Wiener Volkskundemuseum widmet sich der Gleichbehandlung
Bereits im Stiegenaufgang stechen den Besuchern großformatige Comic-Figuren ins Auge, die dazugehörigen Sprechblasen sind leer. "Damit wollten wir offenlassen, in welcher Position sich die dargestellten Personen befinden. Sind sie Betroffene von Diskriminierung, sind es jene, die diskriminieren oder sind es Beraterinnen und Berater?", erläuterte Kuratorin Johanna Zechner am Donnerstag im Rahmen einer Pressevorbesichtigung. Eigentlich hätte die Ausstellung, die im ersten Stock des Museums drei Räume bespielt, am heutigen Abend eröffnet werden sollen. Mit Ende des Lockdowns kann man nun fast termingerecht am nächsten Dienstag öffnen.
Mit dem visuellen Intro im Stiegenhaus will man bereits vor Betreten der Schau zur Reflexion anregen. Schließlich könne sich ein und dieselbe Person in unterschiedlichen Positionen wiederfinden. Nur weil man selbst Opfer von Diskriminierung geworden sei, heiße das nicht, dass man nicht auch selbst zum "Täter" werden könne, so Zechner. Über die Geschichte des Gleichbehandlungsgesetzes von 1979 und die Gründung der GAW zwei Jahre später gibt dann der erste Raum Aufschluss, der sich den unterschiedlichen Bereichen des Gesetzes widmet. So gibt es Diskriminierung aufgrund von Rassismus, des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Orientierung sowie der Religion und der Weltanschauung. Eine Timeline veranschaulicht die Geschichte der Gleichbehandlungsanwaltschaft, in einem Video berichtet GAW-Leiterin Sandra Konstatzky von aktuellen Herausforderungen.
Hat man die Grundbegriffe durchlaufen, geht es in vier Stationen in die Praxis. "Naturgemäß gab es nicht viel visuelles Material, zudem mussten wir die Privatsphäre und den Datenschutz wahren", erläutert Kurator Niko Wahl die komplexe Ausgangslage für die Schau. Daher sei es schnell klar geworden, dass man Fälle mithilfe von Comics (von Büke Schwarz) und Audio-Interviews aufbereiten möchte. Und so bewegt man sich lesend, schauend und hörend durch die unterschiedlichen Stationen, die Betroffene von Diskriminierung durchlaufen.
Den Anfang macht der "Kontakt": Hier sind etwa Dokumente zu sehen, die die erste Kontaktaufnahme mit der GAW verdeutlichen. Als eines der Fallbeispiele springt die Diskriminierung einer Muslima ins Auge, die aufgrund ihres Kopftuchs nicht ins Schwimmbad eingelassen wird. Auf die Kontaktaufnahme folgt die "Entscheidung": Hier wird verdeutlicht, dass jeder Fall individuell behandelt werde und im Rahmen von Beratungen das weitere Vorgehen besprochen werde, wie Kuratorin Vanessa Spanbauer erklärt. Hier sei es besonders wichtig, über die Möglichkeiten zu beraten und Klienten nicht in eine bestimmte Richtung zu drängen.
"Vertreten werden" nennt sich die dritte Station, bevor man sich "Im Recht Sein" widmet. Denn meist ist der Weg nicht vorbei, wenn man rein juristisch gegen die Diskriminierenden "gewonnen" habe, wie Spanbauer erklärt. "Hier geht es darum, was im Anschluss passiert. So bieten wir etwa für Arbeitgeber auch Beratung und Workshops an, um künftig Diskriminierungen zu vermeiden." Wie wenig Einsicht so manche Arbeitgeber oder Dienstleister zeigen, wird etwa mithilfe von (geschwärzten) Briefen verdeutlicht. Aber auch der Blick der Klienten kommt nicht zu kurz. Das zeigt eine Postkarte, die jemand nach Ende der Vertretung durch die GAW geschrieben hat, um sich zu bedanken.
"Ziel der Ausstellung ist nicht so sehr eine Dokumentation des bisher Erreichten, sondern vielmehr die Vermittlung eines komplexen, emotionalen Themas und das Verständnis für die Lebenswelt derer, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters oder ihrer Religion und kulturellen Zugehörigkeit Herabwürdigung erfahren", resümiert Konstatzky. Besonders wichtig sei es ihr, mit den Themen auch das junge Publikum anzusprechen. Konzipiert als Wanderausstellung soll die Schau, die bis zum 1. Mai im Volkskundemuseum zu sehen ist, im Anschluss auch in jenen Städten zu sehen sein, in denen die GAW regionale Niederlassungen unterhält. Das umfangreiche Begleitprogramm umfasst neben Kurator*innenführungen auch eine Studienpräsentation (19. Jänner), Diskussionen sowie Workshops.
(S E R V I C E - Ausstellung "Jetzt im Recht! Wege zur Gleichbehandlung" im Volkskundemuseum. Bis 1. Mai. Infos unter www.volkskundemuseum.at/gleichbehandlung und www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/)
Zusammenfassung
- Mit dem visuellen Intro im Stiegenhaus will man bereits vor Betreten der Schau zur Reflexion anregen.
- Daher sei es schnell klar geworden, dass man Fälle mithilfe von Comics und Audio-Interviews aufbereiten möchte.
- Konzipiert als Wanderausstellung soll die Schau, die bis zum 1. Mai im Volkskundemuseum zu sehen ist, im Anschluss auch in jenen Städten zu sehen sein, in denen die GAW regionale Niederlassungen unterhält.