Tiefgründiger "Besuch im Bubenland" bei der Diagonale
Schlösser hatte schon 2019 bei der Diagonale ihre erste Doku, bei der sie selbst Regie führte, gezeigt: "Szenen meiner Ehe" bot einen tiefen Einblick in ihr eigenes Eheleben. Für den Film habe sie sich "fast überschätzt und viel preisgegeben", sagte sie nun fünf Jahre später. Das wollte sie "aufarbeiten" und lässt daher diesmal "Buben" beinahe jeden Alters den Seelenstriptease hinlegen. Zumindest jene, die es auch wollen, denn nicht alle Männer, die sie rund zwei Jahre lang mit dem Handy in ihrem gewohnten Umfeld, in ihrem Alltag, filmte, gewährten tiefe Einblicke in ihr Inneres.
Behutsam und liebevoll, nicht aufdringlich, fragt Schlösser, die selbst einige Jahre im Südburgenland gelebt hat und die Männer teilweise schon kannte, nach dem Befinden ihrer Protagonisten. Ein wenig erinnern die Szenen an das legendäre ORF-Format "Liebesg'schichten und Heiratssachen". Einer erzählt von seiner früheren Ehe: "Es hat leider nicht funktioniert. Ihr hat das Landleben nicht so gefallen", erklärt er umrahmt von der Idylle des Südburgenlands mit ihrem Kirchenglockengeläut, Vogelgezwitscher, einem Ständchen der "Blos" (Blasmusikkapelle, Anm.) und dem "Nah & Frisch" im Dorfzentrum. Stolz sagt er, dass er damals bei seinem Kind die Nabelschnur durchgeschnitten habe und es als erstes "Papa" und nicht "Mama" gesagt habe. Die Freude darüber kann er nicht in seinem Gesicht verbergen, auch wenn er es wollte. Allein ist er nun aber trotzdem.
Ein anderer will nicht über Kinder reden, "ein kompliziertes Thema", wie er sagt, und er tut es dann aber doch. Er habe Kinder: "Sie sind von mir, aber es sind nicht meine Kinder", bleibt er kryptisch. Als Mann sei es einfach wichtig, dass man Kinder habe. Erziehen wollte er sie nicht, hätte aber auch das gemacht: "Das war aber nie Thema." Es folgt Stille, die Platz für Gefühle und Interpretationen lässt.
"Das mit den Männern ist mir noch ein Rätsel, ich wollte mit ihnen ins Gespräch kommen", sagte die aus Deutschland stammende Regisseurin nach der Premiere. Das ist ihr durchwegs gelungen, vor allem durch kluge und sensible Gesprächsführung: Sie bietet ihrem Gegenüber viel Raum, lässt Stille zu, und als Zuschauerin kann man beinahe sehen, wie die "Buben" ihre eigenen Worte im Kopf reflektieren. Manche weinen auch, das große Vertrauen und die Intimität, die Schlösser schafft, werden sichtbar.
Für emanzipierte Frauen mögen so manche der männlichen Sichtweisen auf Beziehungen und Vorstellungen von Ehe und Kindererziehung wie aus dem letzten Jahrhundert erscheinen. Das klingt dann oft lustig, aber Schlösser zieht ihre Protagonisten nie ins Lächerliche. Sie zeigt die Menschen in ihrem Umfeld: "Ich höre gerne zu, und mich interessiert es, zu ihnen vorzudringen, hinter die Fassade zu schauen. Jeder hat eine Tiefe, die man nicht gleich sieht", sagte Schlösser im Anschluss an die Weltpremiere. Einige ihrer Hauptdarsteller waren auch nach Graz gekommen und erhielten vom Publikum Jubelrufe - die haben sie sich auch verdient, für ihre Offenheit und für das Vertrauen in Schlösser. Die Regisseurin gab zu, dass es schwieriger war, als sie sich erwartet hatte, mit den Männern tiefgründige Gespräche zu führen. Erst beim Sichten der rund 70 Stunden Material sei ihr bewusst geworden, welchen Schatz sie gehoben habe.
Schlösser bewies jedenfalls die große Kunst, Vertrauen zu ihren Protagonisten aufzubauen. Für den Schnitt zeichnete Dieter Pichler verantwortlich, Barbara Pichler und Gabriele Kranzelbinder sind die Produzentinnen der 92-minütigen Doku, die ab Mai in den österreichischen Kinos zu sehen sein wird.
(Von Ingrid Kornberger/APA)
(S E R V I C E - Nächste Vorstellung am Sonntag, 7. April, um 10.30 Uhr im KIZ Royal 1. www.diagonale.at/filme-a-z/?ftopic=finfo&fid=11960)
Zusammenfassung
- Die Dokumentation 'Besuch im Bubenland' von Katrin Schlösser erlebte bei der Diagonale in Graz ihre Weltpremiere und gibt Einblicke in das Leben von Männern im Südburgenland.
- Über einen Zeitraum von zwei Jahren filmte Schlösser die Männer in ihrem Alltag und schuf durch ihre sensible Gesprächsführung eine intime Atmosphäre.
- Die 92-minütige Doku wird ab Mai in den österreichischen Kinos gezeigt, und einige der Protagonisten wurden bei der Premiere für ihre Offenheit vom Publikum gefeiert.