Ägypten: Fortschritte bei Gesprächen zu Gaza mit Israel
Die radikal-islamischen Palästinenserorganisation Hamas erhielt nach eigenen Angaben am Samstag Israels Antwort auf ihren jüngsten Vorschlag zur Waffenruhe im Gazastreifen. "Die Hamas hat heute die offizielle Antwort der zionistischen Besatzung auf den Vorschlag erhalten, der den Vermittlern aus Katar und Ägypten am 13. April vorgelegt wurde", teilte der stellvertretende Chef der Organisation, Khalil Al-Hayya, in einer Erklärung mit. Man werde das Schreiben prüfen und dann eine Antwort vorlegen, so Al-Hayya.
Eine ägyptische Delegation besuchte Israel am Freitag zu Gesprächen mit israelischen Regierungsmitgliedern. Einer mit der Angelegenheit vertrauten Person zufolge ging es erneut darum, wie die Gespräche zwischen den verfeindeten Parteien wieder aufgenommen werden können. Laut dem Insider zieht Israel eine begrenzte Waffenruhe in Betracht, bei der 33 Geiseln von der Hamas freigelassen werden würden, anstatt der 40, die zuvor diskutiert wurden.
Unter Berufung auf israelische Regierungskreise berichtete die US-Nachrichten-Website Axios, dass Israel den ägyptischen Vermittlern am Freitag mitgeteilt habe, dass es bereit sei, den Geiselverhandlungen eine letzte Chance zu geben, um eine Einigung mit der Hamas zu erzielen, bevor es mit einer Invasion in Rafah beginnen würde. Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, sagte am Freitag, er sehe eine neue Dynamik in den Gesprächen zur Beendigung des Krieges und zur Freilassung der verbleibenden Geiseln.
Die am Freitag in Tel Aviv erfolgten Gespräche zwischen ägyptischen und israelischen Vertretern seien nach Angaben eines ranghohen israelischen Beamten "sehr gut" und konzentriert verlaufen. Die Ägypter seien offenbar bereit, die Hamas unter Druck zu setzen, um eine Einigung zu erzielen. Es seien bei den Gesprächen in allen Bereichen Fortschritte erzielt worden, zitierte die "Times of Israel" am späten Freitagabend entsprechende Berichte. Der Sender Al-Kahira News hatte zuvor gemeldet, eine ägyptische Delegation bespreche in Tel Aviv einen "umfassenden Rahmen" für ein Waffenstillstandsabkommen.
Israel werde nicht zulassen, dass die Hamas, insbesondere ihr Anführer Yahya Sinwar einen Geisel-Deal hinauszögert, um die geplante Militäroffensive in Rafah in Süden des Gazastreifens zu verhindern, wurde ein israelischer Beamte von "Times of Israel" zitiert. Die Armee hatte vor wenigen Tagen zwei weitere Reservebrigaden mobilisiert. Sinwar gilt als Planer des Massakers in Israel vom 7. Oktober des vergangenen Jahres, in dessen Folge rund 1.200 Israelis getötet und rund 250 Menschen nach Gaza verschleppt wurden. Er wird in Tunneln unterhalb Rafahs vermutet.
"Dies ist die letzte Chance, bevor wir nach Rafah gehen", zitierte die "Times of Israel" den namentlich nicht genannten israelischen Regierungsbeamten. "Entweder ein Abkommen in naher Zukunft oder Rafah". Israel will in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden Gazas die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. Ägypten will laut israelischen Medien eine Einigung erreichen, um den Angriff in Rafah abzuwenden. Ägypten ist besorgt, dass Palästinenser in großen Zahlen über die Grenze kommen könnten.
In Rafah haben Hunderttausende Zuflucht vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht. Bei dem jüngsten Gespräch zwischen ägyptischen und israelischen Vertretern sollte es israelischen Medien zufolge zunächst um ein begrenztes Abkommen mit der Hamas gehen, wonach nur einige weibliche, ältere und kranke Geiseln freikommen. Einen Vorschlag der USA, 40 solcher Gekidnappten freizulassen, hatte die Hamas abgelehnt. Ihr zufolge sollen nicht mehr so viele Geiseln am Leben sein, die in diese Kategorien fallen. Die Hamas fordert einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza, was Israels Regierung jedoch ablehnt.
Israel und die islamistische Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres nach Gaza entführt hatten. Ägypten, die USA und Katar treten dabei als Vermittler auf.
Angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen leistet die EU weitere finanzielle Hilfe. Um die vom anhaltenden Krieg betroffenen Palästinenser zu unterstützen, werden zusätzliche 68 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Mit dem Geld soll die Auslieferung von Lebensmitteln und Wasser, aber auch die medizinische Versorgung sowie Unterbringungsmöglichkeiten verbessert werden.
Den Angaben zufolge erhöht sich der Gesamtbetrag der EU-Hilfe für bedürftige Palästinenser im Gazastreifen und der gesamten Region im Jahr 2024 auf 193 Millionen Euro.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan griff vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs erneut zu scharfen Tiraden gegen den Westen. "Wir haben erlebt, wie diejenigen, die uns jahrelang über Demokratie und Meinungs- und Versammlungsfreiheit belehrt haben, plötzlich faschistisch werden, wenn es um Israel und Israels Interessen geht", sagte Erdogan am Freitag. Der Westen lege seine Werte ad acta, wenn es um Israel gehe.
Dem Land warf der türkische Staatschef erneut vor, einen "Genozid" im Gazastreifen zu verüben. Die islamistische Hamas nahm er hingegen in Schutz: "Nur weil Israel und seine westlichen Unterstützer das wollen, werden wir nicht zu denen gehören, die die Hamas beschuldigen, eine Terrororganisation zu sein." Die Türkei stehe weiterhin hinter der Hamas. Die Massaker vom 7. Oktober verurteilte Erdogan erneut ausdrücklich nicht: "Man kann die Vorfälle des 7. Oktober gutheißen oder nicht. Das ist vollkommen Ansichtssache."
Zusammenfassung
- Bei den Gesprächen zwischen Ägypten und Israel zeichnet sich ein Fortschritt ab: Es wird ein begrenztes Abkommen anvisiert, das die Freilassung einiger Geiseln und palästinensischer Gefangener vorsieht.
- Die Europäische Union verstärkt ihre Unterstützung für die Kriegsopfer im Gazastreifen mit zusätzlichen 68 Millionen Euro, wodurch sich die Gesamthilfe für 2024 auf 193 Millionen Euro erhöht.
- Trotz der angespannten Lage kritisiert der türkische Präsident Erdogan den Westen und verteidigt die Hamas, während die Zahl der Toten im Gazastreifen auf über 34.000 steigt.