Armee-Gewalt in Myanmar eskaliert - Schüsse auf Trauergäste
Die Vereinten Nationen bezeichneten den Samstag als den "blutigsten Tag" seit dem Militärputsch vom 1. Februar. Der UNO-Sondergesandte für Menschenrechte in Myanmar, Tom Andrews, warf dem Militär "Massenmord" an seiner eigenen Bevölkerung vor. Es sei an der Zeit für die Welt einzugreifen - wenn nicht durch den Sicherheitsrat, dann durch ein internationales Gipfeltreffen zu Myanmar, teilte Andrews mit. Man könne die Öl- und Gaszahlungen und damit die Finanzströme an das Militär in dem Land einstellen oder den Zugang des Militärs zu Waffen stoppen.
Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, und die UNO-Beraterin für die Verhinderung von Völkermord, Alice Wairimu Nderitu, verurteilten die Vorgänge auf das Schärfste. Für die systematischen Attacken gegen friedliche Demonstranten müssten Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden, verlangten sie am Sonntag. "Die internationale Gemeinschaft hat die Pflicht, die Bevölkerung von Myanmar vor solchen grausamen Verbrechen zu schützen."
Augenzeugen zufolge feuerten Sicherheitskräfte am Sonntag auf Trauergäste, die sich zur Beisetzung eines am Vortag getöteten 20-jährigen Studenten versammelt hatten. "Gerade als wir das Revolutionslied anstimmten, kamen die Truppen und schossen auf uns", teilte eine Teilnehmerin der Trauerfeier mit. Bei dem Vorfall in der Stadt Bago nahe Yangon gab es ersten Berichten zufolge keine Opfer. Allerdings wurden andernorts zwei Protestierende am Sonntag durch Gewehrfeuer getötet.
Nach Luftangriffen von Myanmars Armee an der Grenze zu Thailand flohen am Sonntag etwa 3.000 Dorfbewohner des südöstlichen Teilstaats Karen (Kayin) laut Nachrichtenagentur Reuters in das Nachbarland. Der thailändische Sender PBS berichtete, dass etwa 3.000 Menschen Thailand erreicht hätten. Das Militär hatte Luftangriffe auf mehrere Bezirke an der Grenze zu Thailand geflogen, berichteten lokale Medien.
Am offiziellen Gedenktag der Armee am Samstag hatten Menschen in weiten Teilen des Landes gegen die Machtübernahme des Militärs protestiert. Dabei sollen Militärangehörige und Polizisten mit scharfer Munition und gezielten Kopfschüssen gegen unbewaffnete Zivilisten vorgegangen sein. Nach Angaben des Nachrichtenportals "Myanmar Now" wurden am Samstag 114 Menschen in 44 Städten getötet. Dies war die höchste Totenzahl an einem Tag seit Beginn der Proteste gegen den Militärputsch vom 1. Februar.
Das Militär hatte Anfang Februar gegen die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi geputscht. Die 75-Jährige sitzt seither im Hausarrest und wird von der Justiz verschiedener Vergehen beschuldigt. Die Demonstranten fordern eine Wiedereinsetzung von Suu Kyis ziviler Regierung. Seit dem Militärputsch gibt es fast täglich Proteste gegen die Machtübernahme. Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) hatte die Wahl im November gewonnen. Das Militär erkennt diesen jedoch nicht an und spricht von Wahlbetrug.
Die EU sprach in den sozialen Medien von einem Tag des "Terrors und der Ehrlosigkeit". US-Außenminister Antony Blinken prangerte auf Twitter eine "Schreckensherrschaft" des Militärs an. Auch mehrere internationale Militärchefs verurteilten in einer Erklärung die Gewalt scharf.
Zusammenfassung
- Das Militär in Myanmar geht mit immer mehr Gewalt und Härte gegen Regimegegner vor und zieht damit weltweit scharfe Kritik auf sich.
- Mit 114 Toten bei Protesten am Samstag erreichte die Militärgewalt den vorläufigen Höhepunkt.
- Der UNO-Sondergesandte für Menschenrechte in Myanmar warf dem Militär "Massenmord" an der eigenen Bevölkerung vor.
- Allerdings wurden andernorts zwei Protestierende am Sonntag durch Gewehrfeuer getötet.