Hisbollah-Chef Nasrallah bei Angriff getötet
"Hassan Nasrallah wird nicht länger in der Lage sein, die Welt zu terrorisieren", teilte das israelische Militär zunächst mit. Am frühen Samstagnachmittag bestätigte das das französische Außenministerium - ohne nähere Details zu nennen - gegenüber Reuters.
Wenig später bestätigte auch die Hisbollah den Tod ihres Chefs. Man wolle den Kampf gegen Israel fortsetzen, hieß es in einem Statement laut Reuters. Kurz nach der Bestätigung der Hisbollah war in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu hören, wie zahlreiche Schüsse in die Luft fielen. Besonders in den vor der Hisbollah kontrollierten Vororten Beiruts waren Augenzeugen zufolge zahlreiche Schüsse zu hören. Anhänger der Terrormiliz fuhren in Autos und auf Rollern mit Hisbollah-Flaggen durch die Stadt.
Auch der wichtige Hisbollah-Kommandant für den Süden des Landes, Ali Karaki, sei ums Leben gekommen, so Israel.
Irans Oberhaupt in Sicherheit gebracht
Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei ist Insidern zufolge an einen sicheren Ort gebracht worden. Außerdem seien erhöhte Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet worden, erfuhr Reuters von zwei von der Regierung in Teheran unterrichteten örtlichen Vertretern. Der Iran stehe in ständigem Kontakt mit der Hisbollah und anderen Gruppen in der Region bezüglich des weiteren Vorgehens.
Die israelische Armee hat dem massiven Luftangriff in einem Vorort von Beirut am Freitag den Codenamen "Neue Ordnung" gegeben. Das Militär veröffentlichte in der Früh Fotos von dem Angriff, dessen Ziel gewesen sei, Nasrallah zu töten.
Der Tod Nasrallahs, der die Organisation seit 30 Jahren anführte, ist der schwerste Schlag Israels gegen die Hisbollah und damit einen ihrer größten Feinde seit Jahrzehnten. Welche Folgen das für den Konflikt mit Israel, für die Nahost-Region sowie im Libanon selbst haben wird, ist zurzeit kaum absehbar.
Hunderte Menschen auf der Flucht
Unterdessen setzte Israel seine Bombardierungen im Raum der libanesischen Hauptstadt Beirut in der Nacht auf Samstag fort.
Hunderte Menschen flohen in Beirut vor Israels Angriffen in den südlichen Vororten in das Zentrum der Hauptstadt. Überall harrten verängstigte Familien mit Tränen in den Augen auf den Straßen aus, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur in Beirut schilderte.
Die Menschen, die aus den südlichen Vororten, in denen die Hisbollah besonders stark ist, ins Stadtzentrum flohen, sprachen von einer "Hölle". Sie suchten in der schwülen Nacht Schutz in Parks, auf der Straße und an öffentlichen Stränden. Sie sei barfuß geflohen, erzählte eine Frau. Am frühen Morgen herrschte laut Augenzeugen gespenstische Ruhe. Ein Bewohner der Hauptstadt sprach von einem "Alptraum".
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Örtliche Fernsehsender zeigten nächtliche Explosionen südlich von Beirut in der Nähe des internationalen Flughafens. Es waren Brände und Folgeexplosionen zu sehen. Retter suchten unterdessen weiter nach Überlebenden des massiven Luftangriffs vom Freitag, bei dem laut Libanons staatlicher Nachrichtenagentur NNA mehrere Gebäude in dem dicht besiedelten Vorort Haret Hreik zerstört wurden. Es könne Dutzende oder gar Hunderte Tote geben.
Regionalen Krieg "um jeden Preis vermeiden"
UN-Generalsekretär António Guterres warnte eindringlich vor einer Ausweitung des Konflikts. "Der Krieg im Libanon könnte zu einer weiteren Eskalation mit Beteiligung externer Mächte führen", sagte er bei einer UN-Sicherheitsratssitzung in New York.
"Wir müssen einen regionalen Krieg um jeden Preis vermeiden." Seit dem Beginn der schweren israelischen Angriffe im Libanon sind nach UN-Angaben bereits Zehntausende Menschen nach Syrien geflohen. Derweil meldete Israels Armee in der Nacht weitere Luftangriffe auf "Terrorziele" in Beirut, die zur Hisbollah gehörten". Einzelheiten wurden in der Mitteilung nicht genannt.
Biden: Tötung Nasrallahs "Maßnahme der Gerechtigkeit"
US-Präsident Joe Biden hat am Samstag die Tötung des Führers der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, durch Israel als "eine Maßnahme der Gerechtigkeit" für seine zahlreichen Opfer bezeichnet. Er sagte, die Vereinigten Staaten unterstützten voll und ganz das Recht Israels, sich gegen vom Iran unterstützte Gruppen zu verteidigen.
Biden berichtete weiter, er habe Verteidigungsminister Lloyd Austin angewiesen, die Verteidigungsposition der US-Streitkräfte im Nahen Osten weiter zu verbessern, um Aggressionen abzuschrecken und das Risiko eines größeren Krieges zu verringern. Letztlich strebten die USA eine Deeskalation der laufenden Konflikte im Gazastreifen und im Libanon mit diplomatischen Mitteln an, sagte er.
