APA/APA / Schauspielhaus Wien/Inma Quesada

Texte und Ziegel: "Wunder"-Premiere im Schauspielhaus Wien

Gesprochener und geschriebener Text, ein Ziegelboden, der teilweise abgetragen und neu geschlichtet wird, eine Rückwand, die auch als Dach fungieren kann und fünf Schauspielerinnen im Sportdress, die Deutsch, Katalanisch und Spanisch sprechen: Juan Mirandas Inszenierung von Enis Macis "Wunder", die nach einigen Vorstellungen in Barcelona gestern ihre Wien-Premiere im Schauspielhaus feierte, gleicht mehr einer Performance als einem herkömmlichen Stück.

Eine Narration gibt es nicht, es gibt keine Dialoge und keine Rollen. Was es gibt, sind Textfetzen, die dreisprachig eingeblendet und gesprochen werden, chorisch oder gleich als ausgefeilter Choral, als Gebet oder Litanei, als laut gerufene Anklagen oder nüchtern gegebene Informationen. Das erste auf der Bühne präsente Wort ist "Ich", das letzte lautet "Dilettantinnen". Worum es dazwischen geht, muss man sich selbst zusammenreimen.

Körper und Krankheit sind wiederkehrende Themen, Frau und Gesellschaft. Frauennamen aus der Geschichte blitzen auf: Maria Callas, Liz Taylor, Mutter Teresa, Simone Weil. Die Barockmalerin Artemisia Gentileschi, Elisabeth von Thüringen, die sich im 13. Jahrhundert den Armen und Aussätzigen widmete, und Pornostar Sexy Cora haben kurze Auftritte - die einzigen Momente, in denen sich das Quintett der Darstellerinnen (Constanza Aguirre, Iris Becher, Tina Keserović, Virginia Rovira, María García Vera) Figuren aneignet. Dazwischen eingestreut werden aber auch schlichte Sätze wie "Butter ist aus."

Worauf die mehrfach ausgezeichnete Autorin, von der am Schauspielhaus bereits ihre Stücke "Mitwisser", "Autos" und "Bataillon" zur Aufführung kamen, mit dieser Text-Collage hinauswill, ist kaum auszumachen. Die Inszenierung des zum ersten Mal am Schauspielhaus arbeitenden spanisch-argentinischen Regisseurs und Performers Juan Miranda trägt zum Verständnis auch nichts bei, sondern entwickelt Parallel-Aktionen, die an die Auftritte der Wiener Gruppe erinnern. Bloß: Damals hatte diese anarchische Behauptung künstlerischer Selbstgewissheit Sprengkraft, weil sie sich gegen eine verkrustete und erstarrte Tradition richtete. Heute, wo längst alles möglich ist, geht dieser Schlag ins Leere. Nach 75 Minuten ist das "Wunder" vorbei, der Applaus hebt an, doch das Wunder der Erkenntnis bleibt aus.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Wunder" von Enis Maci, Regie: Juan Miranda, Bühne und Kostüme: Larissa Kramarek, Komposition: Paula Montecinos Oliva. Mit Constanza Aguirre, Iris Becher, Tina Keserović, Virginia Rovira, María García Vera. Österreichische Erstaufführung im Schauspielhaus Wien. Wien 9, Porzellangasse 19. Nächste Vorstellungen: 13.-16.12., https://www.schauspielhaus.at/veranstaltung/wunder )

ribbon Zusammenfassung
  • Worauf die mehrfach ausgezeichnete Autorin, von der am Schauspielhaus bereits ihre Stücke "Mitwisser", "Autos" und "Bataillon" zur Aufführung kamen, mit dieser Text-Collage hinauswill, ist kaum auszumachen.
  • Nach 75 Minuten ist das "Wunder" vorbei, der Applaus hebt an, doch das Wunder der Erkenntnis bleibt aus.
  • (S E R V I C E - "Wunder" von Enis Maci, Regie: Juan Miranda, Bühne und Kostüme: Larissa Kramarek, Komposition: Paula Montecinos Oliva.