"Danke für gar nichts" - Hitzige Teuerungs-Debatte im Nationalrat
FPÖ-Klubchef Herbert Kickl beschwerte sich gleich zu Beginn seiner Rede darüber, dass es für alle Parteien nur noch ein Thema gebe, und zwar, "Wie können wir die freiheitliche Partei verhindern?" Danach holt auch er gegen die Regierung aus, dich sich vor der Wahrheit fürchte, "wie der Teufel vorm Weihwasser". Die Teuerung sei "auf ihrem eigenen Mist gewachsen", allerdings macht Kickl dafür auch gleich die Europäische Union, die NATO sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verantwortlich.
Für den FPÖ-Chef sei der Finanzminister der "größte Profiteur der Teuerung", inwiefern erklärt er nicht genau. Kickl fordert Sofortmaßnahmen wie den sofortigen Stopp der Mieterhöhungen sowie ein Ende der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Michael Schnedlitz (FPÖ) bringt seinerseits gemeinsam mit dem FPÖ-Abgeordneten Peter Wurm einen Entschließungsanstrag ein, in dem u.a. die Senkung der Gehälter der Arbeiterkammer- und Wirtschaftskammer-Direktor:innen gefordert wird.
Krainer: "Danke für gar nichts"
Kritk an der Bundesregierung kommt auch von Antragssteller Kai Jan Krainer (SPÖ): "Danke für gar nichts, liebe Bundesregierung". Die Regierung habe nichts gegen die schon vor zwei Jahren vorhergesagte Teuerung getan, deswegen stehe man nun mit der höchsten Inflation in West-Europa da.
Krainer holt auch gegen den am Mittwoch angekündigten Mietpreisdeckel aus: "Das ist kein Mietpreisdeckel, das ist ein Schmähdeckel." In den kommenden drei Jahren sollen Mieten um maximal fünf Prozent pro Jahr erhöht werden dürfen. Krainer kritisiert, dass damit aber niemand weniger zahlen würde.
Kucher wütet gegen ÖVP, FPÖ und NEOS
Auch SPÖ-Klubchef Philip Kucher holte zu einer veritablen Wutrede aus. Die ÖVP würde keine wirklichen Maßnahmen gegen die Teuerung ergreifen. Vielmehr würde man die Papiere der Immobilien-Lobby 1:1 übernehmen. Die FPÖ habe in der Früh sogar gleich per Presseaussendung applaudiert, noch bevor die Regierung ihr Mietpreis-Paket vorgestellt habe. Daran erkenne man, dass Freiheitliche und ÖVP immer "im Paarlauf seien".
An NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger gerichtet sagte Kucher, die NEOS würden nur Politik für jene machen, "die sich die NEOS leisten können", der breiten Bevölkerung würden sie nichts bringen.
Meinl-Reisinger sieht "Bullshit-Politik"
NEOS-Parteivorsitzender Beate Meinl-Reisinger ist unbeeindruckt von Kickls Worten, er sei eine "hängenbleibende Schallplatte", die immer nur dasselbe erzähle. Sie würde diese "Schallplatte" nicht kaufen, "die hat zu viele Kratzer und das ist tatsächlich langweilig".
Scharfe Worte richtet Meinl-Reisinger aber auch an die Regierung. Diese betreibe eine "Bullshit-Politik" und tue nur so, als ob sie regieren würde. Längerfristige Entlastungen für die Menschen würden fehlen, stattdessen gebe es nur punktuelle Unterstützungen. Sie fordert - auch das ist von den NEOS nicht überraschend - eine Senkung der Lohnnebenkosten um 6,5 Prozentpunkte. Den entsprechenden Entschließungsantrag bringt Nikolaus Scherak (NEOS) ein.
Rauch verteidigt Maßnahmen
Der grüne Sozialminister Johannes Rauch verteidigte die Hilfsleistungen der Regierung gegen die Teuerung. Man habe vor allem Menschen und Familien mit geringem Einkommen unterstützt, zudem verwies er auf die Pensionserhöhung, die es in dieser Höhe "nirgendwo sonst in Europa" gebe. "Ich verwehre mich gegen die Bezeichnung 'Bullshit-Politik' oder 'Gutschein-Politik'", sagte er an Meinl-Reisinger gerichtet.
