Frankreich-Wahl: Wer, was und wie gewählt wird
Gerade einmal 15 Prozent holte das Lager von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der EU-Wahl Anfang Juni. Mit einem Erdrutschsieg gewann die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zog sofort Konsequenzen und löste das Parlament auf - noch vor dem offiziellen Ergebnis. Aber wählt er sich damit dann nicht selbst ab?
Nein, denn das politische System Frankreichs funktioniert anders. Es könnte dennoch gravierende Konsequenzen haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was wird in Frankreich gewählt?
In zwei Wahlgängen, am 30. Juni und am 7. Juli finden Parlamentswahlen statt. In Frankreich gibt es zwei Kammern: Die Nationalversammlung und den Senat.
Erstere wird direkt vom Volk gewählt, der Senat von einer Wahlversammlung, die sich aus Delegierten politischer Gremien zusammensetzt. Am Senat wird sich vorerst also nichts ändern.
Für jeden der 577 Wahlkreise in ganz Frankreich wird ein Abgeordneter gewählt, der in die Nationalversammlung entsandt wird.
Wenn in der ersten Runde niemand die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen und mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten erreicht, gibt es einen zweiten Wahlgang.
Dort treten nur noch Kandidat:innen an, die im ersten Wahlgang mindestens 12,5 Prozent der Stimmen bekommen haben. In jedem Fall kommen aber die zwei Kandidat:innen mit den meisten Stimmen in den zweiten und letzten Wahlgang. Kurios: Bei Stimmengleichheit gewinnt einfach der oder die Ältere.
- Mehr lesen: EU-Wahl-Desaster: Macron ruft Neuwahlen aus
Steht Macron zur Wahl?
Nein, weil es keine Präsidentschaftswahlen gibt. Anders als in Österreich hat der Präsident deutlich mehr Macht. Aber: Sein Einfluss und seine Handlungsfähigkeit stehen auf dem Spiel, wenn seine Partie - wie in Umfragen prognostiziert - deutlich verliert.
Macrons Wahlbündnis werden derzeit in den Umfragen 19,5 bis 22 Prozent vorausgesagt. 2017 holte sein Wahlbündnis noch rund 43 Prozent, damals unter dem Namen "La République en marche". 2022 als "Ensemble Citoyens" noch 25,7 Prozent.
Welche Parteien stehen zur Wahl?
Die französische Parteienlandschaft gilt als instabil und zersplittert. Immer wieder gibt es Neugründungen. Um die Chancen im Mehrheitswahlrecht zu erhöhen, gibt es viele Bündnisse.
- Die Partei Renaissance (RE) von Präsident Macron im nationalen Bündnis "Ensemble pour la République" (Gemeinsam für die Republik). Dazu zählen eine Reihe liberaler und zentristischer Parteien. Sie sind für die Pro-Europa-Politik Macrons.
- Das linke Bündnis "Nouveau Front Populaire" (NFP; Neue Volksfront) deckt zentristische, linke, grüne und linkspopulistische Politik ab.
- Ohne Bündnispartner geht das "Rassemblement National" (RN; Nationaler Zusammenschluss) von Marine Le Pen ins Rennen. Parteichef ist seit 2022 Jordan Bardella. Der RN vertritt rechtsnationale, EU-kritische und pro-russische Positionen.
- "Les Républicains" (LR; Die Republikaner) vertreten liberal-konservative Postionen. Sie setzen sich für eine gaullistische Politik ein (nach Charles de Gaulle, zentralistisch und national souverän, mit eigenständiger Außenpolitik, Anm.). Sie sind gegen Zugeständnisse an Renaissance oder den RN. Allerdings wollte Parteichef Éric Ciotti sehr wohl ein Rechtsbündnis mit der Partei von Le Pen, deshalb droht ihm ein Parteiausschluss.
Wie sieht es in den Umfragen aus?
Alle Umfrageinstitute sind sich einig - die Rechtsaußen-Partei von Marine Le Pen wird nach dem Sieg bei der EU-Wahl auch die Parlamentswahl gewinnen.
Wie geht es nach der Wahl mit Macron weiter?
Einige Experten glauben, dass sich doch noch eine Dynamik entwickeln könnte, die Macron hilft. So könnten sich einige gemäßigte Wähler:innen im zweiten Wahlgang doch noch für Macrons Bündnis entscheiden, sodass sich eventuell doch ein absoluter Wahlsieg ausginge.
Nach Meinung vieler Beobachter:innen hat sich Macron jedoch "verzockt". Die Rede ist auch von Respektlosigkeit gegenüber der Politik und des gesamten Landes. Im aktuellen Blitz-Wahlkampf, der nur drei Wochen dauert, herrscht Chaos. Auf Plakaten verzichtet das Macron-Bündnis auf sein Gesicht, wohl aus Angst, damit noch schlechter abzuschneiden.
Sollte die Partei von Le Pen mit einer absoluten Mehrheit gewinnen, müsste Macron RN-Spitzenkandidat Bardella zum Premierminister machen. Das könnte zur Gefahr für die EU werden. Einen "Frexit" strebt sie zwar nicht mehr an, allerdings soll die EU, geht es nach der Le-Pen-Partei eine "europäische Allianz souveräner Staaten" werden. Brüssel will sie unzähliger Kompetenzen beschneiden. Der Green Deal soll weg, Migration soll Sache der Nationalstaaten werden. Auch Schengen wie bisher lehnt sie ab.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass weder Macron noch Le Pen die absolute Mehrheit erzielen. Dann bliebe die Situation für Macron in etwa die gleiche, nur mit weniger Sitzen in der Nationalversammlung. So muss er sich für verschiedene Projekte verschiedene Partner suchen. Stabiler würde damit die politische Lage aber jedenfalls nicht.
Zusammenfassung
- Nach dem Desaster bei der EU-Wahl für das Lager von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zog er die Reißleine.
- Am Sonntag wird das Parlament neu gewählt. Dort droht ihm die nächste Wahlschlappe.
- Die wichtigsten Infos und die möglichen Konsequenzen.