EU-Außen- und Verteidigungsminister treffen sich in Prag
Im Mittelpunkt der Gespräche der EU-Staaten ab Dienstag in der tschechischen Hauptstadt Prag steht der anhaltende Ukraine-Krieg. Am Vormittag beraten zunächst die EU-Verteidigungsminister, darunter Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP), über eine militärische Ausbildungsmission für die Ukraine. Am Nachmittag diskutiert Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) dann mit seinen EU-Amtskollegen über eine mögliche Visasperre für Russen.
Den Auftakt machten in der Früh die EU-Verteidigungsminister. Nach Angaben von Tanner wird heute "sehr intensiv diskutiert", ob es überhaupt eine militärische EU-Ausbildungsmission für die Ukraine geben könne. Die Verteidigungsministerin verwies dabei auf Rechtsgrundlagen sowie Inhalt und Umfang der Mission. Für Österreich stellten sich zusätzlich "neutralitätsrechtliche Fragen", betonte Tanner vor den Gesprächen. Die Frage, ob sie für diese Trainingsmission österreichische Soldaten in die Ukraine schicken will, beantwortet sie mit einem klaren "Nein".
EU-Außenbeauftragte Borrell: Grünes Licht für militärisches Ausbildungsprogramm
Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, der Österreicher Robert Brieger, sagte hingegen, dass eine Entscheidung lediglich Frage eines gemeinsamen politischen Willens sei. "Es scheint so zu sein, dass es im Rahmen des EU-Vertrages Möglichkeiten gibt, auch auf europäischem Boden eine solche Unterstützungs- und Trainingsmission zu etablieren", sagte der General.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rechnet mit grünem Licht für ein militärisches Ausbildungsprogramm der Europäischen Union für die Ukraine, wie er vor Beginn des Treffens sagte. Auch die tschechische Verteidigungsministerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende Jana Cernochova warb für eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine.
Bausch: "Können nicht monatelang diskutieren"
"Es ist klar, dass es eine stärkere Koordinierung der Maßnahmen der Ausbildung, aber auch der Unterstützung allgemein braucht", sagte die deutsche Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller. Positiv zu einer EU-Ausbildungsmission äußerten sich zudem die Minister der Slowakei, der Niederlande und Finnlands.
Der luxemburgische Verteidigungsminister François Bausch warb für Tempo und dafür, der EU im Zweifelsfall nur eine Koordinierungsrolle zu geben. "Wir können jetzt ja nicht monatelang diskutieren, wie wir die Soldaten trainieren sollen", sagte er. "Das muss schnell geschehen. Schnelle Hilfe, effiziente Hilfe das ist das Wichtigste." Borrells Pläne erfordern Einstimmigkeit bei den EU-Staaten.
Beschaffung von Militärgütern
Der Vorschlag des deutschen Kanzlers Olaf Scholz, gemeinsam mit europäischen Nachbarn ein neues Luftverteidigungssystem aufzubauen, sei aus "europäischer Sicht zu begrüßen", sagte Tanner. Österreich sei nicht unter den Ländern, die bis dato angefragt wurden - "das konzentriert sich aus durchaus nachvollziehbaren Gründen" auf Nord- und Ostsee. Außerdem, so die Verteidigungsministerin weiter, habe Österreich "als neutrales Land auch Schranken, weil wir für unseren Luftraum selbst sorgen müssen".
Auch Thema der EU-Verteidigungsminister ist die gemeinsame Beschaffung von Militärgütern. Hier pochte Tanner auf Transparenz und warnte vor einem innereuropäischen Kampf. Als positives Beispiel hob sie den gemeinsamen Kauf der Hubschrauber des Typ Leonardo AW-169 mit Italien hervor.
Paris, Berlin und Wien gegen Visa-Stopp
Die EU-Außenminister beginnen ihre Sitzung am Nachmittag zu einer möglichen Visasperre für Russen. Länder wie Polen, Tschechien, die baltischen Staaten oder auch nordische Länder wie Finnland und Dänemark fordern eine Aussetzung der Visavergabe an russische Staatsbürger oder haben die Einreise bereits teilweise beschränkt. Österreich dagegen lehnt ähnlich wie Deutschland und Frankreich generelle Einreisebeschränkungen für Russen ab und hält dies für "kontraproduktiv".
Gemeinsames Positionspapier von Berlin und Paris
Berlin und Paris legten im Vorfeld des Treffens ein gemeinsames Positionspapier vor. "Wir sollten über kluge Wege nachdenken, um den wichtigen Hebel der Visaerteilung zu nutzen", heißt es in einem an die anderen Mitgliedstaaten verschickten Schreiben zum Außenministertreffen. Anträge russischer Staatsangehöriger sollten auf mögliche Sicherheitsrisiken genau geprüft werden. Gleichzeitig gelte, dass man den Einfluss, der von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens in Demokratien ausgehen kann, nicht unterschätzen sollte. Dies beziehe sich insbesondere auf künftige Generationen.
"Unsere Visapolitik sollte dies widerspiegeln und weiterhin in der EU zwischenmenschliche Kontakte zu russischen Staatsangehörigen ermöglichen, die nicht mit der russischen Regierung in Verbindung stehen", heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Man wolle daher einen Rechtsrahmen beibehalten, der insbesondere Studenten, Künstlern, Wissenschaftern, Fachkräften die Einreise in die EU ermögliche - unabhängig davon, ob ihnen eine politisch Verfolgung drohen könnte.
"Rally around the flag"-Effekten vermeiden
Vor weitreichenden Einschränkungen der Visapolitik warne man. Es gelte zu verhindern, dass das russische Narrativ gefüttert werde und dass es zu einer Entfremdung zukünftiger Generation komme. Zudem könnte es demnach zu sogenannten "Rally around the flag"-Effekten kommen. Darunter wird verstanden, dass Bürger teilweise dazu neigen, sich bei Angriffen und Provokationen von außen geeint hinter ihre Führung zu stellen.
Visa-Vergabe erschweren
Als wahrscheinlich galt zuletzt, dass in einem ersten Schritt das noch bestehende Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Ausstellung von Visa vollständig ausgesetzt wird. Dieser Schritt würde die Kosten und den Aufwand für Antragsteller deutlich erhöhen und er könnte es EU-Staaten erlauben, die Visa-Vergabe für den Schengen-Raum deutlich einzuschränken. Bisher wurde das Abkommen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offiziell nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten außer Kraft gesetzt.
Sechs Monate nach dem EU-Afrika-Gipfel wollen die EU-Außenminister bei ihrem bis Mittwoch dauernden informellen Treffen außerdem eine Bestandsaufnahme der Beziehungen durchführen. Der Krieg in der Ukraine hat direkte Folgen für Afrika, viele Staaten sind massiv abhängig von Weizenimporten aus der Ukraine. Russland setzt dabei auf die Narrative, dass die westlichen Sanktionen verantwortlich für die Lebensmittelknappheit seien. Dem will die EU nun gegensteuern.
Zusammenfassung
- Der anhaltende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine steht im Mittelpunkt der Gespräche der EU-Staaten ab Dienstag in der tschechischen Hauptstadt Prag.
- Am Vormittag beraten zunächst die EU-Verteidigungsminister, darunter Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP), über eine militärische Ausbildungsmission für die Ukraine.
- Russland setzt dabei auf die Narrative, dass die westlichen Sanktionen verantwortlich für die Lebensmittelknappheit seien.