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Baerbock in Damaskus - Keine EU-Gelder für Islamisten

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat den neuen syrischen Machthabern Zusammenarbeit und Hilfe unter Bedingungen angeboten. "Europa wird unterstützen, aber Europa würde nicht Geldgeber neuer islamistischer Strukturen sein", sagte sie am Freitag in Damaskus nach Gesprächen mit der Übergangsregierung. Baerbock hatte das Land gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot besucht.

"Es braucht jetzt einen politischen Dialog unter Einbeziehung aller ethnischen und religiösen Gruppen, unter Einbeziehung aller Menschen, das heißt insbesondere auch der Frauen in diesem Land", sagte Baerbock. Sie habe den Eindruck gehabt, ihre Gesprächspartner hätten dies verstanden. Es sei klar, dass Menschen aus Europa nur zum Wiederaufbau zurückgehen würden, wenn sie vollkommen sicher seien. In Deutschland leben fast eine Million Syrer, die im Zuge des Bürgerkriegs ihr Land verlassen haben.

Baerbock und Barrot waren rund vier Wochen nach dem Sturz von Langzeit-Machthaber Bashar al-Assad in Syrien eingetroffen. In Damaskus trafen sie den neuen starken Mann Syriens, den Chef der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Ahmed al-Sharaa. Die beiden sind die ersten Außenminister großer westlicher Mächte, die von der neuen syrischen Führung empfangen werden.

Baerbock war Freitag früh in Damaskus eingetroffen, wo ihr französischer Kollege schon vor ihr angekommen war. Beide besuchen Syrien "im Namen der EU", wie Baerbock vor der Ankunft erklärte. Die Ministerin versicherte, Deutschland wolle Syrien helfen "bei einem inklusiven friedlichen Machtübergang, bei der Versöhnung der Gesellschaft, beim Wiederaufbau". Dazu gehöre die Gleichberechtigung der Frauen und aller ethnischen oder religiösen Gruppen. Ähnlich äußerte sich Barrot: "Vor einigen Wochen ist eine neue Hoffnung entstanden. Die Hoffnung auf ein souveränes Syrien, ein stabiles Syrien und ein friedliches Syrien. Es ist eine fragile, aber realistische Hoffnung, deswegen steht Frankreich an der Seite der Syrerinnen und Syrer."

Baerbock betonte, dass die syrischen Landesgrenzen nicht angetastet werden dürften. "Syrien darf weder erneut zum Spielball fremder Mächte noch zum Experiment radikaler Kräfte wie des IS werden", sagte sie. "Es gibt berechtigen Grund dazu, dass die Menschen neue Hoffnung schöpfen. Aber es gibt ebenso guten Grund dazu, Vorsicht walten zu lassen." Verschiedene Staaten, unter anderem das Nachbarland Türkei, ist mit Truppen im Land vertreten. Die Türkei will vor allem ein Erstarken der Kurden im Grenzgebiet verhindern. Baerbock wiederum betonte, die Kurden müssten in Syrien angemessen repräsentiert werden und sicher sein. Einmischungen von außen dürfe es bei dem innersyrischen Prozess nicht geben.

Sharaa hatte kürzlich gesagt, bis zur Vorlage eines neuen Verfassungsentwurfs könnten rund drei Jahre und bis zu Wahlen ein weiteres Jahr vergehen. Das arabische Land ist nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg zersplittert und konfessionell gespalten. Auch nach dem Sturz Assads kämpfen verfeindete Milizen um die Macht. Die Gruppe HTS ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Sharaa hatte sich von Al-Kaida und der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) losgesagt. Bis heute gibt es aber Berichte, denen zufolge die HTS-Führung den Kontakt zu Al-Kaida hält.

Nach einem Besuch des für Folter und Mord berüchtigten Gefängnis Sednaya in der Nähe von Damaskus bekräftige Barrot das Engagement Frankreichs, zur vollständigen Aufklärung der dort begangenen Verbrechen beizutragen. So habe Frankreich bereits die Arbeit von Organisationen der syrischen Zivilgesellschaft unterstützt, um die Verbrechen und Verstöße zu dokumentieren, die seit 2011 in Syrien unter der Herrschaft von Langzeitmachthaber Bashar al-Assad begangen wurden.

Baerbock besuchte auch die im Jahr 2012 geschlossene deutsche Botschaft in Damaskus. Sie musste sich die Räumlichkeiten der deutschen Botschaft beim Licht von Taschenlampen anschauen - es gab am Abend einen Stromausfall in Damaskus. Bei der Besichtigung der Liegenschaft machte sie ein Handy-Selfie vor einem noch an der Wand des Botschafterzimmers hängenden Porträt des CDU-Politikers Christian Wulff, der zum Zeitpunkt der Schließung deutscher Bundespräsident gewesen war. Ob und wann die Botschafter wieder eröffnet wird, ist unklar.

ribbon Zusammenfassung
  • Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot haben Syrien besucht, um mit der neuen Übergangsregierung zu sprechen und betonten, dass Europa keine islamistischen Strukturen finanzieren wird.
  • Baerbock fordert einen inklusiven politischen Dialog in Syrien, der alle ethnischen und religiösen Gruppen einbezieht, während fast eine Million Syrer in Deutschland leben.
  • Die neue syrische Führung unter Ahmed al-Sharaa plant, innerhalb von drei Jahren eine neue Verfassung vorzulegen, während die Türkei weiterhin Truppen im Land hat, um ein Erstarken der Kurden zu verhindern.