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AEJ-Tagung: Westbalkan, Kosovo und Ukraine im Fokus

Die EU-Erweiterung am Westbalkan, die Lage im Kosovo und der Krieg in der Ukraine sind am Wochenende im Mittelpunkt des Jahreskongresses der Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten (Association of European Journalists/AEJ) in der südalbanischen Stadt Vlora gestanden. Zudem wurde beim international besetzten AEJ-Kongress in Albanien auch die Frage der Trennung zwischen Journalismus und Politik debattiert. Die Medienfreiheit sei weiter unter Druck, so ein Fazit.

"Die EU hat sich gegenüber Albanien ein wenig verrückt verhalten. Zuerst mussten wir sechs Jahre auf den Beginn der Verhandlungen warten. Dann wurden uns jedes Jahr neue Bedingungen vorgelegt, was wir zuvor noch an neuen Reformen erledigen müssten", klagte Ervin Demo, sozialdemokratischer Bürgermeister der Stadt Berat. "Wir brauchen ein deutliches Signal von der EU, dass sie den Westbalkan wirklich ernst nimmt."

EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) nannte in einer Videobotschaft den neuen "strategischen Wachstumsplan" der EU-Kommission als wichtigen Beitrag für den Westbalkan. In Bereichen wie Straßenverkehr oder Energie könnten sich Unternehmen der Westbalkanstaaten schon jetzt am Binnenmarkt beteiligen.

Die Balkan-Korrespondentin der österreichischen Tageszeitung "Der Standard", Adelheid Wölfl, verwies auf den wachsenden Einfluss Russlands in den Balkanstaaten. "Viele dachten, dass der Krieg in der Ukraine die fragwürdige Politik des Appeasements durch die EU und die USA beenden wird. Das Gegenteil war der Fall." So wurden autokratische Kräfte rund um den serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic noch weiter gestärkt. Dieser trage die Sanktionen des Westens gegen Russland nicht mit, werde aber weiter von EU-Regierungen hofiert, so Wölfl. Die Position der EU zum Kosovo sei auch dadurch geschwächt, dass fünf EU-Staaten noch immer nicht die junge Republik Kosovo anerkannt hätten. Der Kreml versuche auch, den Staat Bosnien-Herzegowina zu destabilisieren.

Kati Schneeberger vom Verein "Kosovo goes Europe" verwies auf die Taktik des serbischen Präsidenten Vucic, mit der Forderung eines serbischen Gemeindeverbands (ASM) in der mehrheitlich von Serben bewohnten Region im Norden des Kosovo, den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti weiter unter Druck zu setzen. "Vucic hat diese Woche wieder betont, dass er Kosovo niemals als unabhängigen Staat anerkennen werde. Aber gleichzeitig besteht er auf diesen Verband serbischer Gemeinden (ASM), der aber von immer mehr Serben im Kosovo abgelehnt wird."

Die EU habe im vergangenen Mai nach den Unruhen nur gegen die Regierung Kurtis Sanktionen verhängt, nicht gegen Vucic. Serbische Paramilitärs, die zuletzt am 24. September einen Terroranschlag in Banjska verübten, würden Serben, die ihre Zukunft in der Republik Kosovo sehen, einschüchtern. "So kriegen abtrünnige Beamte kein Gehalt aus Belgrad und Unternehmer keine Aufträge mehr" (Schneeberger)

Als Gast aus der Ukraine berichtete Ilya Ponomarew, einziger Abgeordneter der russischen Duma, der 2014 gegen die Annexion der Krim gestimmt hat, über den wenig bekannten Widerstand von Russen gegen Putin. Bereits drei Regimenter aus russischen Soldaten kämpften aufseiten der ukrainischen Armee gegen die russischen Besatzer. Und eine eigene Widerstandsgruppe in Russland führt Sabotageaktionen und Attacken auf militärische Einrichtungen durch.

