Elvira Nabiullina: Putins oberste Wirtschaftskriegerin wider Willen
Als der Westen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine nahezu nie dagewesene Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschloss, schien es, als würde die russische Wirtschaft bald am Boden sein. Der Westen setzte sich zum Ziel, die russische Wirtschaft mit Sanktionen derart niederzuringen, dass eine Fortführung des Angriffskrieges nicht mehr möglich sei.
Dieses Sanktionsziel ist zumindest vorerst gescheitert. Zwei Monate nach Beginn des Krieges ist der russische Rubel - nach einem drastischen, aber kurzen Kurseinbruch Anfang März - wieder so stabil wie vor dem Krieg. Verantwortlich dafür ist die Geldpolitik von Russlands Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina.
Zinspolitik und Rubelgeschäfte
Zu Beginn des Krieges hob die russische Zentralbank den Leitzins mit einem Schlag von 9,5 Prozent auf 20 Prozent an. Dadurch wird die Inflation gestoppt, Kredite für Investitionen werden aber teurer. Das wirkte - sogar so gut, dass der Leitzins inzwischen wieder auf 17 Prozent gesenkt wurde. Auch die russische Strategie, sich Gaslieferungen in Rubel bezahlen zu lassen, geht auf die 58-Jährige zurück, ebenso die Rückzahlung von Dollar-Anleihen in der eigenen Währung.
Mehr dazu
Bereits vor dem Krieg sparte Russland große Devisen-Reserven an, wohl auch eine Maßnahme gegen künftige Sanktionen wie sie nach der Krim-Annexion verhängt wurden. All diese Maßnahmen haben den unmittelbaren Zusammenbruch der russischen Wirtschaft vorerst verhindert. Das war wohl auch die Vorgabe Putins: der russischen Armee Zeit für eine militärische Entscheidung zu verschaffen.
Diesen Auftrag erfüllte die 58-Jährige angesichts der Tatsache, dass sie dem Vernehmen nach von der russischen Invasion überrascht war, bisher mir Bravour - sehr zum Bedauern des Westens.
Putin vertraut seit Jahren auf Nabiullina
Russlands Machthaber Wladimir Putin - selbst in Wirtschaftsfragen unerfahren - vertraut seit Jahren auf die wirtschaftliche Expertise der promovierten Wirtschafswissenschaftlerin. So gelang ihr als Frau eine steile Karriere an die Spitze der Zentralbank, eine Seltenheit in der ansonsten männlich dominierten russischen Wirtschaftswelt.
Nabiullina wurde 1963 in eine tatarische Familie aus einfachen Verhältnissen in der Sowjetunion geboren. Ihr Vater war Kraftfahrer, die Mutter Arbeiterin. 1986 promovierte sie im Studienfach Wirtschaft an der staatlichen Universität Moskau. Bereits von 1994 bis 1998 war sie im Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel tätig.
Nach einem Zwischenspiel bei der staatlichen Sberbank kam sie im Jahr 2000, ein Jahr nachdem Putin Premierminister geworden war, wieder ins Ministerium zurück. Ab 2007 war sie Wirtschafts- und Handelsministerin. Von 2012 bis 2013 unterstützte sie Putin als wirtschaftspolitische Beraterin, bevor dieser sie 2013 überraschend zur Präsidentin der russischen Zentralbank machte. Sie ist die erste Frau an der Spitze der Zentralbank eines G8-Staates.
Dort leistete sie seitdem gute Arbeit, wie ihr auch von vielen Ökonomen im Westen bescheinigt wird. Auch dies kam für viele anfangs überraschend, da man zunächst vermutete, sie sei nur eine Marionette Putins. Der ließ ihr allerdings freie Hand. 2019 wurde Nabiullina vom US-Magazin Forbes auf Platz 53 unter den mächtigsten Frauen der Welt gewählt.
Gerüchte über Zerwürfnis
Im März war in westlichen Medien wie "Bloomberg" oder dem "Wall Street Journal" zu lesen, dass Nabiullina eigentlich von ihrem Amt zurücktreten wolle, da der Angriffskrieg die russische Wirtschaft mittel- bis langfristig ruinieren werde. Doch Putin hielt an ihr fest und nominierte sie Ende März für eine weitere Amtszeit als Zentralbank-Chefin. Nabiullina folgte dem Ruf und blieb. Seitdem wurde sie auch persönlich Ziel westlicher Wirtschaftssanktionen.
Nabiullina gilt als wirtschaftsliberal. Das größte Ziel ihres bisherigen Wirkens als Ministerin und Zentralbankchefin war die Einbindung Russlands in die globale Wirtschaftsordnung. Angesichts der harten Sanktionen aufgrund des Krieges steht sie nun allerdings vor den Trümmern ihres jahrelangen Bemühens.
Zusammenfassung
- Trotz scharfer Sanktionen des Westens ist die russische Währung aktuell wieder stabil und ermöglicht Kremlchef Putin, weiterhin seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu führen. Verantwortlich dafür ist die russische Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina.