Geheime Pilnacek-Mitschnitte belasten Sobotka und ÖVP
Immer habe Wolfgang Sobotka versucht, bei Pilnacek zu intervenieren und ihn dazu zu bringen, im Sinne der ÖVP Ermittlungen einzustellen und zu beeinflussen. Das zumindest behauptet der inzwischen verstorbene Christian Pilnacek in geheimen Tonbandaufnahmen, die der "Krone" vorliegen.
Die Aufzeichnungen sollen vom Sommer 2023 stammen. Darin gibt der verstorbene Sektionschef dem Nationalratspräsidenten Sobotka und der ÖVP die Mitschuld an seiner Suspendierung.
Interventionen von Sobotka
In den Mitschnitten sagt Pilnacek, dass Sobotka ihn immer wieder dazu drängte, in Verfahren einzugreifen: "In jedem Gespräch sagt der Sobotka, Du hast selber versagt, Du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat".
Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat
Man verlangte außerdem von ihm, Ermittlungen einzustellen, er habe aber erwidert: "Das kann ich nicht, das mache ich nicht!" Er erzählte weiter: "Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat, kam man zu mir und fragte, warum drehe ich das nicht ab?"
Pilnacek blieb hart: "Ich habe immer gesagt, ich kann es nicht, ich mach' es nicht, ich will es nicht", sagt er laut "Falter" in den Aufnahmen.
ÖVP: "Du warst ja nie bei uns"
In den Mitschnitten fällt aber nicht nur Sobotkas Name. Pilnacek belastet auch die ehemalige Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP). Sie sei in der Telekom-Affäre massiv unter Druck der Partei geraten und habe sich mit ihm vertraulich unterhalten. Pilnacek habe entgegnet: "Ich kann nichts machen. Ist alles rechtswidrig".
Er habe auf gefragt: "Tut ihr auch was für meine Unterstützung?". Als Antwort bekam er: "Du warst ja nie bei uns".
Stocker: "Skandalisierungskampagne gegen Sobotka"
Die ÖVP geht einstweilen in die Offensive. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker behauptet auf PULS 24 Anfrage: "Mittels eines Tonbands wird nun sogar das Andenken an einen Toten missbraucht und instrumentalisiert, um politisches Kleingeld zu wechseln." Man werde das "nicht hinnehmen" und die Hintergründe aufklären. Letztere erinnern an Geheimdienstmethoden, so Stocker.
Bei einer Pressekonferenz fügt Stocker am Dienstagabend an, dass Pilnacek "einmal mehr in eine Falle gelockt wurde". Er sieht in den Aufzeichnungen eine "Skandalisierungskampagne" gegen Sobotka. Pilnacek habe schon im U-Ausschuss gesagt, dass es keine Beeinflussungen durch "Vertreter der Volkspartei" gegeben habe. Mit "dubiosen Inhalten", wie er die Mitschnitte nennt, beschäftige sich die ÖVP nicht.
Zu den Vorwürfen gegen Sobotka teilte der ÖVP-Generalsekretär gegenüber PULS 24 mit: "Wir verweisen auf die wörtlichen Protokolle der Befragungen von Pilnacek in den U-Ausschüssen." Dort habe Pilnacek immer alle Fragen nach ÖVP-Interventionsversuchen verneint.
Sobotka habe "niemals mit Christian Pilnacek zu laufenden Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen", teilte ein Sprecher des Nationalratspräsidenten gegenüber PULS 24 mit. "Er bleibt dementsprechend natürlich bei dem, was er im Untersuchungsausschuss unter Wahrheitsplicht gesagt hat. Auch der Verstorbene selbst hat das im Untersuchungsausschuss und unter Wahrheitspflicht bestätigt", so der Sprecher Sobotkas.
"Schockierend, aber leider nicht überraschend"
NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos spricht in einer Aussendung von "Machtmissbrauch, Druck und versuchter Einflussnahme auf die unabhängige Justiz". Dies füge der Demokratie "schwersten Schaden zu". Eine vollständige Aufklärung werde erwartet.
"Schockierend, aber leider nicht überraschend" kommen die Aussagen Pilnaceks für die SPÖ. Die "Enthüllungen" bestätigen für Finanzsprecher Jan Krainer, "was wir in zwei Untersuchungsausschüssen über den organisierten Machtmissbrauch des Systems ÖVP erfahren haben. Diese ÖVP ist immer noch die Kurz-ÖVP", schrieb er in einer Aussendung.
Grüne rechnen mit U-Ausschuss der Opposition
Der grüne Koalitionspartner reagierte behutsam. "Was das Tonband wieder einmal aufbringt ist, dass es früher offensichtlich ein Problem gegeben hat", meinte deren Generalsekretärin Olga Voglauer in einer schriftlichen Stellungnahme - "dass es immer wieder die Versuche gegeben hat, dass man Einfluss auf die Justiz nimmt".
Dies gehe, wie dies auch in der Aufnahme angedeutet werde, mindestens ein Jahrzehnt zurück. "Das ist nichts Neues", so Voglauer, aber: "Allein der Eindruck, dass das so gewesen sein könnte, ist Gift für eine Demokratie."
Die Frage nach Sobotka hätten die Grünen bereits vor einiger Zeit und beim Aufkommen verschiedenster Skandale rund um dessen Person beantwortet, meinte Voglauer außerdem. "Ich an seiner Stelle, und das haben in der Vergangenheit bereits verschiedene hochrangige Grüne gesagt, hätte sogar früher, schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen."
Jetzt gehe es um Aufklärung, so Voglauer, im Justizministerium würden Schritte geprüft, um die Vorgänge in den vergangenen Legislaturperioden sinnvoll zu durchleuchten. Die Grünen-Generalsekretärin geht auch davon aus, dass die Opposition einen Untersuchungsausschuss einrichten wird. "An diesem werden wir uns, in gewohnter Tradition, aktiv mit guter, sachlicher Aufklärungsarbeit beteiligen."
Pilnacek unter tragischen Umständen verstorben
Der einstmals mächtigste Justizbeamte der Republik, Christian Pilnacek, starb Ende Oktober unter tragischen Umständen. Er wurde zunächst während einer betrunkenen Geisterfahrt angehalten. Ihm wurde der Führerschein abgenommen. Anschließend wurde er abgeholt. Am nächsten Morgen wurde er tot aufgefunden. Die Behörden haben Fremdverschulden ausgeschlossen.
Konflikte mit der WKStA
Sein Clinch mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sorgte dafür, das Pilnacek zusehends ins Rampenlicht rückte. Mit dem mittlerweile legendären Satz "Setzts euch z'samm und daschlogts es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können" hatte er etwa Anklagevertreter aufgefordert, sich in der Eurofighter-Causa nicht mit keinen Erfolg versprechenden Ermittlungssträngen aufzuhalten und diese Teile einzustellen.
Es folgten diverse Vorwürfe, unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. 2021 wurde er suspendiert.
Zusammenfassung
- Auf Tonaufnahmen vom verstorbenen Sektionschef Christian Pilnacek ist zu hören, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und die ÖVP bei der Justiz intervenieren wollten.
- "In jedem Gespräch sagt der Sobotka, Du hast selber versagt, Du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat", ist Pilnacek in den Aufnahmen zu hören.
- Man habe vom ihm gefordert, Ermittlungen und Verfahren einzustellen. Er habe sich aber geweigert.
- Zu den Vorwürfen gegen Sobotka teilte der ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker gegenüber PULS 24 mit: "Wir verweisen auf die wörtlichen Protokolle der Befragungen von Pilnacek in den U-Ausschüssen."