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Finanzcausa der Grazer FPÖ in Sondersitzung des Gemeinderats

Der Grazer Gemeinderat hat nach rund drei Jahren Ermittlungen die Malversationen bei den Finanzen des früheren FPÖ-Gemeinderatsklubs in einer Sondersitzung diskutiert. Während NEOS unter anderem Transparenz und eine gänzliche Abschaffung der sogenannten Verfügungsmittel forderten, nutzte KFG-Klubobmann Alexis Pascuttini seine Rede für eine Rückschau auf den "Skandal mit vielen Ebenen" und richtete dem früheren Grazer FPÖ-Chef Mario Eustacchio aus: "Halten Sie uns für blöd?"

NEOS-Gemeinderat Philipp Pointner hatte den Antrag für die Sondersitzung gestellt und leitete deswegen die Diskussionsrunde ein: "Der Skandal schwebt wie eine ständige düstere Wolke über dem Gemeinderat. Was von der Staatsanwaltschaft aufgearbeitet wird, ist auch der Umgang mit Transparenz und Steuergeld." Die Transparenz werde von den ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ auf Landesebene verhindert, denn dort sei die von Graz gestellte Petition, das sogenannte Grazer Transparenzpaket, "versenkt" worden. "Politisch ist das ein abgekartetes Spiel", so Pointner. Er wolle den Druck auf das Land erhöhen und die Überarbeitung der Klubförderrichtlinien und die Abschaffung der Verfügungsmittel erneut in den Landtag zur Abstimmung bringen: "Weg damit. Die Parteien bekommen mehr als genug Geld aus Parteien- und Klubförderung."

Der Umgang von Eustacchio mit diesen Verfügungsmitteln, dem "Transcherlgeld" wie Pointner sagte, habe nämlich "das Fass zum Überlaufen gebracht". Auf seinem Konto seien Ausgaben für "Bewirtung, Buchungen mit Chamonix, Hochzeit Kunasek und Reisen für Amtsleiter" zu finden. Laut Pointner müsse man sich die Frage stellen: "Braucht es neben der üppigen Parteien- und Klubförderung ein zusätzliches Spesenkonto für Mitglieder des Stadtsenats, die Klubobleute oder für hohe Ämter in der Verwaltung, das unkontrollierbar ist und alles ermöglicht, was vorstellbar ist, ohne Transparenz und Kontrolle?" Die Verfügungsmittel seien ein "Relikt aus vergangener Zeit für Politik-Dinosaurier". Statt daran festzuhalten, sollten sich die Stadtregierung um klare Förderungen bemühen und etwa auch die Klubgelder halbieren, denn "wenn ich mir mein Faschingskostüm nicht privat kaufen möchte, sollte ich besser zu Hause bleiben und den Fernseher aufdrehen".

KFG-Obmann Pascuttini sprach vor allem Eustacchio an und blickte im Sitzungssaal zu ihm: "Du bist der Antragsgrund." Wenn Eustacchio behaupte, dass er - wie er sagt - von den Malversationen in seinem Klub nichts mitbekommen habe, dann frage sich Pascuttini, ob Eustacchio denn "alle für blöd hält". Dieser sei zwar kein verurteilter Straftäter, betonte Pascuttini, aber er appellierte an den "moralischen Kompass" als Politiker.

Pascuttini kritisierte, dass es sich bei der Causa FPÖ Graz-Finanzen auch um einen "Justizskandal" handle und nannte dabei unter anderem ein Tonband mit einem heimlich aufgezeichneten Gespräch an einem Würstelstand, das von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zunächst nicht sichergestellt worden war. In diesem soll der ehemalige Finanzreferent des FPÖ Graz-Klubs, Matthias Eder, er hatte im Herbst 2021 eine Selbstanzeige erstattet, laut Medienberichten gesagt haben: "Natürlich war ich das nicht allein. Wie soll ich allein 700.000 Euro gefladert haben? Wer glaubt das?" Das Tonband wurde mittlerweile über Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft sichergestellt. Illegal aufgezeichnet hat das Tonband Pascuttini. Er verteidigte sein Vorgehen: "Wenn jemand bei mir eine Straftat gesteht, werde ich immer mitschneiden. Der Zweck heiligt in solchen Fällen die Mittel."

Der einzige verbliebene FPÖ-Gemeinderat Günter Wagner brachte sich ebenfalls in die Diskussion ein: Die FPÖ werde sich nicht verschließen, wenn es um neue Transparenzregeln geht, und "wenn es wo Missstände gab, soll es lückenlose Aufklärung geben". Der Unschuldsvermutung komme aber hoher Stellenwert zu. Er bat um "keine Vorverurteilungen, vor allem vor Wahltagen".

Letztlich ging auch Eustacchio selbst ans Rednerpult: "Es kommt also zufällig zehn Tage vor der steirischen Landtagswahl zur Sondersitzung. Die Bühne wurde gesucht, die Bühne wurde gewährt." Er kritisierte, dass er zu all den "Vorverurteilungen" erst nach zweieinhalb Jahren befragt worden sei. Bezüglich der an die Öffentlichkeit gelangten Buchungszeilen stellte er klar: "Das war kein Spesenkonto, sondern ein normales Girokonto - mein ehemaliges Stadtratskonto. Die Unterlagen wurden zum Zwecke der Beschneidung meiner Beschuldigtenrechte aus dem Akt entnommen und an diverse Medien weitergegeben. Nun erfolgte eine Be- und Verurteilung sowie Bewertung dieser Ausgaben, subjektiv und ohne Kenntnisse der Hintergründe."