Ponomarew hat ein Schattenparlament aus abgesetzten Duma-Abgeordneten mitbegründet, das über 100 Personen umfasst und auch Gesetze für Russland verabschiedet, so etwa über Medienfreiheit und eine neue Wahlordnung. Es gibt Komitees und Ausschüsse wie in einem normalen Parlament, nur dass es im Ausland tagt. "Putin muss mit Gewalt abgesetzt werden, sonst wird dieser Krieg weiter andauern", so Ponomarew im Gespräch mit der APA.

Dabei setzen er und seine Freunde auf die russische Elite, die noch von Putins Macht profitiere. "Erst wenn diese wirklich viel Geld verlieren, könnten sie sich auch gegen Putin wenden." Der Westen habe viele Fehler gemacht. So wären westliche Firmen in Russland - von Ikea bis McDonalds - zu Dumpingpreisen an Putins Oligarchen verkauft worden.

Teile der US-Regierung und viele EU-Politiker hätten immer noch die Hoffnung auf einen Waffenstillstand in der Ukraine. Aber solange Putin an der Macht bleibe, würden Friedensverhandlungen keinen Sinn haben, weil sie nur Putins Ziel, zumindest Teile der Ukraine dauerhaft an Russland anzuschließen, unterstützen würden.

Österreich sei inzwischen "zu Putins wichtigstem Verbündeten in der EU" geworden. "Vom Gasliefervertrag mit Gazprom über die geplante Breitspurverbindung der Eisenbahn bis zum Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Putins Partei 'Einiges Russland' - überall hat Putin seine Finger drin. Und Wien ist noch immer ein Hauptzentrum für russische Spionage", so Ponomarew.

Ponomarew betreibt auf YouTube einen russischsprachigen TV-Sender, der Russen über den Krieg in der Ukraine informiert. Etwa 20 Prozent der Russen würden regelmäßig alternative Medien konsultieren.

Auch die Frage der Trennung zwischen Journalismus und Politik wurde beim AEJ-Kongress in Vlora debattiert. In Bulgarien wurde der Chef des größten privaten bulgarischen TV-Senders in Bulgarien, BTV, knapp vor den Gemeindewahlen an diesem Sonntag zum Kandidaten für das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt Sofia aufgestellt, und zwar von der abgewählten Partei Gerb von Bojko Borissow. Für Irina Nedeva, Chefin der bulgarischen Sektion von AEJ, "eine problematische Kandidatur".

In Rumänien wurde vor kurzem der Chefredakteur einer Sportzeitung gefeuert, weil er sich geweigert haben soll, positiv über Sportwetten-Büros zu berichten. Die Zeitung gehört zum Schweizer Ringier-Verlag.

In Albanien wurde ein prominenter Journalist, der von einem Geschäftsmann bestochen wurde, durch eine versteckte Videoaufnahme überführt. "Wir haben viel an Vertrauen in der albanischen Bevölkerung verloren. Wir brauchen Regelungen für die Ethik unseres Berufs", sagte Arber Hitaj, Chef der albanischen Sektion von AEJ, der jüngsten von insgesamt 15 in Europa. "60 Prozent der privaten TV-Sender erhalten Geld von den Gemeinden oder politischen Einrichtungen", so (Hitaj). Albanien hat mit 2,8 Millionen Einwohnern 67 TV-Sender, was sicher zu viele seien. Und für soziale Medien fehlen überhaupt noch jegliche Regelungen. So sei es um Medienfreiheit vielerorten nicht gut bestellt, lautete eien Conclusio des AEJ-Kongresses.

ribbon Zusammenfassung
  • Zudem wurde beim international besetzten AEJ-Kongress in Albanien auch die Frage der Trennung zwischen Journalismus und Politik debattiert.
  • Die Medienfreiheit sei weiter unter Druck, so ein Fazit.
  • "Putin muss mit Gewalt abgesetzt werden, sonst wird dieser Krieg weiter andauern", so Ponomarew im Gespräch mit der APA.
  • Ponomarew betreibt auf YouTube einen russischsprachigen TV-Sender, der Russen über den Krieg in der Ukraine informiert.