskrieg komme, hänge vor allem von westlichen Waffenlieferungen ab, so Karner. Es brauche modernes, schweres Gerät, das auch mobil sei. Momentan werde solch Gerät "kaum nachgeliefert vom Westen". In den USA wird über die Ukraine-Hilfe gestritten, die Ukraine setzt Hoffnung auf Deutschland. Die Frage sei auch, wann die F16-Flugzeuge geliefert werden. 

Wegen dieser Ausgangssituation setze die Ukraine momentan auf die Abnutzung der russischen Landstreitkräfte sowie "eine andere Form der Gegenoffensive", so Karner: Man versuche, hochwertige strategische Ziele anzugriefen. Dazu zählen etwa die russische Luftraumüberwachung, die Schwarzmeerflotte oder auch Öl-Terminals. 

Israel: Auch Waffenruhe würde Lage nicht entspannen

Unterdessen ist im Nahen Osten im Oktober nach dem Massaker der islamistischen Hamas ein neuer Konfliktherd dazugekommen. Im Hintergrund wird derzeit über eine zweimonatige Waffenruhe für die Freilassung von rund 100 Geiseln verhandelt. 

Israel habe die Hamas militärisch "weitgehend geschwächt", könnte aber die Zerschlagung der gesamten Struktur als Ziel haben. Auf die Waffenruhe könnte man wegen des innenpolitischen Drucks dennoch eingehen, so Karner. Die Bevölkerung fordert die Befreiung der Geiseln. 

Sollte sich Israel darauf einlassen, würde das den Konflikt aber nur bedingt beruhigen, sagt der Militärexperte, denn mit den Huthis im Jemen und dem Iran, der jüngst einen militärischen Stützpunkt der USA in Jordanien angriff, habe der Konflikt schon "eine neue Dimension" erreicht. Eine Antwort der USA werde folgen, so Karner. 

"Österreich muss sich entscheiden"

All diese Konflikte würden sich auch auf Österreich auswirken, sagt der Militärexperte - und verweist auch auf Konflikte zwischen China und Taiwan, die humanitäre in Afghanistan und weitere Krisen in Afrika. Österreich müsse sich daher entscheiden, wo es stehe und welche Rolle es militärisch in Europa einnehmen wolle. 

Tanner lobt Aufrüstung

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bekannte sich am Montag zu Aufrüstung und europäischer Zusammenarbeit. "Ich bin überzeugt, dass diesen Risiken nur durch Zusammenarbeit begegnet werden kann", sagte sie. Ausdrücklich erwähnte sie dabei das von der oppositionellen FPÖ heftig als Neutralitätsbruch bekämpfte "Sky Shield"-Luftverteidigungsprojekt. Angesichts der Bilder aus der Ukraine, wo Krieg mit ballistischen Raketen und Drohnen geführt werde, dürfe es hier über Österreich "keine Lücke" geben.

HBF/ Carina Karlovits

Die Verteidigungsministerin lobte das milliardenschwere Aufrüstungspaket für das Bundesheer. Dieses sei auch durch ein entsprechendes Gesetz abgesichert und werde somit über Legislaturperioden hinauswirken, sagte sie in ihrer Rede in Richtung der Wehrsprecher der Parlamentsparteien. Angesichts der mannigfaltigen Sicherheitsherausforderung hob Tanner auch die Notwendigkeit hervor, stärker auf "geistige Landesverteidigung" zu setzen.

ribbon Zusammenfassung
  • Das Bundesheer sieht eine hohe Kriegsgefahr zwischen der EU und Russland.
  • Generalmajor Peter Vorhofer prognostiziert für 2024 eine hohe Wahrscheinlichkeit hybrider Kriegsführung.
  • Verteidigungsministerin Klaudia Tanner spricht sich für Aufrüstung und europäische Zusammenarbeit aus.
  • Militärexperte Gerald Karner analysierte im PULS 24 Interview die Situation in der Ukraine und im Nahen Osten.