Eustacchio erklärte weiter, dass auf seinem Stadtratskonto nicht nur Verfügungsmittel waren, sondern auch Gelder einlangten, die er von der Partei für seine Aufgaben als FPÖ-Stadtparteiobmann erhalten hat: "Also es wurden Äpfel mit Birnen verglichen." Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) warf daraufhin ein, dass man dann zwei Konten dafür haben müsste, woraufhin Eustacchio antwortete: "Das mag sein, im Nachhinein ist man immer gescheiter." Der ehemalige Vizebürgermeister meinte, dass beispielsweise die Ausgaben für Chamonix nicht aus städtischen Mittel beglichen wurden, eine Reise zu einer Messe nach München dagegen schon. "Die Trennung wurde von mir vorgenommen und niemand hat das zu interpretieren, der nichts weiß."

Am Ende legte Eustacchio dar, dass ein von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt in Auftrag gegebenes Gutachten seit Dienstag vorliege: "Zum Abschluss die Botschaft des Tages von mir - der Schlusssatz des Gutachters: 'In Summe ist daher davon auszugehen, dass die Herrn Mario Eustacchio zur Verfügung stehenden Mittel bestimmungsgemäß verwendet wurden.' Ich glaube, das sagt alles aus." Pascuttini erwiderte daraufhin, dass in dem Gutachten nur überprüft worden sei, ob die Summen stimmen, nicht wofür die Buchungen waren.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt bestätigte auf APA-Nachfrage, dass das Gutachten nun vorliegt, gab Details dazu allerdings nicht bekannt. Zudem obliege die rechtliche Beurteilung der Inhalte des Gutachtens der Staatsanwaltschaft. Die Ergebnisse des Gutachtens würden nun geprüft und werden in den Akt eingearbeitet. Ein Vorhabensbericht sei weiterhin noch nicht absehbar.

Am Ende der Debatte im Grazer Gemeinderat legte Pascuttini Eustacchio den Rücktritt als Gemeinderat nahe: "Wenn es dir hier nur um das Geld geht: Lege das Mandat zurück, ich zahle es dir privat." Der Grüne Klubobmann Karl Dreisiebner fügte in Richtung des ehemaligen blauen Vizebürgermeisters hinzu: "Ja, es gibt Listen, nach denen man ein Mandat annehmen kann. Aber wen glaubst du in deiner Position als Gemeinderat zu vertreten? Vielleicht stellst du dir heute oder morgen die Frage einmal."

Der von NEOS-Gemeinderat Pointner gestellte Antrag fand letztlich keine Mehrheit. Die KPÖ-geführte Stadtregierung will einen eigenen Vorschlag im Dezember vorlegen - allerdings wieder mit Verfügungsmitteln.

Bei der Grazer FPÖ war 2021 kurz nach der Wahlschlappe der Partei bei der Gemeinderatswahl bekannt geworden, dass Gelder aus der städtischen Klubförderung offenbar im großen Stil abgezweigt worden waren. Nach der Selbstanzeige von Finanzreferent Eder kam auf, dass auch der ehemalige Vizebürgermeister Eustacchio sowie der frühere Klubchef Armin Sippel verwickelt sein könnten. Beide traten von ihren Funktionen zurück und gegen beide wird seither von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt. Eustacchio ist mittlerweile als "wilder" Gemeinderat wieder zurück im Stadtparlament. Der Klub der Grazer FPÖ zerbröselte: Pascuttini und Claudia Schönbacher sowie andere Blaue wurden aus der FPÖ ausgeschlossen und gründeten den (Korruptions)- Freien Gemeinderatsklub (KFG). Andere Mitglieder verließen die FPÖ, teils wegen anderer Ermittlungen. Übrig blieb mit Wagner nur noch ein FPÖ-Gemeinderat im Stadtparlament.

Nach der Selbstanzeige von Eder und dem politischen Beben in der Grazer FPÖ folgten anonyme Anzeigen, unzählige weitere Ermittlungsstränge (unter anderem gegen den FPÖ-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 24. November Mario Kunasek; Anm.), Gutachten und auch ein Wechsel des Falls innerhalb der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Es liegt aber nach rund drei Jahren weder ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft vor, noch sind wesentliche Ermittlungsverfahren eingestellt. Dafür gab es vor wenigen Wochen Medienberichte über die mutmaßliche Verwendung von Verfügungsmitteln, die mit Steuergeld finanziert werden: So soll etwa Eustacchio, damals noch FPÖ-Mitglied, Buchungen mit dem Titel "Chamonix", "Hochzeit Kunasek", "Faschingskostüme" und "Vakuumpumpe" gelistet haben. Diese zählte Pascuttini in der Sondersitzung in Ausschnitten auf.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Grazer Gemeinderat diskutierte in einer Sondersitzung die Malversationen des früheren FPÖ-Gemeinderatsklubs, die seit drei Jahren untersucht werden.
  • NEOS forderte mehr Transparenz und die Abschaffung der Verfügungsmittel, während KFG-Obmann Pascuttini Eustacchio für seine Rolle im Skandal kritisierte.
  • Ein Tonband, das von Pascuttini illegal aufgenommen wurde, spielt eine zentrale Rolle, da es die Veruntreuung von 700.000 Euro thematisiert.
  • Eustacchio verteidigte sich und erklärte, dass die Mittel bestimmungsgemäß verwendet wurden, obwohl die KPÖ-geführte Stadtregierung einen eigenen Vorschlag zur Verfügungsmittelregelung plant.
  • Der Antrag von NEOS fand keine Mehrheit, und die Diskussion fand kurz vor der steirischen Landtagswahl statt, was Eustacchio als inszeniert kritisierte.