APA/APA/MusikTheater an der Wien/Werner Kmetitsch

Wirkliche wilde "Wilde Kerle" im MusikTheater an der Wien

Wer das alte Dramaturgiediktum auf seine Gültigkeit abklopfen möchte, dass Kinderohren offen für alles seien, der kann derzeit ins MusikTheater an der Wien gehen. Als heimische Erstaufführung zeigt man die Bühnenadaption von Maurice Sendaks Kinderbuchklassiker "Wo die wilden Kerle wohnen" - passend in die Hände gelegt von Puppenmagier Nikolaus Habjan. Ein bildstarker Monsterreigen ist das Ergebnis, der allerdings so manchem jungen Operngeher noch zu gruselig sein dürfte.

Bei "Wo die wilden Kerle wohnen" setzte der Illustrator Sendak in den 1960ern vor allem auf Bilder, weniger auf Worte, um die Geschichte von Max zu erzählen, der sich mit seiner Mutter streitet, zur Strafe ohne Abendessen ins Bett muss und sich auf eine Insel imaginiert, auf der die wilden Kerle leben, die ihn erst fressen wollen, ihn schließlich aber doch zu ihrem König krönen. Das Werk wurde schnell weltweit erfolgreich und vielfach adaptiert.

An der Opernfassung, die 1980 in Brüssel uraufgeführt wurde, wirkte Sendak dann selbst mit, benötigte der britische Komponist Oliver Knussen doch ein Libretto. Am Ende stand ein auf eine gute Dreiviertelstunde komprimiertes Musiktheater, das für eine Kinderoper musikalisch durchaus unkonventionell daherkommt, sich alles andere als anbiedert an kleine Ohren. Letztlich könnte Knussens zitatreiche Musik auch bei Wien Modern erklingen.

Habjan und seinen Stammbühnenbildner Jakob Brossmann haben diese Klänge zu einem dunkelbunten Bilderreigen inspiriert, ist Max' Kinderzimmer doch mit überdimensionalen Möbeln ausgestattet und kommen die Wilden Kerle als ebenso große Hybride aus Sängern und Puppenköpfen daher. Die kleine, furzende Ziege in den Händen des Bartkerls wird als Basketball verwendet, während der Hahnkerl krähend seinem Namen alle Ehre macht.

Auch der in der Realwelt von Koloratursopranistin Jasmin Delfs gespielte Max mutiert in dieser Traumwelt zur Puppe. Er lässt sich nicht von den leuchtenden Augen der Wilden Kerle, ihrer Drohung, ihn zu fressen oder den Bäumen, die aus den Wänden des Kinderzimmers brechen, schrecken. Ob das bei kleineren Opernfreunden ebenfalls der Fall ist - die Altersempfehlung lautet ab sechs Jahren - darf bezweifelt werden. Auch mangelt es hierfür an Textverständlichkeit. Für etwas größere Nachwuchsoperngeher hingegen bietet sich derzeit im Museumsquartier die Gelegenheit, die Wartezeit aufs Christkind mit einer kindlichen Selbstermächtigungsgeschichte zu verkürzen.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "Wo die wilden Kerle wohnen" von Oliver Knussen/Maurice Sendak im MusikTheater an der Wien im MQ, Halle E, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Musikalische Leitung der Wiener Symphoniker: Stephan Zilias. Inszenierung: Nikolaus Habjan, Bühne: Jakob Brossmann, Kostüm: Denise Heschl. Mit Max - Jasmin Delfs, Mama/Tzippie - Katrin Wundsam, Bart- und Ziegenkerl - Peter Kirk, Hornkerl - Zoltan Nagy, Hahnkerl - Matthias Hoffmann, Bullenkerl - Martin Summer sowie diverse Puppenspielende. Weitere Doppelaufführungen jeweils am 17., 19., 20. und 27. Dezember. www.theater-wien.at/de/spielplan/saison2023-24/1224/Wo-die-wilden-Kerle-wohnen)

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  • Wer das alte Dramaturgiediktum auf seine Gültigkeit abklopfen möchte, dass Kinderohren offen für alles seien, der kann derzeit ins MusikTheater an der Wien gehen. Als heimische Erstaufführung zeigt man die Bühnenadaption von Maurice Sendaks Kinderbuchklassiker "Wo die wilden Kerle wohnen" - passend in die Hände gelegt von Puppenmagier Nikolaus Habjan. Ein bildstarker Monsterreigen ist das Ergebnis, der allerdings so manchem jungen Operngeher noch zu gruselig sein dürfte.