Die wichtigsten Fragen und Antworten: Ist Causa Kurz mit Ibiza vergleichbar?
Die aktuellen Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Kanzler Kurz, rund ein Dutzend seiner engsten Vertrauten und die ÖVP führten am Mittwoch zu mehreren aufsehenerregenden Hausdurchsuchungen und in Folge zur jetzigen Regierungskrise. Es ist die zweite dieser Art nach der Ibiza-Affäre rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Sind die Vorwürfe mit der Ibiza-Affäre vergleichbar?
Die Vorwürfe gegen Kanzler Kurz sind jedoch weit brisanter als jene gegen Ex-FPÖ-Chef Strache. Während Strache im Ibiza-Video Pläne für seine spätere Zeit als Regierungsmitglied ausbreitete, geht es bei Kanzler Kurz um Untreue und Bestechlichkeit in seiner Zeit als Amtsträger der Republik - er war damals Außenminister. Es geht also nicht um Pläne für mögliche Straftaten sondern um Straftaten, die in der Amtszeit begangen wurden.
Sowohl für Strache als auch für Kurz gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen sind in beiden Fällen noch lange nicht abgeschlossen.
Was ist mit Untreue gemeint?
Der Straftatbestand der Untreue (§ 153) ist dann gegeben, wenn eine Person bevollmächtigt wurde, über fremdes Vermögen zu verfügen und diese Vollmacht bewusst missbraucht, um sich selbst oder Dritte zu bereichern bzw. sich einen Vorteil zu verschaffen. Das Strafmaß liegt bei einer Schadenssumme über 300.000 Euro bei einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.
Im konkreten Fall geht es dabei um rund 1,3 Millionen Euro Steuergeld, das dem Finanzministerium zur Verfügung stand. Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, soll durch überhöhte Scheinrechnungen des Marktforschungsinstitut der Meinungsforscherin und damaligen Ministerin Sophie Karmasin manipulierte Umfragen für Sebastian Kurz finanziert haben.
Außerdem sollen ebenfalls mit Steuergeld aus dem Finanzministerium Inserate in der Zeitung "Österreich" gebucht sein sollen. Dafür soll deren Herausgeber Wolfgang Fellner die manipulierte Pro-Kurz-Umfragen veröffentlicht haben. Medien veröffentlichen üblicherweise keine Umfragen, die von Parteien in Auftrag gegeben wurden, sondern geben eigene in Auftrag.
Diese Inserate im Auftrag des Finanzministeriums sollten damit nicht Interessen des Ministeriums oder der Republik gedient haben, sondern den Interessen des damaligen Außenministers Kurz.
Warum hat Kurz das über das Finanzministerium finanziert?
Kurz war damals Außenminister, aber noch nicht Parteichef, daher hatte er kein Parteibudget für Umfragen und Inserate. Er hatte zwar das Budget des Außenministeriums zur Verfügung, das dürfte aber wohl nicht ausreichend gewesen sein.
In einem Chat aus dem Jahr 2016, der bereits im Frühjahr bekannt wurde, hat Schmid seinem Vertrauten Kurz verkündet, dass er ihm ein größeres Ministeriumsbudget verschafft habe. Schmid schrieb damals auch an Gernot Blümel (damals ÖVP-Landesparteichef in Wien): "Kurz kann jetzt Geld scheißen."
Wozu überhaupt die Umfragen?
Die Umfragen sollten zeigen, dass die ÖVP mit einem Parteichef Sebastian Kurz sehr viel erfolgreicher bei Wahlen wäre als mit dem damaligen Parteichef Reinhold Mitterlehner. Mit diesen Umfragen warb Kurz bei den ÖVP-Bünden und -Landeshauptleuten für sich als neuen Parteichef.
Die Umfragen seien also eine Etappe im sogenannten "Projekt Ballhausplatz", jenem "Masterplan", mit dem Sebastian Kurz zunächst an die ÖVP-Spitze und anschließend an die Spitze der Regierung gebracht werden sollte - vor allem durch gezielte Manipulation der Meinungsumfragen und bewusste Überschreitung der Wahlkampfkosten. So der Verdacht der Ermittler.
Woher weiß man, dass Kurz in diese Vorgänge involviert war?
Die Verteidigungslinie des Bundeskanzlers in allen Stellungnahmen seit Bekanntwerden der Vorwürfe war stets: Hier handelt es sich um Tätigkeiten von Mitarbeitern des Finanzministeriums, "die ich damals kaum kannte", sagte Kurz etwa im ZIB-Interview mit Martin Thür.
