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Barbara Albert: "Nazis nicht als Monster darstellen"

Österreichs Erfolgsregisseurin Barbara Albert ist nach dem Ausflug ins Serienfach mit "Funeral for a Dog" zurück im Kino: Ihre Literaturverfilmung "Die Mittagsfrau" ist ab 25. Oktober auf der Leinwand zu erleben. Aus diesem Anlass sprach die 53-Jährige mit der APA über die Parallelen von Heute und der Zwischenkriegszeit, ihren Optimismus in der MeToo-Debatte und warum man Nazis nicht als Monster zeichnen darf.

APA: Nach Ihrem ersten großen Ausflug ins Serienfach mit der Sky-Produktion "Funeral for a Dog" sind Sie zurück beim Kinofilm. Haben Sie sich aus dieser "anderen Welt" etwas mitnehmen können für "Die Mittagsfrau"?

Barbara Albert: Absolut, aber das tut man natürlich bei jedem Film oder bei jeder Serie. Was ich beim Seriendreh vermutlich wirklich gelernt habe, ist, aus einem Drehtag möglichst viel herauszuholen. Und wie es trotzdem gut gehen kann, auch wenn ich nicht alleine über alles entscheiden kann, weil es unter denjenigen, die die Serie schon länger entwickelt hatten, ja auch einen Co-Regisseur gab. Einerseits die eigene Vision zu verwirklichen und andererseits auch anderes zulassen, das war das Spannende. Auch die Dreharbeiten für "Die Mittagsfrau" waren jetzt eine ganz wunderbare Teamarbeit. Das fordert die junge Generation einfach auch verstärkt ein, was ich total richtig finde!

APA: Nach "Licht" ist auch "Die Mittagsfrau" wieder eine Literaturverfilmung. Wie verlief der Prozess der Adaptierung in diesem Fall?

Albert: Ich hatte der Autorin Julia Franck nach der Lektüre des Romans quasi einen Liebesbrief geschrieben, in dem stand, dass "Die Mittagsfrau" unbedingt verfilmt werden müsse und dass ich das gerne übernehmen würde. Und die Drehbuchautorin Meike Hauck hatte bereits 2014 gemeint, dass sie das Buch sehr gerne adaptieren würde. Sie hatte mich auch auf den Roman gebracht. Wir haben dann lange daran gearbeitet, und es gab zahlreiche Wellenbewegungen, in denen wir die Geschichte hin- und herbewegt haben, bis das fertige Drehbuch stand.

APA: "Die Mittagsfrau" reiht sich ein in zahlreiche Arbeiten der vergangenen Jahre wie "Babylon Berlin" oder "Fabian". Weshalb ist die Zwischenkriegszeit für uns heute thematisch wieder so interessant?

Albert: Die naheliegendste Antwort wäre wohl, dass wir spüren, dass diese Zeit mit der unseren etwas zu tun hat. Die Demokratie und Freiheiten für Frauen oder Homosexuelle sind wieder gefährdet. Ich möchte natürlich nicht behaupten, dass das alles 1:1 vergleichbar ist. Aber wir leben in einer Zeit, in der viele Angst haben, es könnten die Rechten die Gesellschaft wieder restriktiv gestalten. Wir sind in einer Blase und denken, wir wären frei. Aber das ist in Gefahr.

APA: Wie sehr ist der Hauptcharakter Helene für Sie eine Metapher gewesen? Wie konkret eine Figur?

Albert: Ich habe sie vollkommen als Figur behandelt, und auch Mala Emde ist total in ihr aufgegangen. Und ich bin schon überzeugt, dass "Die Mittagsfrau" spürbar macht, dass es mit unserem Leben zu tun hat, was im vermeintlichen Außen der Politik passiert. Wir wollten deshalb ganz bewusst nicht die großen Hakenkreuz-Aufmärsche zeigen, sondern die Auswirkungen auf das Privatleben zeigen. Insofern steht Helene auch für etwas Größeres, was wir in dem Sinne aber erst im Laufe des Drehs bemerkt haben. Dass auch heute die Freiheit der Frau über ihren Körper zum Beispiel in Polen wieder unter Beschuss gerät oder die Konfrontation mit Krieg, das sind natürlich Parallelen. Manchmal hatte ich schon das Gefühl: Die Wirklichkeit holt uns ein. Zugleich ist die Helene eine Figur, die ich direkt körperlich spüre. Ich wollte deshalb im Film auch den Frauenkörper und was er erlebt beschreiben - von Schwangerschaft, dem Mutterwerden, der ersten Sexualität. Zugleich wollte ich den gleichberechtigten Blick, auch auf den männlichen Körper. In den sexuellen Passagen ging es mir praktisch um eine Auflösung der Geschlechter.

APA: Was ist für Sie der Vorteil, einen historischen Film im Gegensatz zu einem Sujet im Hier und Jetzt zu machen?

Albert: Man braucht für einen historischen Film natürlich sehr viel Geld - in unserem Falle 8 Millionen Euro -, weshalb die Realisierung auch länger gedauert hat. Aber wenn man über das Heute einen Film macht, ist man oft passé, wenn der Film fertig ist, weil sich die Zeit so wahnsinnig schnell bewegt. Das, was vor einem Jahr passiert ist, ist gefühlt schon wieder alt. Etwas aus der Vergangenheit ist da oftmals allgemeingültiger und hilft, besser zu erzählen. Deshalb gibt es wohl die Tendenz in letzter Zeit, wieder vermehrt historisch zu arbeiten.

APA: Wäre die Figur des Nazianhängers Wilhelm vor zehn Jahren im deutschsprachigen Kino so ambivalent erzählbar gewesen, wie Sie es heute tun können?

Albert: Das ist schwer zu sagen. Ich finde generell, dass Nazis nicht als Monster dargestellt werden dürfen, weil wir als Menschen allgemein leider zu sehr viel fähig sind. Wenn man Menschen genau betrachtet, hat man mehr davon, als wenn man sie als Monster abtut. Nur so versteht man ja auch, was man dagegen tun kann. Wir müssen unsere Familiengeschichten und -traumata auch heute noch über die Generationen hinweg bearbeiten.

APA: Wie sehr hat in Ihren Augen die MeToo-Debatte die österreichische Filmbranche bereits verändert? Ist da manches steckengeblieben oder vieles im Fluss?

Albert: Es ist viel passiert! "Feminism WTF" von Katharina Mückstein hat mir zum Beispiel teils echt die Augen geöffnet, wie ich vielleicht bessere Worte dafür finde, um anderen zu erklären, was ich fühle und welche Haltungen ich habe. Und es gibt mittlerweile die Codes of Conduct, die neue Standards festschreiben, die sich durchsetzen werden. Es mussten einfach ein paar Einzelfälle aufgedeckt werden, um das Bewusstsein zu schärfen. Ich bin grundoptimistisch und bin sicher, es gibt immer noch eine Möglichkeit aufeinander zuzugehen. Wir lernen, über Dinge wie Machtmissbrauch zu sprechen. Dieses Bewusstsein ist noch nicht überall angekommen, aber die Tendenz ist richtig und geht hoffentlich weiter.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Österreichs Erfolgsregisseurin Barbara Albert ist nach dem Ausflug ins Serienfach mit "Funeral for a Dog" zurück im Kino: Ihre Literaturverfilmung "Die Mittagsfrau" ist ab 25. Oktober auf der Leinwand zu erleben. Aus diesem Anlass sprach die 53-Jährige mit der APA über die Parallelen von Heute und der Zwischenkriegszeit, ihren Optimismus in der MeToo-Debatte und warum man Nazis nicht als Monster zeichnen darf.