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Weitere Angriffe in der Nacht
Israels Armee hatte in der Nacht weitere Angriffe im Gebiet der libanesischen Hauptstadt bekanntgegeben. Es seien Waffenproduktionsanlagen, Gebäude, in denen moderne Waffen gelagert würden sowie Kommandozentralen der proiranischen Miliz attackiert worden, hieß es.
Nach Aussagen des israelischen Armeesprechers Daniel Hagari lagerten unter zivilen Wohngebäuden unter anderem Raketen, die auch eine Bedrohung für die internationale Schifffahrt sowie strategische Einrichtungen in Israel darstellten. Die israelische Armee hatte die Bewohner der angegriffenen Gegend zuvor zur Evakuierung aufgerufen.
Die Hisbollah wies die Darstellung der israelischen Armee zurück, Waffenlager der Miliz anzugreifen. In den angegriffenen Gebäuden befänden sich keine Waffen oder Depots.
Erneut Hisbollah-Stellungen angegriffen
Unterdessen griff Israels Militär nach eigenen Angaben auch im Süden des Libanons erneut Stellungen der Hisbollah-Miliz an. Nach Beschuss aus dem Libanon habe die Luftwaffe die Abschussvorrichtung bombardiert, teilte die Armee in der Nacht mit. Es seien zuvor von dort mindestens drei Geschosse auf Israel abgefeuert worden, von denen die meisten abgefangen worden seien.
Zudem seien weitere Stellungen der Schiiten-Miliz im Südlibanon angegriffen worden, darunter Gebäude, in denen die Hisbollah Waffen gelagert habe.
Der von Israel gemeldete Angriff auf das Hauptquartier der Hisbollah sei der bisher "aggressivste Schritt" Israels der vergangenen zwei Wochen mit ausgeklügelten Geheimdienstoperationen, gezielten Tötungen und schweren Bombardierungen, schrieb das "Wall Street Journal". Die Miliz solle gehindert werden, über die Grenze nach Israel vorzudringen.
Bisher habe es sich bei den Angriffen in Beirut um "gezielte Tötungen" von Hisbollah-Kommandeuren gehandelt, schrieb die "Times of Israel". Die jüngsten Angriffe seien jedoch umfangreicher und zielten auf die Zerstörung der Infrastruktur sowie ranghohe Personen ab.
Karner: "Hisbollah derzeit führungslos"
Israel will Landung eines iranischen Flugzeuges verhindern
Israels Armee hat am Samstag nach libanesischen Angaben Kontakt zum internationalen Flughafen von Beirut aufgenommen, um die Landung eines iranischen Flugzeuges zu verhindern. Die Armee habe sich per Funk im Kontrollturm des Flughafens gemeldet und gewarnt, dass ein iranisches Zivilflugzeug auf dem Weg nach Beirut dort nicht landen solle, sagte der Minister für Öffentliche Arbeiten und Verkehr, Ali Hamiyah, der Deutschen Presse-Agentur.
Andernfalls werde Israels Militär die Landung gewaltsam verhindern. Hamiyah sagte, er habe den Flughafen angewiesen, die Landung des Flugzeuges zu verhindern. Israelische Medien berichteten, ein Frachtflugzeug der iranischen Fluggesellschaft Qeshm Air habe auf dem Weg nach Beirut umgekehrt und sei auf dem Rückweg nach Teheran.
Wer folgt auf Nasrallah?
Als möglicher Nachfolger Nasrallahs gilt Hashim Safieddine. Der Cousin von Nasrallah ist für die politischen Angelegenheiten der Hisbollah zuständig und Mitglied des Jihad-Rates der Gruppe. Wie Nasrallah ist er ein Geistlicher, der den schwarzen Turban trägt, der eine Abstammung vom Propheten Mohammed anzeigt. Er wurde vom US-Außenministerium 2017 als Terrorist eingestuft. Im Juni drohte er nach der Tötung eines anderen Hisbollah-Kommandanten mit einer großen Eskalation gegen Israel.
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Zusammenfassung
- Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ist laut israelischen und französischen Angaben bei einem Angriff am Freitag in Beirut getötet worden. Mittlerweile bestätigte das auch die Hisbollah selbst.
- "Hassan Nasrallah wird nicht länger in der Lage sein, die Welt zu terrorisieren", teilte das israelische Militär mit.
- Von der Hisbollah, die den Tod ihres Anführers erst mit deutlicher Verzögerung mitteilen könnte, gab es zunächst keine Bestätigung.
- Auch vom Iran zunächst lag keine Stellungnahme vor.
- Unterdessen setzte Israel seine Bombardierungen im Raum der libanesischen Hauptstadt Beirut in der Nacht auf Samstag fortgesetzt.
- Israels Armee hat am Samstag nach libanesischen Angaben Kontakt zum internationalen Flughafen von Beirut aufgenommen, um die Landung eines iranischen Flugzeuges zu verhindern.