EU-Konzepte zur Migration "kann man vergessen"
Angesichts der hohen Zahl an ankommenden Migranten bleibt die Lage auf der süditalienischen Insel Lampedusa angespannt. Über 9.000 Menschen sind seit Montag auf der Insel gelandet. Rund 3.000 Personen verließen zwar am Donnerstag die Insel in Richtung Sizilien und dem italienischen Festland wieder - es spielen sich aber nach wie vor teils chaotische Szenen ab.
Heftige Kritik daran gibt es dazu bei "WildUmstritten" auf PULS 24. Es sei "ein Skandal, dass wir Italien mit dem Problem alleine lassen", kommentierte Kommunikationsberater Gerald Gerstbauer die Situation. Man könne nicht einfach sagen: "Die werden das schon irgendwie hinkriegen".
Sofortmaßnahmen helfen nicht
"Jetzt akut brennt das Haus, wenn sie so wollen. Da muss man Wege und Mittel finden, wie man das löschen kann", sagte dazu der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP). Doch Sofortmaßnahmen würden für die Zukunft nichts bringen. Die EU müsse sich "neue, erweitere Wege einfallen lassen".
Die Szenen von tausenden Flüchtlingen auf Lampedusa sind keine Momentaufnahme, die profil-Journalistin Eva Linsinger feststellt. Es sei "ein Moment, der leider schon Jahrzehnte andauert". Seit den 90er-Jahren gelinge es der EU nicht, eine gemeinsame Asylstrategie umzusetzen.
EU zerfällt zu Einzelstaaten
Viel mehr komme es derzeit zu einer "Entsolidarisierung", da immer mehr EU-Mitgliedsstaaten überlegen, ihre Grenzen zu schließen. "Statt zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, zerfällt die EU eher zu Einzelstaaten", so Linsinger. Dabei brauche es gerade in der Migrationsfrage die EU, denn "das ist so ein großes Thema, das kann kein Nationalstaat lösen".
Fischler sieht derzeit vor allem eines: "Hilflosigkeit". Denn weder Brüssel noch die Mitgliedsstaaten hätten ein "brauchbares Konzept", um mit diesen Flüchtlingsströmen umzugehen. Das müsse aber dringend her. Denn was man derzeit sehe, sei "erst den Anfang", meinte Linsinger. Fischler stimmte zu: in drei, vier Jahren würde man sagen: "Das war ja ein Lercherl, gegen das, was wir jetzt feststellen".
"Diese Konzepte kann man vergessen"
Um mit der Migration umzugehen, "versagen die bisherigen Regeln", kritisierte der ehemalige EU-Kommissar. Das Dublin-Abkommen, das die Asylanträge in der EU regelt, sei gemacht worden, "um zu verhindern, dass Flüchtlinge kommen", nicht um ein vernünftiges Management zu kreieren. "Diese Konzepte kann man vergessen", so Fischler.
Um die Situation zu verbessern, hätte er einen Vorschlag: "Ich wäre schon zufrieden, wenn die anderen Staaten - wenn sie schon keine Flüchtlinge aufnehmen - zahlen. Das wäre schon ein richtiger und guter Schritt nach vorne".
Fehlende Entwicklungshilfe
Was allen vor allem fehle, sei gezielte Entwicklungshilfe in Afrika, um den Migrationsdruck zu senken und den Menschen schon vor Ort eine Perspektive zu bieten, sind sich alle einig. Gerade nach den schwerwiegenden Unwettern in Libyen und dem Erdbeben in Marokko brauche es "dort ein Wiederaufbauprogramm", das "zum Großteil von der EU finanziert werden müsste", sagte Fischler. Damit würden weniger Menschen eine lebensbedrohliche Flucht über das Mittelmeer auf sich nehmen müssen.
Auch unabhängig von Naturkatastrophen forderte Fischler einen Entwicklungsplan für Afrika, "der vor allem über die Wirtschaft läuft". Es brauche europäische Investoren, damit die "vielen jungen Leute einen Job finden". Dabei sieht er "schwerwiegende Fehler" Europas. Es sei "geradezu absurd", dass Europa es nicht schaffe, vernünftige Investitionsstrategien umzusetzen.
Gerstbauer fordert neben Investitionen in Afrika auch gezielte Arbeitsmigration "nach ganz bestimmten Kriterien". Im Moment gebe es keine vernünftige Möglichkeit zur "kontrollierten Einwanderung für qualifizierte Fachkräfte". Zwar gebe es die Rot-Weiß-Rot-Card in Österreich. Der Antrag dafür aus einem afrikanischen Land heraus sei aber kaum umsetzbar.
Zusammenfassung
- Über 9.000 Menschen sind seit Montag auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet.
- Heftige Kritik am Vorgehen der EU gibt es dazu bei "WildUmstritten" auf PULS 24.
- "Jetzt akut brennt das Haus, wenn sie so wollen. Da muss man Wege und Mittel finden, wie man das löschen kann", sagte dazu der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP).
- Um mit der Migration umzugehen, "versagen die bisherigen Regeln", kritisierte der ehemalige EU-Kommissar.
- Fischler forderte einen Entwicklungsplan für Afrika "der vor allem über die Wirtschaft läuft". Es brauche europäische Investoren, damit die "vielen jungen Leute einen Job finden".