APA/Stefan Vospernik

Botschafter Kiews sah nur begrenzte Möglichkeiten in Wien

Nach sechseinhalb Jahren als ukrainischer Botschafter in Österreich wird Olexander Scherba Ende Juni in das Außenministerium nach Kiew zurückkehren. Am Rande seiner Bundesländer-Abschiedstour bilanzierte Scherba in einem APA-Gespräch seine Botschafterjahre. Sie waren vom Konflikt seiner Heimat mit Russland geprägt. Bisweilen belastete dies aber auch die Beziehungen zwischen Kiew und Wien.

Österreich kommt in Scherbas kürzlich veröffentlichtem Essayband, der in Anspielung an ein Wortspiel eines ehemaligen Kreml-Bürokraten den Titel "Ukraine vs. Darkness. Undiplomatic thoughts" ("Ukraine gegen Dunkelheit. Undiplomatische Gedanken", Anm.) trägt, explizit nur selten vor. Einerseits lobt der scheidende Botschafter in seinem Buch den Umgang von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit der "Ibiza"-Regierungskrise 2019.

Andererseits erwähnt er eine "ehemalige Spitzendiplomatin", die als eine passionierte Russland-Apologetin auftrete und meine, das Wesen des ukrainisch-russischen Dramas zu verstehen, weil sie den (aus Kiew stammenden russischen, Anm.) Schriftsteller Michail Bulgakow in Übersetzung gelesen habe.

Scherba nennt in seinem Buch keinen Namen. Die Person ist jedoch unschwer als Ex-Außenministerin Karin Kneissl zu identifizieren, deren Hochzeit dank der Präsenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin im August 2018 nicht nur für internationale Schlagzeilen sorgte. Sie beschäftigte auch den ukrainischen Botschafter.

"Das war der Tiefpunkt der österreichisch-ukrainischen Beziehungen und diese Bilder haben dem Image Österreichs in der Ukraine sehr geschadet", erklärte Scherba der APA. Diese Situation sei ein Albtraum für ihn gewesen, schilderte er.

Gottseidank habe aber Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schnell reagiert, indem er mit dem damaligen Präsidenten Petro Poroschenko telefonierte und kurze Zeit später auch nach Kiew reiste, sagte der Diplomat. Aus Wiener Perspektive sei diese Causa mittlerweile freilich Schnee von gestern. Er befürchte aber, dass sie Österreich international noch lange vorgeworfen werde.

Im Einklang mit der offiziellen Position Kiews hatte sich Scherba seit Anfang seiner Tätigkeit in Wien durch klare und scharfe Aussagen ausgezeichnet. Vor dem Hintergrund einer militärischen Eskalation in der Ostukraine lieferte er sich im Februar 2015 im ORF einen Schlagabtausch mit seinem damaligen russischen Gegenüber Sergej Netschajew. Mit russischen Diplomaten habe er seit damals nur zwei oder drei Mal gesprochen, wo es nicht zu vermeiden gewesen sei, erzählte er nun.

Österreichische Gesprächspartner versuchte er indes beständig zu überzeugen, mit härteren Sanktionen gegen Russland vorzugehen. "Mir wurde immer wieder gesagt: Herr Botschafter, wir sind ein kleines Land und von uns hängt nicht viel ab", erzählte Scherba. Dies sei jedoch nicht der Fall, gerade aus einer ukrainischen Perspektive, ergänzte er.

Die Schwierigkeiten seiner Überzeugungsarbeit begründete der Botschafter auch damit, dass Österreich anders als die Ukraine nicht existenziell bedroht sei. Man glaube in Wien, dass es kein Problem gäbe, das nicht diplomatisch gelöst werden könne. "Es gibt aber solche Probleme: Wenn jemand sagt, dass es dich und dein Land nicht gibt", erläuterte er.

Gleichzeitig meinte der Botschafter, dass er während seiner Zeit in Österreich auch ein "bisschen milder" geworden sei. Dies habe ihm auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Raiffeisen Bank International, Herbert Stepic, attestiert.

Insgesamt habe es in Österreich klare Limits seiner Möglichkeiten gegeben, resümierte Scherba. Während Gespräche über Russland-Sanktionen unangenehm gewesen seien und kein klares Ergebnis zu erwarten gewesen sei, sei die Erörterung militärischer Hilfe aufgrund von Österreichs Neutralität von vornherein ausgeschlossen gewesen. Eindeutig positiv seien jedoch humanitäre Projekte gewesen, die sowohl Österreich als auch der Ukraine am Herzen gelegen seien, sagte er.

Insbesondere verwies Scherba auf ein Projekt, das zwischen 2015 und 2018 österreichische Ferienaufenthalte von kriegstraumatisierten Kinder aus der Ukraine ermöglichte. "Kein Land in Europa war diesbezüglich so aktiv wie Österreich. Dafür bin ich dankbar", erzählte er. Im ersten Jahr sei es dank der Kontakte von SOS Kinderdorf sogar noch ein letztes Mal möglich gewesen, Kinder von beiden Seiten der Kontaktlinie (Frontlinie, Anm.) in der Ostukraine nach Österreich einzuladen.

Auch kulturelle Aktivitäten, darunter eine Österreich-Tournee der ukrainischen Ethnopunkband "Dakh Daughters", hätten sich als großer Erfolg erwiesen. Gescheitert seien indes seine Bemühungen, ein durch den Krieg in der Ostukraine getrenntes Orchester aus der Region Luhansk nach Wien zu holen und nach langer Unterbrechung wieder einmal gemeinsam Mozart spielen zu lassen, bedauerte er.

(Das Gespräch führte Herwig G. Höller/APA)

(S E R V I C E - Olexander Scherba "Ukraine vs. Darkness", Ibidem, 978-3-8382-1501-3)

ribbon Zusammenfassung
  • Nach sechseinhalb Jahren als ukrainischer Botschafter in Österreich wird Olexander Scherba Ende Juni in das Außenministerium nach Kiew zurückkehren.
  • Bisweilen belastete dies aber auch die Beziehungen zwischen Kiew und Wien.
  • Scherba nennt in seinem Buch keinen Namen.
  • Aus Wiener Perspektive sei diese Causa mittlerweile freilich Schnee von gestern.
  • Insgesamt habe es in Österreich klare Limits seiner Möglichkeiten gegeben, resümierte Scherba.