In der Anordnung der Hausdurchsuchungen findet sich tatsächlich keine Nachricht von Kurz, in der dieser das Vorgehen anordnet. Allerdings hat Schmid über die Vorgänge regelmäßig Bericht an Kurz erstattet und dieser ließ sich regelmäßig darüber informieren. Kurz soll zudem selbst Sophie Karmasin zu dem Vorgehen überredet haben, so der Verdacht der WKStA.
Die WKStA sehen Kurz in der gesamten Causa als Bestimmungstäter, das heißt, die Staatsanwälte gehen davon aus, dass die Straftaten im Auftrag von Kurz ausgeführt wurden. Das größte Indiz dafür: Alle Vergehen dienten einzig und allein dem Vorteil von Sebastian Kurz. Sollten sich die Vorwürfe tatsächlich erhärten, müsste Kurz als Bestimmungstäter, also Auftraggeber, im Fall einer Verurteilung mit einer deutlich höheren Strafe als seine Vertrauten rechnen.
Was ist mit "Inseratenkorruption" gemeint?
Der zweite Vorwurf der Bestechlichkeit (§ 304) dreht sich um die Inseratenkorruption. Bestechlichkeit ist dann gegeben wenn ein Amtsträger "für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts" einen Vorteil für sich oder einen Dritten "fordert, annimmt oder sich versprechen lässt". Verkürzt gesagt, geht es darum, dass ein Amtsträger seinen eigenen Vorteil über den der Republik stellt und den Staat dadurch schadet. Im Fall einer Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.
Diesen Straftatbestand sehen die Staatsanwälte der WKStA darin gegeben, dass mit dem Steuergeld des Finanzministeriums Inserate gebucht wurden, die aber nicht der Republik sondern dem Vorteil von Sebastian Kurz dienten - durch gewogene Berichterstattung und Veröffentlichung von vorteilhaften Umfragen.
Parallel dazu wird gegen die Brüder Helmuth und Wolfgang Fellner wegen Bestechung (§ 307) ermittelt. Auch hier droht bei Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.
Ex-WKStA-Chef: "Österreich hat ein Korruptionsproblem"
Werner Geyer, ehemaliger Leiter der WKStA und Mitinitiator des Antikorruptionsvolksbegehren, ortet ein Korruptionsproblem in Österreich.
Aber machen das nicht alle so?
Die ÖVP verteidigt sich damit, dass wegen derartiger Vergehen auch bereits gegen den damaligen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann ermittelt wurde und der "Tausch" von Inseratenbuchungen gegen gewogene Berichterstattung bei allen Parteien so gemacht werde.
Dazu ist zunächst natürlich zu sagen, dass ein Vergehen auch dann strafrechtlich relevant bleibt, wenn es von vielen begangen wird. Inseratenkorruption ist in Österreich ein großes strukturelles Problem. Jährlich geben Ministerien und andere öffentliche Stellen unzählige Millionen für Inserate in (Boulevard-)Medien aus.
Oft ist nicht direkt ersichtlich, ob für das Anliegen einer öffentlichen Stelle oder doch für eine einzelne Person geworben werden soll. Gleichzeitig lassen sich natürlich auch nicht alle Medien durch Inserate in ihrer Berichterstattung beeinflussen.
Was diesmal aber anders ist, ist, dass es konkrete Chats gibt, die diese Absprachen beweisen. "Wer zahlt, schafft an", schreibt etwa Schmid über "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner. Karmasin und der heutige Kurz-Pressesprecher Johannes Frischmann empören sich in anderen Chats darüber, dass Fellner quasi bestellte Positiv-Berichterstattung nicht zum vereinbarten Termin liefert. Es gibt also erstmals stichhaltige Indizien für diese Art der Korruption.
Für alle Beteiligten bzw. Genannten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
Zadic: "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen"
Justizministerin Alma Zadic gibt ein erstes Statement zur Regierungskrise ab.
Zusammenfassung
- Untreue (§ 153) und Bestechlichkeit (§ 304) wirft die Staatsanwaltschaft Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und mehreren seiner engsten Vertrauten vor. Es sind weitreichende Vorwürfe und die Indizienlage wiegt schwer, auch wenn natürlich für alle die Unschuldsvermutung gilt.