Georgien: Regierungskritische Demos gewaltsam aufgelöst
Es sei eindeutig, dass Gewalt gegen friedliche Demonstranten inakzeptabel sei und die georgische Regierung den Willen des georgischen Volkes sowie die georgische Verfassung respektieren sollte, sagte die frühere estnische Regierungschefin am Rande von Gesprächen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Man werde gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mögliche Konsequenzen erörtern. Als konkrete Beispiele nannte Kallas Sanktionen, aber auch Einschränkungen bei der Visavergabe.
Die Auseinandersetzungen zwischen der nationalkonservativen Regierung und der proeuropäischen Opposition drohen Georgien zu zerreißen. Am Sonntag gelang es der Polizei erst in der Früh, die Protestierenden vom Parlamentsgebäude am Rustaweli-Prospekt abzudrängen. Die Menge hat nun Straßensperren nahe der Staatlichen Universität aufgebaut. In der vergangenen Nacht hatte die Polizei allein in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) eigenen Angaben nach 107 Menschen wegen Rowdytums festgenommen - auch in anderen Städten wird demonstriert. Vorerst gab es noch keine offiziellen Angaben zur Zahl der Verletzten und Festgenommenen.
Hintergrund der Proteste sind die von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahlen Ende Oktober, bei der sich die pro-russische Regierungspartei Georgischer Traum zum Sieger erklären ließ. Die EU-freundliche Opposition hat die Wahlergebnisse nicht anerkannt - und weigert sich, ihre Mandate anzunehmen. Befeuert wurden die Proteste von Regierungschef Irakli Kobachidse, der ankündigte, die Beitrittsverhandlungen mit der EU, der er Einmischung und Erpressung vorwarf, bis 2028 auf Eis zu legen. Die Mehrheit der Bevölkerung will Umfragen zufolge in die EU. Der Beitritt ist auch in der Verfassung als Ziel festgeschrieben.
Der Konflikt hat sich auch auf institutionelle Ebene ausgeweitet. Inzwischen sind mehrere Botschafter aus Protest zurückgetreten. Die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili wiederum verweigert sich dem von der Regierung beabsichtigten Wechsel. Sie werde vorerst im Amt bleiben, da ein illegitimes Parlament keinen legitimen Präsidenten wählen könne, sagte sie. Ihre Amtszeit endet eigentlich Mitte Dezember. Ihr Nachfolger soll erstmals nicht direkt vom Volk, sondern von Abgeordneten des Parlaments und regionalen Vertretern ernannt werden.
Zusammenfassung
- In Georgien kam es in der dritten Nacht in Folge zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und regierungskritischen Demonstranten, wobei 107 Personen in Tiflis festgenommen wurden.
- Die EU erwägt Sanktionen gegen Georgien, nachdem die Polizei Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten eingesetzt hat, die wiederum mit Feuerwerkskörpern reagierten.
- Hintergrund der Proteste sind die umstrittenen Parlamentswahlen und die Ankündigung, die EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028 auszusetzen, was zu einer Spaltung zwischen der nationalkonservativen Regierung und der proeuropäischen Opposition führt.