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Wiener Schau zeigt historische Wachsfigurenfotos

Eine Ertrunkene mit geöffneter Bauchhöhle, ein tränenüberströmter Amor, zwei Gladiatoren im Kampf: So groß ist die Bandbreite an Motiven, die sich im Wiener Photoinstitut Bonartes dem Publikum präsentieren. Die Ausstellung "Glasblick und Wachshaut" zeigt Aufnahmen des deutschen Fotografen Herbert List (1903-1975). Dieser hatte 1944 jene lebensgroßen Wachsfiguren in "Präuschers Panoptikum" im Prater abgelichtet, die ein Jahr später großteils einem Brand zum Opfer fielen.

Hermann Präuscher tourte ab den 1850er-Jahren mit seinem zunächst mobilen Kabinett auf Jahrmärkten und in Bretterbuden und bediente mit Märchenszenen, historischen Tableaus und medizinischen Sujets ein wachsendes Interesse am menschlichen Körper. Die detailreiche Darstellung der Haut oder inneren Organe zu einer Zeit, die Entblößung tabuisierte, wirkte nicht in erster Linie informativ, sondern vor allem schockierend und erregend. 1871 bezog Präuscher mit seiner wächsernen Gefolgschaft einen fixen Standort im Prater. Noch 1940 waren in den Katalogen mehr als 600 Figuren gelistet.

List fotografierte Teile der Sammlung 1944 für die Illustrierte "Tele", deren interessanter Hintergrund - sie wurde, wie man heute weiß, auf Initiative der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin betrieben und sollte "mit leiseren Tönen [...] Sympathiewerbung für Deutschland" im neutralen Ausland betreiben - in der ab Mittwoch laufenden Ausstellung ebenfalls thematisiert wird. Daraus erklärt sich auch, warum List als "Vierteljude" und geouteter Homosexueller während der Naziherrschaft in Wien arbeiten konnte.

Schon 1945 wollte der Fotograf aus dem Material auch ein Buch machen, woraus allerdings schließlich doch nichts wurde. Nun hat Bonartes das Vorhaben nach Lists Konzept samt ironischer Kommentare aus seiner Feder doch noch finalisiert und eine bibliophile Ausgabe herausgebracht. Im Bonartes selbst sind neben Typoskripten und Materialien rund um "Tele" und das Buchvorhaben rund 30 Abzüge, die List bereits für das Publikationsprojekt gemacht hatte, zu sehen. Darüber hinaus stößt man auf lebensechte Vergrößerungen - etwa der einem 1894 entstandenen populären Gemälde nachempfundenen Darstellung einer verzweifelten Teilnehmergruppe der österreichischen Nordpolexpedition - nach dem Raumkonzept des bildenden Künstlers Markus Schinwald. Sie sollen einen Eindruck des damaligen Panoptikums geben.

Auch wenn Präuschers Wachsfigurenkabinett 1945 in Flammen aufging, konnte eine nicht näher genannte Zahl von Objekten gerettet werden. Einige sind heute im Pratermuseum zu sehen. In der Schau selbst ist davon "Amor in Tränen" vertreten.

(S E R V I C E - "Glasblick und Wachshaut. Herbert List fotografiert in Präuschers Panoptikum" im Photoinstitut Bonartes, Seilerstätte 22, 1010 Wien, ab Mittwoch und bis 28. Juli, Besuch der Ausstellung gegen Voranmeldung unter +43 1 236 02 93 40 oder info@bonartes.org; www.bonartes.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Eine Ertrunkene mit geöffneter Bauchhöhle, ein tränenüberströmter Amor, zwei Gladiatoren im Kampf: So groß ist die Bandbreite an Motiven, die sich im Wiener Photoinstitut Bonartes dem Publikum präsentieren.
  • Die Ausstellung "Glasblick und Wachshaut" zeigt Aufnahmen des deutschen Fotografen Herbert List.
  • 1871 bezog Präuscher mit seiner wächsernen Gefolgschaft einen fixen Standort im Prater.
  • Sie sollen einen Eindruck des damaligen Panoptikums geben.