"Kitzloch"-Chef im Interview
5 Jahre Corona-Brutstätte Ischgl: Die Party geht weiter
Hunderte Skifans chauffiert die Pardatschgratbahn auf den gleichnamigen Berg über Ischgl. Niederländer, Deutsche, Norweger und Schweden wedeln bis Mai über die Silvretta Arena, hoch über dem Tiroler Wintersport-Mekka im Paznaun-Tal.
Am Nachmittag verlagert sich die Menge von den Pisten in die gedrängten Après-Ski-Bars in Ischgl. Als Geheimtipp galt stets das an der Pardatschgratbahn gelegene "Kitzloch". Heute ist die Absteige einigermaßen gezeichnet, allerdings wieder gerammelt voll.
Das war sie auch am 7. März 2020, an dem sich das "Kitzloch" in die Schlagzeilen der Welt katapultierte.
An jenem Tag nahm die Betitelung Ischgls als "Ground Zero" der Pandemie in Europa seinen Anfang. Mehr als 11.000 Infektionen sollen laut Berechnungen des deutschen Magazins "Spiegel" auf Ischgl zurückgehen.
Ein Barkeeper mit Corona später
Im "Kitzloch" hatte sich ein Barkeeper mit dem Coronavirus infiziert und die feierwütige Menge, die begeistert "Mach den Hub, Hub, Hub" oder "Aufe aufn Berg und oba mit de Ski" sangen, angesteckt. Zwei Tage danach wurde bekannt, dass der Barkeeper 15 Menschen in seinem Umfeld infiziert haben soll. "Er hat sich nichts vorzuwerfen. Er hat es ja nicht gewusst", sagt der Kitzloch-Wirt Bernhard Zangerl zu PULS 24. Der betroffene Barkeeper sei selbst zwei Wochen im Krankenhaus gelegen.
Man tauschte das Team aus, feierte und becherte weiter. Am 9. März 2020, zwei Tage nach Bekanntwerden der Corona-Diagnose des Barkeepers, wurde das "Kitzloch" dann von den Behörden geschlossen. Die restlichen Après-Ski-Bars folgten tags darauf. Manche schlossen ihre Pforten, andere blieben offen.
Der "Kitzloch"-Chef Bernhard Zangerl
Profit über Gesundheit gestellt?
Auf den Pisten wurde weiter gewedelt. Am 12. März 2020 dann allerdings das Ende der Skisaison verkündet. Die Lifte liefen dennoch einige Tage weiter. Auf Social Media kursierten Fotos von Skifahrer:innen, die sich an den Liften eng gedrängt tummelten. Am 13. März wurde Ischgl von der damaligen türkis-grünen Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz zum Risikogebiet erklärt und eine Quarantäne verhängt. Der Liftbetrieb lief indes teils noch zwei Tage weiter.
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Scharfe Kritik kam von den betroffenen Ländern wie Deutschland, Norwegen oder Dänemark, wo infizierte Skifahrer:innen zurückkehrten. In Medien las man, der mächtige Tourismusverband Paznaun-Ischgl stellte Profit über Gesundheit. Auch die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bekrittelte das Vorgehen der Skilifte.
Während Ischgl grundsätzlich eine Mediensperre ausgab, hatte Zangerl kein Problem, offen über die Vorkommnisse zu sprechen. Auch heute nicht.
Video: "Kitzloch"-Chef im Interview ein Jahr nach Corona in Ischgl
"Wir machen die Rahmenbedingungen nicht"
Er erklärt: "Von unserer Seite kann ich sagen, wir sind keine Experten und wir machen die Rahmenbedingungen nicht. Es ist Aufgabe der Politik uns Rahmenbedingungen zu geben. Es hieß, dass wir mit neuem Team weitermachen können, und das haben wir gemacht", sieht der "Kitzloch"-Chef keine Schuld bei sich.
Doch die Politik müsse "selbst reflektieren", ob man alles richtig gemacht habe, appelliert er. Das Thema werde nach wie vor "eher totgeschwiegen".
Auch alle Ermittlungen gegen Ischgl und Österreich wurden eingestellt. Es kam zu 130 Einzelklagen und einer Sammelklage in der Causa Ischgl. Nun, fünf Jahre später, ist von dem, was einst schiefgelaufen ist, wenig zu spüren.
Die Buchungslage habe laut Zangerl wieder das Vorcoronaniveau erreicht. Man sei "sehr zufrieden". Ein wenig hallt das Image des "Ground Zero" der Pandemie allerdings noch nach. "Tausende Menschen haben darüber gehört, das wird nicht von morgen aus der Welt gewischt sein", so Zangerl.
Ihm tue es leid, dass sich die Menschen angesteckt haben, aber er schaue in die durchaus positive Zukunft. Und im "Kitzloch" geht die Party weiter. In der Bar wippen sie wieder zum Beat mit, strecken die Gläser in die Luft und singen wieder "Mach den Hub, Hub, Hub" oder besser: "I hob an Wackel-, Wackel-, Wackelkontakt" - der Hüttenhit der Saison.
Zusammenfassung
- Vor fünf Jahren machte der Tiroler Ischgl als Corona-Brutstätte in Europa Schlagzeilen.
- Mit wütenden Fingern zeigten die Länder, aus denen die Wintersportler kamen, auf die 1.500-Seelen-Gemeinde.
- In Ischgl wies man jede Schuld von sich.
- Im "Kitzloch", wo die Epidemie ihren Anfang nahm, will man alle Rahmenbedingungen befolgt haben. Fünf Jahre später geht die Party weiter.