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"Demokratie verteidigen": Die Rede, die Biden nie halten wollte

Weinende Mitarbeiter, ein nachdenklicher Präsident: Joe Biden erklärte seinen Rückzug aus dem Wahlkampf in einer TV-Ansprache. Es gehe darum, die Demokratie zu verteidigen und "die Fackel" an eine nächste Generation weiterzugeben, sagte er und sprach auch über seinen Werdegang und sein früheres Stotter-Problem.

Es war wohl die schwierigste Rede, die US-Präsident Joe Biden je halten musste. Sie ist im sichtlich nicht leicht gefallen und eigentlich wollte er sie ja auch nie halten.

Unverblümt gab der 81-Jährige in seiner Ansprache im Oval Office im Weißen Haus zu: "Ich glaube, dass meine Leistungen als Präsident, meine Führungsrolle in der Welt und meine Vision für die Zukunft Amerikas eine zweite Amtszeit verdient haben".

Biden will mit Rückzug "Demokratie verteidigen"

Dennoch gab er den Wahlkampf auf, um - vermutlich - Platz für Kamala Harris zu machen, die es nun statt Biden mit Donald Trump aufnehmen muss.

Weinende Mitarbeiter

In US-Medien heißt es, dass Bidens Berater ihn letztlich mit Umfrageergebnissen konfrontiert hätten, nach denen die Demokraten bei der Wahl im November in Staaten verloren hätten, die ihnen eigentlich sicher sind. Vorangegangen war eine Debatte über sein Alter und seinen Gesundheitszustand - auch nach einem desaströsen TV-Duell gegen Trump.

Die Umfragen sollen Biden schließlich zum Umdenken bewegt haben. In einem TV-Interview vor einigen Wochen hatte er noch gesagt, nur Gott könne ihn zum Rückzug bewegen. Nun waren es wohl doch nackte Zahlen. 

Zunächst gab Biden seinen Rückzug ungewöhnlicher Weise via Twitter bekannt - nun erklärte er sich erstmals in einer Rede. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versammelten sich im Weißen Haus, um ihm zuzuhören. Unter den Angestellten sollen Medien zufolge Tränen geflossen sein, am Ende habe es großen Applaus gegeben. Auch Bidens Familie war zugegen. 

"Verteidigung der Demokratie"

In der Rede begründete der US-Präsident seinen Rückzug nun mit der "Verteidigung der Demokratie". Diese sei "wichtiger als jeder Titel". Er habe entschieden, dass der beste Weg nach vorne darin bestehe, die "Fackel an eine neue Generation" weiterzugeben und so die Nation zu vereinen, so der 81-Jährige und kündigte an, sich nun ganz seinen Aufgaben als Präsident widmen zu wollen.

USA: Wahlkampf nimmt Fahrt auf

Er schöpfe Kraft daraus und finde Freude daran, für das amerikanische Volk zu arbeiten. Aber dabei ginge es nicht um ihn, so der Demokrat. "Es geht um Sie. Um Ihre Familien. Ihre Zukunft." Es sei Zeit "für neue Stimmen, frische Stimmen, ja, jüngere Stimmen", sagte Biden. Diese Zeit sei jetzt gekommen. "Nichts kann der Rettung unserer Demokratie im Wege stehen, auch nicht persönlicher Ehrgeiz", betonte er. In den vergangenen Wochen sei ihm klar geworden, dass er seine Partei vereinen müsse, so der Demokrat. 

"Das Volk regiert"

Die Nation stehe vor einer entscheidenden Wahl zwischen Hoffnung und Hass. "In Amerika herrschen keine Könige oder Diktatoren. Das Volk regiert. Die Geschichte liegt in Ihren Händen. Die Macht liegt in Ihren Händen", sagte der US-Präsident. Erneut bekräftigte Biden seine Unterstützung für Vizepräsidentin Kamala Harris.

Nach seinem Rückzug aus dem aktuellen Wahlkampf will sich Biden ganz seinem Amt im Weißen Haus widmen. "In den nächsten sechs Monaten werde ich mich darauf konzentrieren, meine Aufgabe als Präsident zu erfüllen", sagte der Demokrat. Er forderte eine Reform des Supreme Court, ohne Details zu nennen.

Außenpolitisch bekräftigte er die weitere Unterstützung für die Ukraine und sein Engagement für ein Ende des Krieges in Gaza. Er werde weiter gegen die Klimakrise ankämpfen und die NATO zusammenhalten. Zudem wolle er weiter daran arbeiten, die Preise für Verbraucher zu senken, die Wirtschaft anzukurbeln, persönliche Freiheitsrechte und Bürgerrechte zu verteidigen.

"Das ist es, was Amerika so besonders macht"

Biden schlug in seiner Ansprache nachdenkliche Töne an. "Es ist das Privileg meines Lebens, dieser Nation seit über 50 Jahren zu dienen", sagte er. Nirgendwo sonst auf der Welt könne ein Kind mit einem Stotter-Problem aus bescheidenen Verhältnissen zum höchsten Amt im Staat aufrücken. "Hier bin ich nun. Das ist es, was Amerika so besonders macht", sagte Biden.

"Wir sind eine Nation der Verheißungen und Möglichkeiten, der Träumer und Macher, der gewöhnlichen Amerikaner, die außergewöhnliche Dinge tun." Er habe sein Herz und seine Seele in den Dienst der Nation gestellt, wie so viele andere. Im Gegenzug sei er gesegnet worden mit der Liebe und Unterstützung des amerikanischen Volkes. "Ich hoffe, Sie haben eine Vorstellung davon, wie dankbar ich Ihnen allen bin."

Reden zur besten Sendezeit aus dem Oval Office sind krisenhaften Momenten und großen Zäsuren im Land vorbehalten. Es war die vierte Ansprache dieser Art in Bidens Amtszeit seit Jänner 2021. Zuletzt hatte er sich zehn Tage zuvor nach dem Attentat auf seinen Amtsvorgänger und langjährigen politischen Kontrahenten Trump auf diese Weise an die Nation gewandt. Auch das veranschaulicht, wie sehr der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf mit seinen dramatischen Wenden hervorsticht.

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ribbon Zusammenfassung
  • Joe Biden hat seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen mit der Verteidigung der Demokratie begründet und betont, dass Einheit und neue Stimmen notwendig sind.
  • Er unterstützt Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin gegen Donald Trump und plant, sich auf seine Aufgaben als Präsident zu konzentrieren.
  • Biden möchte Reformen im Supreme Court, Unterstützung für die Ukraine, den Kampf gegen die Klimakrise und die Senkung der Verbraucherpreise vorantreiben.
  • Die Rede fand im Oval Office statt und war eine der wichtigsten Ansprachen seiner Amtszeit, wobei Umfrageergebnisse ihn letztlich zum Rückzug bewegten.
  • Bidens Familie und Mitarbeiter unterstützten ihn emotional während der Rede, und er äußerte sich dankbar für die Unterstützung des amerikanischen Volkes.