50 Jahre danach: Diktator Franco spaltet Spanien immer noch
Die Jahre nach Franco werden als "Transición" bezeichnet. Dieser sanfte Übergang zur Demokratie sollte nicht gefährdet werden. Die Folge war ein "Pakt des Schweigens", der von allen politischen Lagern befolgt wurde. Doch habe mit dem Tod des Diktators am 20. November 1975 der politische Übergang und die Rückkehr Spaniens zur Demokratie begonnen, so Sánchez am Mittwoch im Auditorium des Madrider Reina-Sofía-Museums. Der feierliche Eröffnungsakt leitet unter dem Leitsatz "Spanien in Freiheit" einen Reigen von über 100 Veranstaltungen ein, mit denen das ganze Jahr über daran erinnert werden soll, wie der Tod des Diktators vor 50 Jahren das Land politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich veränderte, modernisierte und in eine Demokratie verwandelte.
Mit Blick auf das Voranschreiten rechtsextremer Parteien in ganz Europa und der bevorstehenden Machtübernahme von Donald Trump in den USA mit einem Berater wie dem Tech-Milliardär Elon Musk, der in Deutschland öffentlich zur Wahl der rechten AfD aufrufe, sei es heute wichtiger denn je, "unsere Demokratien jenseits ideologischer Unterschiede zu verteidigen", erklärte Sánchez.
Damit richtete er sich indirekt auch an Spaniens konservative Volkspartei (PP) von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo. Dass die rechtsextreme Vox, mittlerweile drittstärkste Partei im Madrider Parlament, nicht zum Veranstaltungsauftakt kommen würde, war allen klar. Bereits im Vorfeld bezeichnete Vox-Sprecher José Antonio Fúster die Gedenkveranstaltungen als "spaltende Vision der Vergangenheit" aus einem "revanchistischen Wunsch" einer linken Regierung". Ministerpräsidenten Sánchez warf er sogar "absurde Nekrophilie" vor.
Doch auch Oppositionsführer Feijóo sowie andere Vertreter der Konservativen wollten am Mittwoch nicht am Eröffnungsakt im Reina-Sofía-Museum teilnehmen. Für Miguel Tellado, PP-Fraktionsführer im spanischen Parlament, brauche Sánchez Franco "lebendiger denn je", um nicht nur die eigene politische Schwäche seiner Minderheitsregierung zu kaschieren, sondern auch um von seinen persönlichen Problemen wie den Korruptionsvorwürfen gegen seinen Bruder und seine Ehefrau abzulenken.
Anstatt Veranstaltungen über einen "toten Diktator" zu organisieren, sollte die Linksregierung lieber "gegen lebende Diktatoren vorgehen", kritisierte auch PP-Sprecher Borja Sémper die angeblich zurückhaltende Kritik der regierenden Sozialisten gegen linke Diktaturen wie in Venezuela. Mehr noch: 2025 gebe es in Spanien nichts zu feiern, so Sémper. Er erinnerte, dass es 1975 in Spanien keine Demokratie gab.
Da hat der PP-Sprecher nicht ganz unrecht. Francos Tod am 20. November 1975 brachte keineswegs direkt die "Freiheit". Anders als Portugal ein Jahr zuvor erlebte Spanien damals keine Revolution, bei der Menschen in den Straßen tanzten und Soldaten sich Nelken in die Gewehrläufe stecken ließen. Ganz im Gegenteil: Tausende standen kilometerweit Schlange, um dem Leichnam ihres "Caudillo" die letzte Ehre zu erweisen. Spanien durchlebte eine mühsame Phase des demokratischen Übergangs. Erst 1978 wurde eine demokratische Verfassung verabschiedet.
Die konservative Opposition sieht die Gedenkveranstaltungen als politisches Manöver einer schwächelnden Linksregierung, die mit den Gefühlen der Menschen spielen will. Die Regierung besteht hingegen darauf, dass auch andere europäische Länder, die kürzlich demokratische Jubiläen gefeiert haben, das Ende des vorherigen autoritären Regimes als Datum genommen haben. Dabei werde der Veranstaltungskalender für den 50. Todestag Francos nicht verhindern, dass in Spanien 2027 der 50. Jahrestag der ersten demokratischen Wahlen oder 2028 das Jubiläum der Wahlen zur Verfassung abhalten werde.
"Das Thema Franco spaltet Spanien immer noch tief - sei es aus gesellschaftlichen oder parteistrategischen Gründen", erklärt der spanische Politologe Felix Arrieta im Gespräch mit der APA. Arrieta erinnert an die Amnestien und den "Pakt des Schweigens" zum Schutz der schwachen Demokratie. Wie schwach Spaniens Demokratie war, zeigte im Februar 1981 nicht zuletzt der Staatsstreichversuch von Franco-treuen Militärs. Der Putsch scheiterte erst, nachdem sich König Juan Carlos I., der von Franco als dessen Nachfolger benannt worden war, auf die Seite der Demokratie stellte.
Erst 2019 setzte die sozialistische Regierung von Pedro Sánchez gegen großen politischen Widerstand von rechts durch, die Gebeine des Diktators aus dem Mausoleum zu entfernten, dass sich Franco selber erbauen ließ. "Franco wird immer noch politisch benutzt - von links wie von rechts", so Arrieta.
Ob das Fernbleiben des spanischen Königs Felipe VI. am Mittwoch damit zu tun hat, sei dahingestellt. Aus dem Zarzuela-Palast gab man als Begründung den zeitgleichen Empfang neuer ausländischer Botschafter in Spanien an. Das spanische Staatsoberhaupt werde aber an anderen Veranstaltungen zum Gedenkjahr teilnehmen. So zum Beispiel beim Besuch der Konzentrationslager Auschwitz und Mauthausen, wo Hunderte republikanische Spanier, die auf der Flucht vor Franco waren, ermordet wurden.
(Von Manuel Meyer/APA)
Zusammenfassung
- Pedro Sánchez eröffnete das Gedenkjahr zum 50. Todestag von Diktator Franco, der Spanien von 1936 bis 1975 regierte.
- Nach Francos Tod begann der politische Übergang zur Demokratie, der durch den 'Pakt des Schweigens' geprägt war.
- Die rechtsextreme Vox-Partei kritisiert die Gedenkveranstaltungen als 'spaltende Vision der Vergangenheit'.
- Die sozialistische Regierung entfernte 2019 Francos Gebeine aus einem Mausoleum, was zu politischen Spannungen führte.
- Der Artikel betont die anhaltende gesellschaftliche und politische Spaltung Spaniens durch das Erbe Francos.