Mangott: EU ist "zweifellos" erpressbar

Mit dem Beschluss über die Beitrittsverhandlungen der Ukraine stellt sich die EU klar an deren Seite. Putin erwähnt das in seiner Rede nicht, nur eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wäre für seine Vorhaben schlagend. Denn die EU kann Kiew nicht ausreichend verteidigen. Das weiß auch Putin, deshalb rührt ihn das Zugeständnis der EU kaum.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat sein Veto gegen den EU-Beitritt der Ukraine nicht lange gehalten: Am Donnerstagabend gab es in Brüssel grünes Licht für die Verhandlungen über den EU-Beitritt von der Ukraine und auch Moldau. Orbán habe bei der Abstimmung den Raum verlassen - deshalb gab es keine Gegenstimme. 

Politikwissenschaftler Gerhard Mangott erklärt im Newsroom LIVE bei Thomas Mohr, was der Anstoß für die Beitrittsverhandlungen nun bedeutet. 

Es würde noch 10 bis 15 Jahre dauern, bis die Ukraine Teil der EU sei. In Brüssel wurde heute eine geopolitische Entscheidung getroffen, die formellen Kriterien seitens der EU erfüllt die Ukraine noch nicht. 

Es "wäre besser gewesen abzuwarten, ob diese Gesetze auf dem Papier bleiben" oder praktisch umgesetzt werden, so Mangott. Der Westen wollte aber ein Zeichen der Unterstützung setzen. 

Letzte Woche hatte Ungarns Ministerpräsident Orbán sein Veto über den Beginn der Beitrittsverhandlungen ausgesprochen, am Mittwochabend bekam er seitens der EU zehn Milliarden Euro zugesagt. Aktuell blockiert Brüssel noch weitere Fördergelder für Ungarn.

"Zweifellos" ist die EU erpressbar, so Mangott. Der Politikwissenschaftler glaubt auch, dass Orbán für das Aussetzen der Blockade noch mehr Geld versprochen bekommen haben könnte.

EU-Aussichten der Ukraine tangieren Putin nicht

Am Donnerstag hielt auch der russische Machthaber Wladimir Putin in Moskau eine Rede und erlaubte Fragen von ausgewählten Journalist:innen. Die Weichenstellung für den EU-Beitritt der Ukraine erwähnte Putin nicht. 

In der Praxis würde die Ukraine zuerst der NATO beitreten, "die Europäische Union ist sicher nicht in der Lage, die Ukraine gegen eine neuerliche Aggression Russlands zu verteidigen". 

Putin habe in der Rede kaum Neues erwähnt, so Mangott. Bemerkenswert war, dass Russland weiterhin von einem "Diktatfrieden" ausgeht. "Das ist ein wichtiges Signal für die Personen im Westen - Politiker, Experten - die meinen, es sei die Zeit für Verhandlungen gekommen." 

Russland würde noch den Ausgang der US-Wahlen im November 2024 abwarten. Auch die Ukraine sei aktuell nicht zu Verhandlungen bereit, so Mangott. "Tatsache ist, dass die russische Seite sicher nicht bereit ist zu verhandeln."

Putin wolle immer noch mehr Gebiet in der Ukraine erobern, "seine geopolitischen Ambitionen in der Ukraine seien noch immer nicht gesättigt", so Mangott.

US-Hilfe als Kipp-Punkt

Noch ist die Mehrheit der westlichen Länder bereit dazu, die Ukraine zu unterstützen. Die große Frage sei aktuell, wie die Patt-Situation in den USA entschieden wird: Die Republikaner wollen einem Weiterlaufen der Ukraine-Hilfe nur zustimmen, wenn es Verschärfungen im US-Grenzschutz und andere Zugeständnisse geben wird. 

"Wenn die Hilfe der USA ausbleiben wird, dann ist Europa sicherlich nicht in der Lage, das zu kompensieren." 

Ein Waffenstillstand würde Russland bevorteilen, so Mangott. Die Auswirkungen wären "verheerend", der Westen sollte nicht bereit sein, das zuzulassen. Die Frage sei nur, ob man sich so lange der Ukraine zuwenden wird, bis Ukraine und Russland so "erschöpft" sein werden, dass es zu Verhandlungen über einen Kompromiss kommen wird.

ribbon Zusammenfassung
  • Politikwissenschaftler Gerhard Mangott erklärt im Newsroom LIVE die Entwicklungen rund um die Ukraine.
  • So habe sich die EU von Ungarns Ministerpräsident erpressen lassen.
  • Ein EU-Beitritt der Ukraine würde aber sowieso noch lange dauern.
  • Wichtiger sei die Frage nach der weiteren Unterstützung der USA.