Nehammer sieht Glas als "halb voll"
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) lässt das nicht auf sich sitzen. "Wir wurden alle gemeinsam Zeuge der dunklen und finsteren Welt des Kai Jan Krainers", beginnt er seine Rede. Die Opposition würde das Glas als "halb leer" bezeichnen, so könne man "die Zukunft dieses Landes nicht gestalten".
Unter lauten Zwischenrufen der Opposition erklärt Nehammer, dass man mit dem Mietpreisdeckel besonders Menschen im geförderten Wohnbau helfe. Dort würden Preissteigerungen von 15 Prozent anstehen, mit dem Mietpreisdeckel würden diese nicht an die Mieter:innen weitergegeben werden. Zudem habe man die Übergewinnsteuer erhöht, um die Bevölkerung zu entlasten.
Inflation soll weiter sinken
Nehammer pocht darauf, dass die Inflation von elf Prozent im Jänner immerhin schon auf sieben Prozent im Juli gesunken ist. Laut Prognosen von Wirtschaftsexpert:innen, so Nehammer, würde die Inflation im restlichen Jahr weiter sinken. In einem gibt er der Opposition aber recht: Die Teuerung belaste die Menschen sehr, die Preise seien viel zu hoch. Doch für Nehammer sei "das Glas halb voll". Anti-Teuerungsbonus, ökosoziale Steuerreform mit der Bepreisung von CO₂ und der Abschaffung der kalten Progression würden dazu beitragen, dass die Menschen mehr Geld zur Verfügung hätten.
Auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) lobt die gesunkene Inflation. Man habe "klug gehandelt", erklärt er. Das sehe man auch, weil laut Industriestaaten-Organisation OECD das verfügbare Haushaltseinkommen in Österreich - anders als in anderen EU-Ländern - im ersten Quartal 2023 gestiegen sei. Zudem werde das letzte Drittel der kalten Progression abgeschafft, damit würde die österreichische Bevölkerung im kommenden Jahr um 3,6 Milliarden Euro entlastet werden.
Eine sinkende Inflation sei nicht nur für Haushalte, sondern auch für Unternehmen wichtig, betont Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP). Dafür seien besonders fallende Energiepreise wichtig, er lobt dabei die Strompreisbremse.
"Polemische Worte"
"Ja, ich weiß, es ist nicht alles perfekt, es passieren Fehler", doch nur dort, wo gearbeitet werde, würden Fehler passieren, so Nehammer. Er biete der Opposition die Zusammenarbeit an, warnte aber gleichzeitig vor Ängsten, die "links wie rechts" geschürt würden.
Die Opposition zeigt sich von Nehammers Rede unbeeindruckt. "Die Bundesregierung hat nur eine Strategie: Polemik und salbungsvolle Worte", schießt Eva Maria Holzleitner (SPÖ) gegen den Kanzler. Statt Maßnahmen gegen die Teuerung zu ergreifen, hätte die Regierung nur diskutiert "Sind Sie noch normal?" Holzleitner fordert als eine konkrete Maßnahme die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. "Ärmel hochkrempeln nur für schöne Social Media Fotos wird nicht ausreichen", beendet sie ihre Rede.
Wöginger verteidigt Maßnahmen
Der Schlagabtausch im Nationalrat geht mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger weiter. Er betont, dass in Österreich die Kaufkraft höher als in anderen EU-Ländern sei, und präsentiert dazu demonstrativ ein Schild mit der jeweiligen Kaufkraft. Auch bei dem Wirtschaftswachstum gebe es ein leichtes Plus, der Arbeitsmarkt sei zudem stabil. Es seien mehr Stellen frei, als es Arbeitslose gebe.
Daher erteilt er auch dem Vorschlag einer 32-Stunden-Woche von SPÖ-Chef Andreas Babler eine Absage. Stattdessen wolle er eine bessere Besteuerung von Überstunden.
Zusammenfassung
- Am Mittwoch findet im Nationalrat eine Sondersitzung auf Verlangen von SPÖ und FPÖ statt. Der Grund: "hohe Inflation und düstere Wirtschaftsprognosen".
- Die Debatte ist erwartungsgemäß hitzig.
- PULS 24 überträgt die Nationalratssitzung live.